Gareth Evans. Ein Name, der wie ein Donnerhall in den Köpfen von Fans des modernen Actionfilms dröhnt. Der walisische Regisseur (hier im Interview) ist irreversibel mit dem indonesischen Martial-Arts-Kino verbunden: Seine „Silat“-Trilogie (Pencak Silat = indonesische Kampfkunst), bestehend aus den Filmen MERANTAU (2009), THE RAID (2011) und THE RAID 2 (2014), ist nicht nur längst Kult, sondern machte auch den indonesischen Kampfkünstler Iko Uwais (THE NIGHT COMES FOR US) weltweit bekannt. Umso größer waren die Erwartung und das Interesse, als bekannt wurde, dass Evans in ein Serienprojekt involviert sein wird, das in der Londoner Unterwelt angesiedelt ist. GANGS OF LONDON, so der prägnante Titel, handelt grob von der Erschütterung des stark hierarchischen Machtkonstrukts der Gangster-Elite in der britischen Hauptstadt. An deren Spitze thront unangefochten Finn Wallace (Colm Meaney), der als mächtigster Mann Londons alle Strippen zieht und sämtliche Fäden des organisierten Verbrechens in der Hand hält. Als jener Pate eines Nachts in einer Gegend mit sozial schwächerer Bevölkerung ermordet wird, löst dieses Machtvakuum eine Spirale der Gewalt aus, die sämtliche geschäftlichen Verbindungen zwischen den differenzierten Parteien und Hierarchien innerhalb der Organisationen per se nicht nur auf die Probe stellt, sondern komplett zerstört.
Als die Produktionsfirma Pulse Films mit der Idee auf Gareth Evans zukam, aus dem gleichnamigen Videospiel GANGS OF LONDON ein Spielfilm-Franchise zu erschaffen, sollte dem Regisseur komplett freie Hand gelassen werden. Gemeinsam mit Matt Flannery, der schon in all seine früheren Werke involviert war, wuchsen jedoch bald schon Bedenken, ob Filme hier wirklich das richtige Medium sind. Zu komplex schien das multikulturelle Charakterkarussell der pulsierenden Weltmetropole, deren Einflüsse und Beziehungen sich ebenso global erstreckten. Das kreative Duo wollte den Figuren, deren Sprachen und Kulturen genug Raum zur Entfaltung geben, und dies würde das enge Korsett eines Spielfilms nur bedingt zulassen. So wurde aus der Adaption des Videospiels schließlich die uns vorliegende Serie.
Evans und Flannerys Entscheidung sollte komplett aufgehen: Sämtliche augenscheinlichen Nebenfiguren bekommen so viel Profil, dass selbst der unscheinbarste Randcharakter jederzeit über sich hinauswachsen und zum emotional-narrativen Punch ansetzen kann. Die Komplexität der Verflechtungen der mannigfaltigen Organisationen untereinander kann somit aufgedeckt, ambivalent aufgeladen und komplett neu gestrickt werden, ohne dass man als Zuschauender dabei den Überblick verliert. Die Handlung ist stets hakenschlagend, kaum vorhersehbar, überraschend und an Spannung kaum zu toppen. Ein weiterer Pluspunkt ist die Choreografie der Actionszenen. Mit einem Genie wie Gareth Evans an der Spitze sind hier sämtliche Gewalteruptionen von so wuchtiger und brachialer Intensität, wie man sie sonst derzeit nirgendwo zu sehen und zu spüren bekommt. Jeder Schusswechsel, jede Martial-Arts-Einlage und sogar simple Pub-Prügeleien werden zu Meisterstücken des kinetischen Szenenablaufs. Brutal, intensiv und bis ins Kleinste dramaturgisch perfekt, gleicht hier jede Konfrontation einer gewaltigen sowie gewalttätigen Blut-Oper in faszinierend düsterer Ästhetik. Den Höhepunkt dieser Seherfahrung erreicht GANGS OF LONDON in der Episode BELAGERUNG, die zur absoluten Referenz dessen kulminiert, wie Action zu inszenieren ist. Staffel 2 erscheint am 24. November! (Daniel Gores)
Genial