1982 stellte Wim Wenders n seinem Film CHAMBRE 666 eine einfache, aber tiefgreifende Frage: *Hat das Kino eine Zukunft?* Auf dem Festival von Cannes ließ er Regisseur*innen in einem anonymen Hotelzimmer Platz nehmen, konfrontierte sie mit seiner kulturpessimistischen These und filmte ihre Antworten – allein gelassen, ohne Rückfragen, unter dem Druck des Aufnahmegeräts und der eigenen Gedankenwelt.
Über 40 Jahre später greift 6MINUTEN66 dieses Konzept nicht nur auf, sondern transformiert es in die Gegenwart: 15 deutschsprachige Regisseur*innen (siehe Stabangaben) sitzen erneut in einem Hotelzimmer, diesmal für genau sechs Minuten und 66 Sekunden. Zwei Kameras beobachten sie ohne Unterbrechung, ohne Eingriff. Wieder stehen sie allein einer großen Frage gegenüber – einer neuen These zur Zukunft des Kinos. Die formale Strenge bleibt, doch die Zeiten haben sich geändert. Was bedeutet Kino heute? Und wohin könnte – oder sollte – es sich bewegen?
6MINUTEN66 ist weniger ein Film im klassischen Sinn als ein kuratiertes Gedankenexperiment – eine Versuchsanordnung, die zugleich schlicht und hochkomplex ist. Der Film legt offen, was passiert, wenn man kluge und vor allen Dingen kreative Köpfe in einen simplen Hotelraum setzt und sie mit der eigenen Haltung zur Zukunft des Mediums Kino konfrontiert. Dabei ist schon die Begrifflichkeit Kino ein kontroverser Punkt. Ist Kino ein Medium oder doch viel mehr ‚nur‘ ein Ort? Eine Plattform zum Austausch von Kultur, Kunst und Meinungen? Da gehen die Filmemacher*innen ganz unterschiedlich ran.
Manche sprechen reflektiert und essayistisch, andere nehmen einen Aspekt heraus und gehen diesem weiter nach. Die Mehrheit scheint sich einig, dass das Kino natürlich nicht sterben wird. Es hat eine unendliche Langlebigkeit wie die Literatur. Weil man es braucht. Weil man ihn braucht. Den Film und das Kino als seine spezielle Spielstätte, wo sich Menschen in einem dunklen Raum gemeinsam auf eine fiktive Welt und oder einen Diskurs einlassen können. Der Film wird zum Kaleidoskop einer Branche im Umbruch. Ein Umbruch, der sich nach dem Erscheinen des Films noch weiter vollführen sollte mit der Pandemie, die Kinos erstmal schließen ließ, Streaming und digitale Auswertung von neuen Filmen veränderte und beschleunigte und sein Publikum darauf trainierte, nicht mehr das Kino als genuinen Ort für den Erstkontakt mit neuen Filmen zu verstehen.
Die zwei Kameraperspektiven erlauben wechselnde Blickachsen, was der Monologform visuelle Dynamik verleiht, wobei selten auf die Handykamera geschnitten wird, die auf dem Fenstersims des Zimmers platziert wurde. Dennoch bleibt die Ästhetik reduziert – keine Musik, keine Schnörkel, kein Kommentar.
Der Film macht deutlich, dass es nicht die eine Antwort auf die Frage gibt, was die Zukunft des Kinos betrifft. Und das ist gut. Denn es wird deutlich, dass es mehrere Perspektiven und Lösungsansätze gibt. Welcher funktioniert wird sich zeigen, aber es braucht die unterschiedlichen Sichtweisen und Herangehensweisen, damit das Kino lebendig bleibt und seine Relevanz erhält. Nur dann kann der Film auch weiterleben, wenn er das Kino verlässt, quasi seinen Geburtsort, und in die große Welt hinausgelassen wird, um zu wachsen. Ob auf der Leinwand, dem Fernseher oder einem Handydisplay. Das entscheidet das Publikum. (Manuel Föhl)
Film Ab!
Und zwar hier:

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