In der Hörbuch-Geschichte LOCH DORCHA: SEE DER VERDAMMTEN kehrt Zoe nach Jahrzehnten in die schottischen Highlands zurück, um zur Ruhe zu kommen. Doch kurz nach ihrer Ankunft erschüttert eine Mordserie ihr Heimatdorf, sodass an Entspannung nicht zu denken ist. Vielmehr begibt sich Zoe auf eine gefährliche Spurensuche in der Vergangenheit. Das Hörbuch wurde von Yves Hensel geschrieben – seines Zeichens verantwortlich für Serien wie HELGOLAND 513 und DER KÖNIG VON PALMA – und erscheint am 16. Oktober als Audible-Originalhörbuch. Eingesprochen wurde LOCH DORCHA wiederum von Aylin Tezel (TATORT, FALLING INTO PLACE). Im Interview mit der DEADLINE spricht sie über ihre Erfahrungen bei der Arbeit an dem Hörbuch und darüber, wie es aktuell um ihre Regie-Ambitionen bestellt ist.
DEADLINE: Wie kam es zu der Zusammenarbeit bei diesem Hörbuchprojekt?
Aylin Tezel: Das begann ganz klassisch als Anfrage an meine Schauspielagentur. Das Projekt fand ich sehr spannend, da das ja nicht mein Daily Business ist. Als Schauspielerin arbeite ich vor allem vor der Kamera. Deshalb war das für mich schon etwas sehr Besonderes und Neues. Ich habe das Manuskript von LOCH DORCHA: SEE DER VERDAMMTEN gelesen, und es hat mich total bewegt. Ich war noch bei der Hälfte der ersten Seite, da habe ich bereits das Gefühl gehabt, ich würde grade einen Film oder eine Serie gucken. Das Buch ist wahnsinnig filmisch geschrieben. Man ist sofort in dieser Welt drin. Ich konnte mich auch direkt mit der Hauptfigur Zoe emotional verbinden. Es ist sehr sinnlich geschrieben, man ist also oft Teil der Sinneswahrnehmungen der Hauptfigur und wird tief in ihr Unterbewusstsein, und in ihre Gedankenwelt reingezogen. Ich habe meiner Agentur nach dem Lesen sofort gesagt, dass ich es super finde und ich das Projekt gerne machen möchte.
DEADLINE: Wie lange hast du an dem Hörbuch gearbeitet?
Tezel: Das waren mehrere Tage. Es war ja auch nicht nur ein Part, den ich gelesen habe, sondern das gesamte Buch. Das heißt, es gab viele verschiedene Figuren, die ich sprechen musste. Man hat natürlich Zoe als Hauptfigur, die einen in diese Geschichte hineinzieht und der man folgt. Aber dann gibt es noch viele weitere Figuren, die einem schon früh begegnen und denen man dann allen stimmlich einen Platz zuordnet. Das war erst einmal gar nicht so leicht und für mich ein interessanter Vorbereitungsprozess: Welche Hauptcharaktereigenschaften kann ich jeder einzelnen Figur geben? Hat eine Figur vor allem einen warmen Ton, etwas Herzliches in ihrer Art? Oder ist jemand eher kurz angebunden und verschlossen? Das sind spannende Aspekte, wo man noch einmal viel präziser bei einer Figur hinschaut, da man nur auf die Stimme reduziert ist. Das Schöne ist, dass die Stimme ein so ehrliches Ausdrucksmittel ist.
DEADLINE: Wonach hast du entschieden, wie du welche Figur sprichst?
Tezel: Kurz zum Plot des Hörbuchs: Es geht um Zoe, eine junge Frau, die aus Berlin nach Schottland kommt und dort in den schottischen Highlands auf die Suche nach ihren Wurzeln geht. Ihre Mutter ist dort unter mysteriösen Umständen ertrunken, und sie möchte herausfinden, was genau passiert ist. Vor allem, weil sie eigentlich herausfinden möchte, wer sie selbst ist. Sie kommt in dieses Dorf und trifft auf eine Dorfgemeinschaft, die verschwiegen ist, die alles dafür tut, damit Zoe nicht in der Vergangenheit herumstochert. Sie ist aber wie eine Getriebene auf der Suche nach der Wahrheit, und lässt sich nicht abschrecken. Auch nicht dann, als es zu weiteren Todesfällen kommt. Zoe kommt uns zunächst wie eine ganz normale junge Frau vor, somit habe ich sie dann auch erstmal sehr nah an meiner natürlichen Sprechstimme angelegt. Aber je tiefer wir in ihre Geschichte eintauchen, je mehr wir uns auch in ihrer Gedankenwelt wiederfinden, umso dringlicher wird die Frage: Wie real ist Zoes Wahrnehmung? Können wir ihr vertrauen bei dem, was sie empfindet? Auf diese Reise mit ihr zu gehen, auch stimmlich, fand ich wahnsinnig spannend.
DEADLINE: Und bei den anderen Figuren?
Tezel: Das ist natürlich in der Geschichte schon vorgegeben, die Art und Weise, wie jemand redet, wann jemand schweigt. Wann jemand das Wort ergreift. Das sagt ja schon wahnsinnig viel über den Charakter einer Figur aus. Welche Worte jemand wählt. Das sind dann schon gute Hinweise, wie man sich an die Figur annähern kann und wie man diese anlegt. Dann war es so, dass Autor Yves Hensel für mich ansprechbar war, und natürlich gibt es auch die Synchronregisseurin, die auf der anderen Seite des Aufnahmefensters im Studio saß und mich durch die Aufnahmen geleitet hat. Ich hatte also ein kleines Team um mich herum, das aufpasst, dass man stimmlich die richtigen Entscheidungen trifft.
DEADLINE: Sind dir alle Figuren gleich schwergefallen, oder gab es eine oder mehrere Figuren, bei denen du besonders lange überlegt hast, wie du sie anlegen sollst?
Tezel: Bei Zoe ist es mir sehr leichtgefallen. Dann gibt es eine weitere große Hauptfigur namens Cal. Das ist ein junger Mann, der dort in einem Pub arbeitet und später quasi ihr Partner in Crime wird bei der Recherche, was damals passiert sein könnte. Er ist mir auch relativ leichtgefallen. Es gibt aber mehrere Dorfbewohner, mehrere ältere Männer, wo ich es erst gar nicht so leicht fand, diese stimmlich zu differenzieren. Es ist ja auch nicht so wie zum Beispiel bei einem Animationsfilm, bei dem man je nach Figur stimmlich auch mal in Übertreibungen gehen darf. Der Grundton bei uns sollte vielmehr realistisch und natürlich sein. Daher verstellt man nicht so sehr seine Stimme, sondern man konzentriert sich viel mehr auf bestimmte Charakterzüge der Figuren. Ich denke, das hatso weit gut funktioniert.
DEADLINE: Dann darfst du ja vielleicht bald ein weiteres Hörbuch machen.
Tezel: Das wäre toll. Ich habe zu Yves außerdem schon gesagt, dass ich unbedingt Zoe spielen möchte, falls dieses Hörbuch mal verfilmt werden sollte. Ich hoffe, dass er sich das bis dahin merkt. (lacht)
DEADLINE: Was kann ein Hörbuch leisten, was ein gedrucktes Buch nicht leisten kann – abgesehen davon, dass man es hören kann, während man nebenbei noch etwas anderes macht?
Tezel: Wie gesagt, ist die Stimme für mich ein ganz besonderes Ausdrucksmittel. Ich finde, dass die Stimme etwas ganz Ehrliches hat. Selbst wenn man vielleicht mal Worte sagt, die man nicht fühlt oder meint – die Stimme zeigt eigentlich immer, wo die Wahrheit liegt, ein wenig wie ein Lügendetektor. Wenn man sich also nur auf die Stimme reduziert oder eben wie beim Hörbuch nur einer Stimme zuhört, hat das auch etwas wahnsinnig Intimes, in der Art, wie man eine Geschichte rezipiert.

DEADLINE: Hörst du selbst auch Hörbücher, oder greifst du noch lieber zum Taschenbuch?
Tezel: Beides. Ich lese gerne, und höre eher Podcasts als Hörbücher. Aber Hörbücher höre ich auch gerne, wenn ich längere Reisen, längere Autofahrten habe.
DEADLINE: Wenn du ein und denselben Roman sowohl im gedruckten Format als auch als Hörbuch genießen könntest: Für was von beidem würdest du dich entscheiden?
Tezel: Ich würde mich in diesem Moment vermutlich für das Hörbuch entscheiden, weil ich mir gerade vorstelle, dass ich es dann hören könnte, wenn ich spazieren gehe. Es kommt aber auch immer darauf an, ob ich die Stimme der Person mag, die es eingelesen hat.
DEADLINE: Bald bist du ja in APOLLO HAS FALLEN zu sehen. Sind die Dreharbeiten hierzu bereits abgeschlossen, und was kannst du uns über die Figur, die du spielst, schon verraten?
Tezel: Ich darf natürlich noch gar nichts verraten. (lacht) Ich kann nur erzählen, dass wir in Wales gedreht haben, in England und auf Malta. Dass sich die Geschichte zwischen verschiedenen Ländern abspielt. Zu meiner Figur selbst darf ich hingegen wirklich gar nichts sagen. Die Dreharbeiten haben mir jedenfalls großen Spaß gemacht, und ich finde, wir waren ein tolles Ensemble für diese zweite Staffel.
DEADLINE: Hat man während der Dreharbeiten gemerkt, dass man Teil des HAS FALLEN-Universums ist?
Tezel: Sagen wir mal so: Die HAS FALLEN-Reihe ist zwar das Universum, in dem man sich befindet, aber die Figuren sind ja andere als in den Kinofilmen. Und es lief jetzt ja auch schon eine erste Staffel PARIS HAS FALLEN, auf die sich die zweite Staffel bezieht. Meine Figur ist eine neue Figur in der zweiten Staffel. Das heißt, ich habe mir vor allem die erste Staffel angesehen und geguckt, was der Ton und die Geschwindigkeit der Serie sind. Ich finde es ist eine gute Mischung aus Action auf richtig hohem Level, und sehr gutem britischen Humor.
DEADLINE: Ich habe Anfang letzten Jahres endlich dein Langfilmdebüt FALLING INTO PLACE gesehen, welches mir außerordentlich gut gefallen hat. Daher die Frage: Hast du bereits ein neues Regieprojekt in der Mache?
Tezel: Ein neues Drehbuch ist geschrieben. Ich werde das wieder mit denselben deutschen Produzenten, den Weydemann Bros., realisieren. Die Geschichte spielt auch wie der erste Film wieder in verschiedenen Ländern. Wir sind jetzt gerade dabei, unsere Partner zu finden und die Finanzierung zu bauen. Ich habe auf jeden Fall sehr große Lust darauf, diesen nächsten Film zu machen. Daher hoffe ich einfach, dass wir bald die nächsten Schritte gehen können und dass es dann bald ein neues Regie-Baby von mir gibt.
(strahlt vor Freude)
DEADLINE: Ich drücke dir die Daumen! Welche Erfahrungen nimmst du aus deinem ersten Langfilm mit, wo du sagst, dass du das beim nächsten Mal vielleicht anders machen möchtest, oder was ist dir im Gegenteil besonders wichtig?
Tezel: Das, was ich bei meinem ersten Film schon intuitiv sehr genau wusste und jetzt beim zweiten Film wieder als mein Fundament sehe ist: Man muss sich die Leute, mit denen man zusammenarbeitet, sehr genau aussuchen. Denn wenn man ein sehr gutes Team und sehr gute SchauspielerInnen hat, dann kommt da soviel exzellente Energie zusammen, dass ein Drehbuch noch mal deutlich voran gepusht wird. Ein Projekt fängt erst dann an, so richtig groß zu werden, wenn man Menschen um sich herum hat, die ihr Talent und ihre Liebe in so ein Projekt reinstecken. Das heißt, das wird wieder ein Punkt sein, wo ich sehr präzise und mit dem Herzen aussuchen werde. Ansonsten muss ich ganz ehrlich sagen: Man muss immer mit dem umgehen, was die Realität in jedem Moment ist. Das ändert sich ja auch ständig. Man kann die Dinge bis zu einem gewissen Punkt vorbereiten und planen, aber dann gibt es so viele unvorhersehbare Faktoren, die reinspielen und die Situation verändern.
DEADLINE: Nicht nur die sorgsame Auswahl der richtigen Crewmitglieder ist enorm wichtig, sondern natürlich vor allem auch die Wahl, welches Projekt man überhaupt realisieren will. Wo legst du da deinen Fokus? Was ist dir wichtig?
Tezel: Bisher ist das ja eigenes Material, an dem ich als Regisseurin arbeite. Also Drehbücher, die ich selbst schreibe. Da ist es relativ einfach. Ich schreibe etwas, was ich selbst gerne im Kino sehen möchte. Etwas, das mich persönlich interessiert. Beispielsweise die Frage: Was bedeutet es, zu lieben? Und wie werden wir in der Art und Weise, wie wir lieben, wie wir gelernt haben zu lieben, durch unsere Eltern oder sogar noch durch die Generation zuvor, in den Entscheidungen in unserem Leben beeinflusst? Und was bedeutet es überhaupt, ein Mensch zu sein? Das ist das, was mich persönlich interessiert und was ich deshalb gerne mit dem Medium Film erforschen möchte.
DEADLINE: FALLING INTO PLACE lief ja nicht nur in Deutschland, sondern inzwischen auch in der Türkei, in Irland und in Spanien. Hat das Publikum in jedem Land unterschiedlich auf deinen Film reagiert? Oder findet man überall die gleichen Sachen gut oder schlecht?
Tezel: Das Besondere war, dass überall die Reaktionen sehr ähnlich waren, egal ob ich in Sydney, in London oder in Madrid vor dem Publikum stand. Das liegt, glaube ich, daran, dass die Themen, die ich mit dem Film behandele, sehr universell sind. Da ist es dann egal, in welchem Alter man ist oder in welchem Land man aufgewachsen ist. An welche Götter man glaubt. Ein Mensch zu sein, Liebe zu empfinden, Verlust zu erleben. Das sind Themen, die uns Menschen verbinden. Deshalb glaube ich auch, dass eine solche Art von Filmen neben dem ganzen Entertainmentprogramm von Marvel und Co. für ein Publikum wirklich wichtig ist. Denn das sind die Filme, bei denen wir mitfühlen können und wo wir uns miteinander verbunden fühlen in unseren menschlichen Kämpfen, mit uns selbst und unserer Existenz.
DEADLINE: Vielen Dank für deine Zeit!
Interview geführt von Heiko Thiele

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