Das nunmehr dritte Obscura Filmfest Berlin fand dieses Mal ganze fünf Tage statt, vom 25. bis 29.10.2017. Es wurden insgesamt 24 Langfilme und 50 Kurzfilme gezeigt. Da das Festival in den Filmrauschpalast Moabit umgezogen war, konnten die Filme auf einer wesentlich größeren, gebogenen Leinwand präsentiert werden.
Das noch relativ kleine Festival bot wie immer eine familiäre Atmosphäre. So konnte man sich in den Pausen mit den Besuchern, Veranstaltern und Stargästen unterhalten, literweise (gesponserten!) Met süffeln oder in den ausgelegten Magazinen stöbern. Auch gab es einige Geschenke, die an die Besucher verteilt wurden, zum Beispiel Deadlines, T-Shirts, Poster und Filme auf DVD und Blu-ray. Das ganze Drumherum stimmte also, doch kommen wir zum wichtigsten Aspekt eines Filmfestivals: den Filmen.
Getreu dem Motto Obscura wurde eine breite Auswahl an abseitigen Filmen weit ab des Mainstreams gezeigt. Von Horror über Action, Thriller und Science-Fiction bis hin zu Komödien konnte man allerlei neue Filme bestaunen, die man sonst nie im Kino gesehen hätte und die teilweise nie auf DVD oder Blu-ray veröffentlicht werden. Besonders toll ist dabei auch die Internationalität der gezeigten Werke. Während man im Horrormainstream ja doch meist nur US-Produktionen vorgesetzt bekommt, konnte man hier Filme aus zum Beispiel UK, Deutschland, Italien, Indien, Argentinien, Australien, Japan, Südkorea und sogar Kroatien bewundern.
Neben den Langfilmen konnten auch die Kurzfilme, die in thematisch sortierten Blöcken gezeigt wurden, begeistern. Alle Filme waren wie schon bei den vorherigen Obscuras sorgfältig ausgewählt, es gab im Prinzip nur Highlights, wobei das natürlich Geschmackssache ist. Aber eines hatten alle Filme gemeinsam: Sie waren blutig ohne Ende. Bis hin zu Atroz, bei dem sogar ein paar Gäste aus dem Kino gegangen sind, konnte sich sicherlich niemand beschweren, dass die gezeigten Filme zu harmlos waren.
Ergänzt wurde das Angebot noch durch LARP-Filme, zu denen Freunde von Live-Rollenspielen sogar in Kostümierung angereist waren.
Einige Stargäste hatte das Festival auch wieder vorzuweisen. So war zum Jury-Gewinner-Film What the Waters Left Behind der Darsteller Agus Pardella extra aus Argentinien angereist, um seinen Film zu präsentieren; Familie Hofmann kam inklusive Kinder, um ihren Kurzfilm Die Kinder, der Kaffee und der wirkliche Schrecken zu zeigen; Chrzu Lindström aus Finnland präsentierte seine Filme The Contract und The Consequence, und David Cave aus England sowie Dave Lojek waren bei ihren Kurzfilmen Girl and a Scar und Arachne anwesend, der englische Film war dabei sogar eine Weltpremiere.
Vom Publikum konnte zu jedem Film eine Bewertung abgegeben werden, und so wurde in der Kategorie Bester Langfilm Inner Demon und als Bester Kurzfilm Total Awesome Viking Power zum Gewinner des Publikumspreises gewählt.
Alles in allem war auch die 3. Ausgabe des Obscura ein rundum gelungenes Festival für Freunde des härteren Films. Auf das nächste kann man sich nur freuen!
Nachfolgend findet ihr ein paar Kurzreviews zu ausgewählten Filmen:
SAPPHIRE (Japan 2017)
Action nicht vom, sondern wie am Fließband, hauptsächlich Schießereien, aber auch Schwertkämpfe, bietet der japanische SAPPHIRE. Eine Story um Titelheldin Sapphire, die als Kind entführt und zur Killerin ausgebildet wurde, gibt es auch, allerdings ist diese nur schmückendes Beiwerk. Denn der Film hat eine ähnlich hohe Action-Dichte wie The Raid, nur dass er wesentlich billiger gemacht ist. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch, denn durch die sympathischen Hauptdarstellerinnen sowie Action nonstop und ein bisschen Humor kommt unter Garantie keine Langeweile auf!
COLLISION (Südkorea 2016)
Aus Südkorea ist man ja hochwertige Filme gewohnt, da reiht sich dieser sehr gut ein. Die Mischung aus Slasher und Thriller mit wendungsreicher Story und tollen Schauspielern konnte einigermaßen überzeugen. Ein paar Gangster verstecken sich in einer Hütte, die außerdem noch von ein paar Jugendlichen und zwei Killern besucht wird. Es bleibt bis zum Ende spannend und blutig, allerdings fehlt dem Film das gewisse Etwas. Collision wird sicher kein neuer Klassiker, sehenswert ist er aber allemal.
INNER DEMON (Australien 2014)
Der Gewinner des Publikumspreises ist ein australischer Film und wurde von Ursula Dabrowsky inszeniert. Es gelingt ihr vortrefflich, einer Geschichte um zwei entführte Mädchen und ein Killerpaar im australischen Hinterland noch eine übersinnliche Ebene hinzuzufügen. Dabei hat der Film ein hohes Tempo, sehr viel Spannung, überzeugende Darsteller und erinnert ein wenig an High Tension. Verdienter Sieger!
IZNIMNA OPASNOST (Kroatien 2017)
Ein Actionfilm aus Kroatien, dazu völlig überdreht im Stil der EXPENDABLES. Nur äußerst billig gemacht. (Laut Aussagen des Regisseurs hat der ganze Spaß umgerechnet nur 350 Euro gekostet!) Das sieht man dem Film äußerlich auch an, es ist sozusagen ein Wald-und-Wiesen-Actionfilm. Die inneren Werte stimmen aber: Die Story um eine Spezialeinheit, die die entführten Präsidententöchter befreien soll, geht gut als Parodie durch und kann mit einigen verrückten Einfällen punkten. Die Charaktere sind herrlich durchgeknallt, die Darsteller sind gut aufgelegt und machen ihre Sache ordentlich, die Action ist durchschlagend inszeniert, und Humor und Splatter kommen auch nicht zu kurz. Sehr schön!
WHAT THE WATERS LEFT BEHIND (Argentinien 2017)
Der Gewinner des Jury-Preises als bester Film zeigt eine Art Backwoods-Story in Argentinien. Ein Filmteam ist im Begriff, eine Dokumentation über das Dorf Epecuén zu drehen, das 1985 bei einer schlimmen Flutkatatstrophe vollkommen überschwemmt wurde. Die wenigen Bewohner der Gegend entstammen benachbarten Dörfern der Ruinenstadt, sind nicht gut auf die Eindringlinge zu sprechen und bringen sie einen nach dem anderen ums Eck. Am Film können insbesondere das tolle Sounddesign und die visuelle Gestaltung überzeugen, die durchaus Erinnerungen an Texas Chainsaw Masscre wach werden lassen. Spannend und blutig ist der Film außerdem, die Darsteller wissen zu gefallen, und die Story, die man eigentlich so aus 1.000 anderen Backwoods-Filmen kennt, wird noch durch ein wenig Gesellschaftskritik angereichert. Toll!
KODOKU – MEATBALL MACHINE (Japan 2017)
Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung des berühmten japanischen Horror-/Science-Fiction-Klassikers MEATBALL MACHINE. Den Regieposten übernahm Yoshihiro Nishimura, der bereits die Effekte von Meatball Machine gemacht hat und außerdem für seinen TOKYO GORE POLICE bekannt sein sollte. Demzufolge bekommen wir hier ein wunderbar überdrehtes und megablutiges Funsplatter-Spektakel um die Ohren gepfeffert. Nachdem sich der Film ungewöhnlich lange 30 Minuten Zeit nimmt, um die Charaktere vorzustellen, geht die Story um Außerirdische, die Menschen zu Kampfrobotern umbauen, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen, erst so richtig los. Von jetzt an gibt es kaum eine ruhige Minute, keine Szene, in der nicht Unmengen von Kunstblut (insgesamt wurden 4.000 Liter verwendet!) und skurrile Einfälle über die Leinwand flimmern.
Leider ist der Film nicht so ernsthaft wie der Vorgänger, dafür bekommt man hier das größte Japan-Funsplatter-Spektakel der letzten Jahre geboten!
BLOOD HUNT (Australien 2017)
Mit BLOOD HUNT bekommen wir zunächst einen Backwoods-Film nach Rezept vorgesetzt: Ein Pärchen macht einen Ausflug, verfährt sich, an der Tankstelle treffen sie zwielichtige Einheimische, dann haben sie natürlich eine Autopanne und werden von den Hinterwäldlern entführt. Das ist alles sehr gut umgesetzt, aber eben auch altbekannt. Gegen Ende kann der Film dann das Ruder allerdings ein wenig herumreißen, wenn sich die Story nämlich in einen Rape-and-Revenge-Thriller verwandelt. Sehr gut, wenn auch nicht weltbewegend.
ESCAPE FROM CANNIBAL FARM (Großbritannien 2017)
Ein weiterer Backwoods-Film: Diesmal trifft es eine Familie, die einen lustigen Campingausflug machen will, dabei aber von Hinterwäldlern entführt und auf einer Farm gefangen gehalten wird. Dass es sich dabei um eine Kannibalenfarm handelt, von der sie zu fliehen versuchen, kann man schon am Titel erkennen. Der Film kann dann allerdings doch noch mit ein paar Wendungen überraschen und mit guten Darstellern, einer sehr düsteren und brutalen Inszenierung sowie mit bitterbösem schwarzen Humor punkten.
(Thomas Wegricht)