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Peter Strickland Berberian Sound

BERBERIAN SOUND STUDIO Regisseur Peter Strickland im Interview

Peter Strickland wurde 1973 in England geboren. Seinen ersten Spielfilm, die Low-Budget-Arthouse-Rachetragödie KATALIN VARGA, drehte er völlig eigenständig mithilfe einer kleinen Erbschaft und wurde dafür reich belohnt: Der Film wurde u.a. bei der Berlinale 2009 für einen Goldenen Bären nominiert, und beim Europäischen Filmpreis bekam Strickland die Trophäe als „European Discovery of the Year“. Auch sein zweiter Film, BERBERIAN SOUND STUDIO, eine Komödiendrama-Arthouse-Giallo-Satire/Hommage-Klangstudie, heimste jede Menge Preise ein und begeisterte uns von der DEADLINE so, dass wir ihm in unserer Print-Ausgabe ein dickes Feature widmeten. Hier gibt’s jetzt das Exklusiv-Interview, das uns der bescheidene Regisseur gegeben hat, in voller Länge. Allerdings ließen sich ein paar Spoiler nicht ganz vermeiden. Für Leser, die bei so was vorsichtig sind, gilt daher: Bitte erst ins Kino gehen und dann aber auf jeden Fall das Interview genießen! Denn immerhin erfährt man bei der Lektüre, woher das Sound Studio seinen Namen hat, und darf sich hinterher sogar als erfolgreicher Absolvent eines Crashkurses “Moderne vokale Avantgarde-Musik” fühlen …

 

 

DEADLINE:

Dein erster Film, KATALIN VARGA, gewann 2009 auf der Berlinale einen Silbernen Bären für den Ton, in deinem neuen Film BERBERIAN SOUND STUDIO dreht sich alles um Ton – daher meine erste Frage an jemanden, der so ein gutes Ohr für den Klang eines Streifens hat wie du: Welche fünf Filme muss man unbedingt mal gehört haben? Peter

 

 

Strickland:

Also, meine Top Five bei „Sound“ wären ERASERHEAD, dann THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE, der Experimentalfilm THE FLICKER von Tony Conrad, DER TODESSCHREI für den Soundtrack von Tony Banks, Rupert Hine und Mike Rutherford und als Fünftes der Kurzfilm BELLS OF ATLANTIS für den Soundtrack von Louis und Bebe Barron. Meine Top Five bei „Soundtrack“ wären MORGIANA von Lubos Fiser, SPACE IS THE PLACE von Sun Ra, EIN Z UND ZWEI NULLEN von Michael Nyman, EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES von Bruno Nicolai und VERBANNT von Ennio Morricone.

Peter Strickland Berberian Sound
Peter Strickland stellte seinen Film „Berberian Sound Studio“ in Sitges vor. Foto: SITGES Film Festival

DEADLINE:

Da ja auch der Sound eine extrem wichtige Rolle in BSS spielt, frage ich mich, wie detailliert du ihn im Drehbuch beschrieben hast. Stand da nur so was wie: “Die Leinwand wird dunkel. Man hört irgendwas Seltsames.”? Oder war es ein direkter Querverweis wie: “Die Stelle sollte sich so anhören wie die Stelle in Argentos SUSPIRIA bei Minute 37 1/2.”? Oder hast du konkret beschrieben, wie das Geräusch fabriziert werden soll – “Bitte mit Gänseleber ein Windspiel einreiben” –, oder so was?

 

 

Strickland:

Hier hast du ein Beispiel aus dem Skript – die Szene mit der Hexen- bzw. Mrs. Ladiks Stimmaufnahme, wie sie unmittelbar vor dem Dreh formuliert war. (Dazu zeigte er uns diese Drehbuchstelle, die wir mit freundlicher Genehmigung abdrucken können:) 39. VOICE BOOTH. Mrs. Ladik has accessed the portal into a very different dimension. Her crazed and hideous performance demands her whole body and spirit. In a seizure of wrath, Mrs. Ladik hails the unwelcome spirit of Santini’s rotten imagination. As Mrs. Ladik’s performance of sustained hysteria reaches its peak, other voices beam in, holding a single sustained note of satanic rapture. Mrs. Ladik keys into the same note and raises her arms in defeat. 40. MIXING ROOM. Gilderoy contemplates the spiritual corruption surrounding him. Mrs. Ladik continues to raise her hands amidst the ungodly swelter of noise. The lights suddenly dim to dark. REEL 2 000 – 999 A pause of three seconds after the reel credit. Within that pause, another dubbing actress, Veronica can be heard saying a prayer. VERONICA (Italian, off-screen) Passion of Christ, strengthen me O good Jesus, hear me Within Thy wounds, hide me Barking can be heard from the corridor and Silvia opens the mixing room door, allowing light into the darkness.

 

 

DEADLINE:

Wie authentisch ist denn das alles in BSS – also die Geräusche und wie sie gemacht werden?

 

 

Strickland:

Die Geräusche im Film lassen jeden Realismus weit hinter sich. Da wird noch mal auf einem ganz anderen Niveau von Täuschungsmanövern von einer Arbeitsweise, der Geräuschemacherei, erzählt, die selber ein einziges Täuschungsmanöver ist. Deswegen fühlte es sich irgendwie korrekt an, bei den Geräuschen nicht authentisch zu bleiben: weil die Geräuschemacherei ja selbst nicht authentisch vorgeht. So wurde für BSS Fleisch zermanscht, um das Geräusch von Wassermelonen zu erzeugen, die zermanscht werden, um wiederum das Geräusch von Fleisch, das zermanscht wird, zu erzeugen. Dazu haben wir mit digitalen Methoden gearbeitet, um den Sound von analogen Methoden nachzuahmen; aber manchmal haben wir auch die Maschinen, die man im Film sieht, die Geräusche machen lassen, z.B. den Watkins-Copicat-Apparat.

 

 

DEADLINE:

Und wie Gilderoy arbeitet, wie authentisch ist das?

 

 

Strickland:

Seine Arbeitsbedingungen, die wir uns ausgedacht haben, sind schon sehr speziell, aber im Großen und Ganzen stellen die Methoden, die gezeigt werden, tatsächlich die wesentlichen Methoden dar, mit denen in den 70ern Geräusche produziert wurden. Die Hierarchie war allerdings eine andere, Gilderoy wäre in Wirklichkeit nicht für so viele Sachen verantwortlich gewesen, da am Ton so viele verschiedene Leute beteiligt sind: der Geräuschemacher, der Abmischer, der Dialog-Cutter, der Klangdesigner usw. Auch der Aufbau eines Tonstudios war damals anders. Für BSS haben wir uns aus den besten Sachen ein Fantasiestudio zusammengestellt. Aber manches – z.B. das Tonband, das für einen Loop quer durch den ganzen Raum gespannt ist – ist authentisch. Ich war Fan solcher Künstlerkollektive wie z.B des BBC Radiophonic Workshops (eine Ende der 50er gegründete Abteilung der BBC, die für Radio-Hörspiele Geräusche, Stimmungsmusik und Sound-Atmosphäre herstellen sollte und dabei oft die Grenzen zu experimenteller und elektronischer Musik überschritt und/oder neu definierte; Anm. der Red.) und hörte die Musik von Daphne Oram, Delia Derbyshire u.a. und hatte Aufnahmen gesehen, wie sie ihre Klänge herstellten. Xenakis, Stockhausen, Berio, Nono, Luc Ferrari und viele andere haben mit Tonbändern experimentiert, und es ist eine faszinierende Welt. Wie auch immer, ich habe trotzdem noch Unterstützung gebraucht. Emanuele Carcano vom italienischen Plattenlabel “Alga Marghen” und Peter Howell vom BBC Radiophonic Workshop waren mir eine große Hilfe, so auch Clive Graham vom “Paradigm Discs”-Label, der eine Menge Musik von Leuten veröffentlicht hat, die auch Gilderoys Welt beeinflusst haben: Daphne Oram, Trevor Wishart und Adam Bohman. Clive macht auch selbst Musik und hat für meinen ersten Film KATALIN VARGA in Transsilvanien Hühner und Ziegenglocken aufgenommen und für BSS Gongs.

Berberian Sound

DEADLINE:

Wo habt ihr denn gedreht? Tatsächlich in einem völlig aus der Zeit gefallenen 70er-Jahre-Original-Studio?

 

 

Strickland:

Wir haben in London gefilmt, im Three Mills Studio, und dort ein Studio im Studio gebaut. Das hat uns die Freiheit gegeben, das für uns Beste aus der Tonbandelektronik – die Röhrentechnologie – und das Beste aus den Filmtonstudios – der große, offene Raum – herauszupicken. Die Requisiten zu kriegen war sehr schwer. Wegen der digitalen Revolution ist so viel analoges Equipment in den Privatbesitz von Sammlern übergegangen. Manche Maschinen wurden von Freunden geliehen. Auf der Wunschliste mit dem Zeug, das ideal gewesen wäre, standen die Geräte, die auch Luciano Berio, Luigi Nono und Bruno Maderna in ihrem Studio stehen hatten, doch es war so gut wie unmöglich, die meisten davon zu finden. Aber ihre Namen sind schon Poesie pur: “Heathkit AG 10 oscillator“, „General Radio 1398-A tone burst generator“, „Bruel & Kjaer 1402 white noise generator“, „Elit MOD 201/D amplifier“, „ring modulator“, „dynamic modulator“, „frequency transponder“, „Hewlett-Packard 3591/94 wave analyzer“, „Krohn-Hite 310AB variable filter“.

 

 

DEADLINE:

In BSS gibt es zwischen den Spielszenen viele kurze, sehr stimmungsvolle Zwischensequenzen, z.B. die extremen Nahaufnahmen und die Blacks. Sind die erst beim Schnitt so in den Film reingerutscht, weil euch auffiel, dass das Material zu schön war, um es nicht zu benutzen? Und saßest du denn überhaupt mit im Schneideraum?

 

 

Strickland:

Ich war die kompletten drei Monate beim Schnitt mit dabei, nur an fünf Tagen habe ich mir freigenommen. Viele dieser Zwischensequenzen standen schon im Drehbuch, andere aber wurden beim Schneiden improvisiert. Ganz am Anfang habe ich das Skript in fünf verschiedene Kapitel eingeteilt, sodass jedes Kapitel mit einem Black anfangen und enden würde. Beim Schneiden merkten wir, dass etwas so streng Formales die Zuschauer vielleicht zu sehr aus dem Film aussteigen ließe. Chris (gemeint ist Chris Dickens, Oscar-Preisträger für SLUMDOG MILLIONÄR; Anm. der Red.) wollte daher versuchen, diese Kapitelübergänge wegzulassen; für mich war es zu schmerzhaft, dabei zuzusehen, deswegen habe ich ihn gebeten, das während meiner Abwesenheit zu machen, und wenn es mir bei meiner Rückkehr gefallen würde, würden wir’s so nehmen. Glücklicherweise gefiel’s mir. Chris war großartig und hat maßgeblich dazu beigetragen, dem Film seine Form zu geben. Man hat eine sehr intime Beziehung zu seinem Cutter, wahrscheinlich die intimste beim Film überhaupt, weil man zu zweit, mit niemand sonst, monatelang in einem Zimmer verbringt. Wenn diese Arbeitsbeziehung aber zu einem Erfolg führt, dann ist es Magie.

 

 

DEADLINE:

Wie hast du eigentlich das Konzept für den Film entwickelt? Welche Idee stand denn am Anfang?

 

 

Strickland:

Es gab viele Einzelideen, die zu dem Film geführt haben – erstens die Idee, eine Geschichte in einer Geschichte zu erzählen, indem man nur Geräusche benutzt. Dann ging es auch darum, Sound sichtbar zu machen. Die Geräuschemacherei ist ein Prozess, der auch visuell so viel hergibt! Gerade das analoge Produzieren von Geräuschen ist auch so physisch: Bandschleifen durchs Studio legen, Tonbänder schneiden oder zurückspulen, an Oszillatoren-Knöpfen rumfummeln etc. Sogar der Papierkram für eine Tonabmischung ist dermaßen visuell faszinierend – die Listen, die Notenblätter und die Synchronisationstabellen, die als weiteres Hilfsmittel für eine Meta(-akustische)-Erzählung dienen. Aber vielleicht lieferte die Avantgarde-Musik die entscheidende Idee zum Film. Als ich zum ersten Mal “Visage” von Berio und Berberian hörte, dachte ich, das Stück könnte aus einem Horrorfilm stammen. Und ich dachte, dass, wenn es in einem Horrofilm vorkäme, die Leute aufmerksam zuhören würden und es ihnen vielleicht sogar gefallen würde; aber wenn man es ihnen hingegen als reine Avantgarde-Musikaufnahme vorspielen würde, würden die meisten ihre Ohren davor verschließen! Wie auch immer – es ist verständlich, dass man in Horrorfilmen die Avantgarde-Musik von Penderecki oder der GRUPPO DI IMPROVVISAZIONE NUOVA CONSONANZA wiederfindet, und Morricones Einsatz von Free Jazz, Dissonanzen und Musique Concrète ist bei so vielen Horrorfilmen, für die er komponiert hat, unglaublich wirksam. Das ist das perfekte Genre für avantgardistische Ideen und Atonalität. Deswegen war es unser Ansatz, Leute aus diesem musikalischen Umfeld ins Studio zu holen, besonders Leute aus der Tradition der auf Gesang spezialisierten Avantgarde, wie sie von Künstlern wie Cathy Berberian und Demetrio Stratos vertreten wird. Wir ließen sie keine Änderung an der Art ihrer Darbietung vornehmen, wir änderten nur den Kontext ihrer Darbietung von Avantgarde zu Horror. Beim Geräuschemachen für einen Film passiert das Gleiche – man ändert den Kontext eines Kohls, der aufgeschnitten wird, und verwandelt das Küchengeräusch in das Geräusch eines menschlichen Körpers, in den ein Messer eindringt. Dieser Assoziationswechsel kann den Verstand an sich selber zweifeln lassen, was mir gefällt.

 

 

DEADLINE:

Mit Cathy Berberian hast du gerade eine Künstlerin genannt, deren Nachname auch im Titel deines Films auftaucht. War sie Namensgeberin?

 

 

Strickland:

Ja. Auch der Film bezieht sich ein paar Mal auch sehr frei sowohl auf das Vokalstück „Visage“, das sie mit Luciano Berio aufnahm, als auch auf Berios Studio.

 

DEADLINE:

Reden wir mal über das Ende des Films: Warum hast du dich für das surreale Ende entschieden, statt die Geschichte “normal” fertig zu erzählen?

 

 

Strickland:

Das Ende musste so sein, wie es sein musste. Schwer zu sagen, warum. Ich wollte den Film ein bisschen so anlegen wie ein Bild von Escher oder wie einen Avantgarde-Soundtrack mit Wiederholungen, Umkehrungen und absurder Collage-Technik. Es machte einen gewissen Sinn, dass Gilderoy in die Kinoleinwand hineinverschwand, und das Ende spielt mit einer Vorstellung von einer Leinwand als Oberfläche von etwas anderem oder als Tür.

Berberian Sound

DEADLINE:

Ich frage jetzt mal absichtlich nicht nach, wohin die Tür führt – da soll sich jeder Zuschauer selber etwas vorstellen. Aber trotz des Wechsels ins Surreale – geht es dir in deinem Film konkret um etwas?

 

 

Strickland:

BSS ist ein Ideen-Drama, mehr ein Film, der den Fragen nachgeht, was ein Geräusch eigentlich zu einem Geräusch macht und wie wir als Filmemacher und Zuschauer Gewalt konsumieren bzw. uns im wahrsten Sinne des Wortes eine Vorstellung davon machen. Wobei der Film auch eine unterhaltsame Darstellung von typischen Situationen am Arbeitsplatz sein soll. Aber das Ende polarisiert die Zuschauer. Einer hat mich dafür sogar mal aus dem Kino gejagt.

 

 

DEADLINE:

Nein, nicht wirklich?!

 

 

Strickland:

Doch. Das Ende spaltet die Leute. Aber was wichtig ist, ist, dass es für mich funktioniert. Ich weiß, das klingt vielleicht egoistisch, aber das ist die einzige Art und Weise für mich, auf die ich einen Film machen kann. Ich kann nicht filmen, was das Publikum will, weil ich keine Ahnung habe, was das Publikum will. Das zeigt auf eine gewisse Weise mehr Respekt vor dem Publikum, wenn man eingesteht, dass man keine Ahnung hat, was es von einem Film will. Das ist ja das Schöne am Filmemachen, flößt einem aber auch Angst ein – es ist unmöglich, schon vorher zu wissen, wie das Publikum reagieren wird.

 

 

DEADLINE:

Du bist ja ein Autodiadkt, was das Filmemachen angeht, und hast deinen Erstling KATALIN VARGA als kompletter Außenseiter des Filmbusiness’ gedreht. Wie schwierig war es denn – nachdem KATALIN VARGA bei der Berlinale 2009 so ein Erfolg war –, das BSS-Projekt auf die Beine zu stellen?

 

 

Strickland:

Das Geld für den Film zusammenzubekommen war einfach. Es hat zwei Jahre gedauert, was für mich erstaunlich ist. Manche Filmemacher beschweren sich, wenn die Finanzierungsfrage sie sechs Monate kostet, aber für mich sind zwei Jahre schnell. Für andere Projekte habe ich von 1992 bis 2008 versucht, das Geld zu kriegen, und nichts hat geklappt. Deswegen war ich bei BSS angenehm überrascht. Natürlich gab es ein paar ablehnende Bescheide, aber sogar Ablehnung fühlte sich besser an als ignoriert zu werden, was früher stets der Fall war. Bei der Berlinale zu laufen hat sicher geholfen, ein paar Türen zu öffnen, keine Frage.

Berberian Sound

DEADLINE:

Und wie kam der deutsche Filmemacher und LINDENSTRASSE-Mastermind Hans W. Geissendörfer als Produzent ins Spiel?

 

 

Strickland:

Hans wurde durch Keith (gemeint ist der seit Ende der 70er tätige britische Produzent Keith Griffiths; Anm. der Red.) involviert. Sie kennen sich seit Jahren und haben bei UNCLE BOONMEE ERINNERT SICH AN SEINE FRÜHEREN LEBEN von Apichatpong Weerasethakul zusammengearbeitet. Glücklicherweise hat Hans mein Drehbuch gefallen, und er ist mit eingestiegen. Es war ein großes Risiko, weil BSS kein auf kommerziellen Erfolg hin ausgerichteter Film ist, aber es ist nicht das erste Mal, dass er das getan hat. Er hat schon früher Filme von Ben Hopkins (Regisseur von DIE NEUN LEBEN DES TOMAS KATZ; Anm. der Red.) und Weerasethakul produziert.

 

 

DEADLINE:

Wie sind die altgedienten Recken denn mit dir Neuling umgegangen?

 

 

Strickland:

Keith und Hans hatten beide oft ihre eigene Meinung, und manchen ihrer Ideen stimmte ich zu und manchen nicht. Aber beide gestatteten es anstandslos, dass der Film die Gestalt annahm, die er meinem Gefühl nach haben musste – und nicht so sehr meinem Wollen nach. Ein großer Unterschied!

 

 

DEADLINE:

Und wie einfach war es, von einer kleinen Independent- auf eine Studio-Produktion mit richtigem Budget umzusteigen? Hat man da das Gefühl, im Lotto gewonnen zu haben, oder überwiegt Nervosität?

 

 

Strickland:

Das Drehen der beiden Filme hätte unterschiedlicher nicht sein können. Bei KATALIN VARGA bestand die Crew aus elf Leuten, den Caterer schon mit eingerechnet. Bei BSS habe ich irgendwann den Überblick verloren, wie viele Crew-Mitglieder mitgearbeitet haben. Vor- und Nachteile gibt’s bei beiden Arten, einen Film so zu drehen. Bei BSS war eine Menge Verantwortung mit dabei. Manchmal konnte es ziemlich beängstigend sein, und, um ehrlich zu sein, ich wusste manchmal gar nicht, wofür die Berufsbezeichnungen der Leute standen. Aber es wird einem klar, jeder am Set ist da, um bei der Fertigstellung des Films zu helfen, und so – nach dem Schock, diese vielen Menschen zu sehen, und dem Versuch, sich ihre Namen zu merken – ist auf einmal alles in Ordnung. Außerdem hatte ich das Glück, bei beiden Filmen eine großartige Regieassistenz zu haben.

 

 

DEADLINE:

Wie stehst du denn generell zu den italienischen 70er-Jahre-Genrestreifen? BSS dekonstruiert ja einerseits das Genre, ist aber andererseits auch eine Hommage.

 

 

Strickland:

Ich bin Fan sowohl von Giallo als auch italienischem Horror. Zugegeben, manche dieser Filme sind einfach nur schlimm, aber die guten sind wirklich was ganz Besonderes. Ihre Atmosphäre ist einzigartig, und sie haben eine Poesie, die die Filme auf ein höheres Level, über das Genre hinaus, hebt. Für mich waren die Soundtracks von Ennio Morricone, Bruno Nicolai, Stelvio Cipriani, Claudio Gizzi, Goblin, Libra, Nicola Piovani, Riz Ortolani, Fabio Frizzi and Bruno Maderna ein ganz wichtiger Teil dieser Filme. Die Melodien und Arrangements konnten dermaßen schön und dermaßen eigenartig sein. Es war, was Kreativität betrifft, eine wundervolle Periode. Und die Filme hatten auch großartige Titel: “Dein Laster ist wie ein verschlossenes Zimmer, und nur ich habe den Schlüssel”, “Der Tod legte ein Ei” (dt. Titel: DIE FALLE, siehe auch unsere Rubrik MAGIA GIALLA in der DEADLINE-Ausgabe 39; Anm. der Red.), “Die Echse in der Haut einer Frau” …

Berberian Sound

DEADLINE:

Im Abspann von BSS war Suzy Kendall, die in den 70ern ja auch in ein paar Gialli mitgespielt hat, als “special guest screamer” gelistet. Wie kam es denn dazu?

 

 

Strickland:

Ich habe Suzy Kendall über einen gemeinsamen Freund kontaktiert. Ich habe ihr in einem Brief das Projekt geschildert, und ganz würdevoll hat sie meine Einladung angenommen, für den Film zu schreien.

 

 

DEADLINE:

Und wie steht es mit den Regisseuren des Giallos – hat einer mal BSS gesehen und sich bei dir gemeldet? Als du den Streifen letztes Jahr in Sitges auf dem Festival für fantastischen Film vorgestellt hast, hat dort ja auch Giallo Dario Argento seinen DRACULA vorgestellt. Seid ihr euch da zufällig begegnet?

 

 

Strickland:

Nein, ich habe Argento nie getroffen. Ich habe ihn nur mal in einem Hotel ein Omelette zum Frühstück essen sehen. Ich war zu schüchtern, um ihn auf meinen Film anzusprechen, und wollte ihm auch keine Verdauungsprobleme bescheren. Einmal habe ich durch einen gemeinsamen Bekannten Lamberto Bava kennengelernt, aber ich kann mich ehrlich nicht dran erinnern, ob er BSS gesehen hatte und/oder ob ihm der Film gefallen hatte oder nicht – ich war zu sehr in Ehrfurcht erstarrt, als dass ich mir viel hätte merken können!

 

DEADLINE:

Peter, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

 

 

Interview geführt von Florian Hoffmann