BLINK TWICE eröffnet mit einer verschwommenen Nahaufnahme einer exotischen Echse, die allmählich in den Fokus rückt. Der unheimliche Sound und das faszinierend düstere Bild setzen den Ton für den gesamten Film. Diese visuell und atmosphärisch starke Eröffnung gibt einen Vorgeschmack auf den ersten Spielfilm von Zoë Kravitz (Tochter von Lenny und Lisa Bonet), die nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch gemeinsam mit E.T. Feigenbaum schrieb.
Im Zentrum der Handlung steht Frida (Naomie Ackie), eine naive, aber entschlossene Kellnerin, die bei einer Spendengala die Aufmerksamkeit des charismatischen Tech-Milliardärs Slater King (Channing Tatum) auf sich zieht. Zusammen mit ihrer Freundin Jess (Alia Shawkat) wird sie auf Kings luxuriöse Privatinsel eingeladen. Dort erwartet die beiden Frauen ein unaufhörlicher Partyrausch, umgeben von anderen ausgewählten Gästen, die größtenteils für King arbeiten. Vor der malerischen Kulisse eines tropischen Paradieses fließen die Drinks unaufhörlich, psychoaktive Drogen werden großzügig verteilt, exquisite Abendessen serviert, und die Unterbringung erinnert an ein ultimatives Traumresort.
Slater King ist ein Meister des Charmes (und Channing Tatum liefert eine ebenso meisterhafte Performance), obwohl er aufgrund eines nicht näher beschriebenen Fehlverhaltens in Schwierigkeiten steckt und sich in Therapie befindet. Die Atmosphäre der elitären Party strahlt eine ungehemmte Freiheit aus, die in hedonistischer Ekstase ausgelebt wird. Doch wie bei solchen Exzessen üblich, hat diese Freiheit ihren Preis. Die Frage ist, wie hoch dieser Preis sein wird.
BLINK TWICE verankert sich trotz seiner vielschichtigen Untertöne fest in den realen Bedrohungen sexueller Gewalt. Der Film erinnert unweigerlich an die Verbrechen von Sexualstraftätern wie Jeffrey Epstein und Bill Cosby. Mancher Zuschauer mag sogar unwillkürlich an aktuelle Skandale denken. Schon bald häufen sich Hinweise darauf, dass auf der Insel etwas Unheimliches vor sich geht. Frida verschüttet Wein auf ihr Kleid – und plötzlich ist der Fleck verschwunden. Immer wieder findet sie Schmutz unter ihren Fingernägeln. Und was hat es mit dem mysteriösen Dienstmädchen auf sich, das ständig „Red Rabbit“ schreit und giftige gelbe Schlangen jagt? Die Geheimnisse der Insel offenbaren sich erst, als Jess spurlos verschwindet und sich niemand mehr an sie erinnert. Frida beginnt, hinter die schaurigen Kulissen zu blicken – und was sie entdeckt, ist erschreckender, als sie es sich je hätte vorstellen können. Es geht ums Vergessen, nicht ums Vergeben.
Zoë Kravitz nutzt kraftvolle Bilder und lässt die Kamera oft lange auf ihren Hauptfiguren verweilen, was eine besondere Intimität zwischen Darstellern und Zuschauern schafft. BLINK TWICE lässt das Publikum ständig rätseln, ob etwas Großes bevorsteht oder ob alles nur Schall und Rauch ist. Das Ergebnis liegt irgendwo dazwischen, wobei der Subplot um das Schlangengift etwas konstruiert wirkt. Apropos: Im Film ist von hochgiftigen Lanzenottern die Rede, aber gezeigt werden ausschließlich ungiftige Albino-Pythons – ein Fauxpas, der jedem Hobby-Herpetologen auffallen wird. Alle anderen mögen diesen Fehler übersehen, zumal die Echse aus der Anfangsszene am Ende des Films wieder auftaucht und den Kreis der skurrilen Ereignisse schließt.
Eine besondere Freude ist das Wiedersehen mit Altstars der 80er und 90er Jahre wie Christian Slater und Geena Davis. Auch Haley Joel Osment ist zu sehen, doch es gelingt ihm seit seinen Tagen in THE SIXTH SENSE nicht, das Publikum wirklich für sich einzunehmen. Was bleibt, ist ein bitterböser Thriller, ein feministischer Albtraum nach #MeToo, der ein heikles Thema mit scharfem Humor angeht. Dieser Film wird nicht jedem gefallen, aber er wird definitiv polarisieren. (Rainer Bachmann)
BLINK TWICE ist ein ungewöhnlicher Film, der sicher für Gesprächsstoff sorgen wird!