Spät, aber dennoch, haben wir für euch diese interessante Rückschau von Sarah nachbereitet.
Vom 22. bis zum 26. April ging es wieder rund im kleinen, beschaulichen Schweizer Städtchen Brugg. Dann nämlich fand die mittlerweile fünfte Ausgabe des BRUGGGORE Filmfestivals statt. Das bedeutete, dass das Blut wieder in Strömen auf den Leinwänden der beiden Kinos Odeon und Cinema Excelsior floss. Die «Maniacs» ließen sich deshalb nicht zweimal bitten und zogen sich während dieser Tage – teilweise bis in die frühen Morgenstunden – alles an «Fantastic Horror and Beyond» rein.

Fünf Jahre BRUGGGORE Filmfestival – das war ein Grund zum Feiern. Hat sich der kleine, aber feine Anlass im Herzen des Kantons Aargau doch in nur fünf Jahren zum neuen Mekka für Horrornerds aus dem In- und nahen Ausland gemausert, denn diese pilgern seit 2021 jährlich treu zum einzigen Gore-Filmfestival in der Schweiz (und gleichzeitig dem einzigen fantastischen Filmfestival in der Deutschschweiz!). In dieser Zeit konnte die Zuschauer*innenzahl verdreifacht werden, die Kinoanzahl verdoppelt, und auch Festivalzeit ist nun länger. Die fünfte Festivalausgabe dauerte deshalb neu fünf statt bisher vier Tage und zeigte rund 53 internationale Spielfilme, davon 28 als Schweizer und einer als Europapremiere.

Darunter waren auch die fünf Wettbewerbsfilme, aus denen das Publikum seinen Favoriten bestimmen konnte. Diesem wurde am Schluss des Festivals der «Eye of the Beholder»-Award mit 5.000 Franken Preisgeld überreicht. Insgesamt besuchten rund 700 Goreheads mehr das diesjährige Festival – somit ist die Ausgabe 2025 mit rund 3.900 verkauften Tickets das bisher erfolgreichste BRUGGGORE-Festival. Ungefähr 30 «Überlebende» machten auch noch den letzten Festivaltag mit, der nach 19 Stunden Filmmarathon mit einer langen Abschlussnacht bei einem offerierten Frühstück gemeinsam beendet wurde.
Klassiker und Prog-Rock

Neben den Neuheiten lockte auch eine umfangreiche Retrospektive von Genreklassikern und wiederentdecktem Obskurem die Horrorfilm-Aficionados in die beiden Brugger Kinos. Genauso wie ein Fokusprogramm, das sich in diesem Jahr dem Öko-Horror widmete und damit thematisch am Puls der Zeit war angesichts realer dramatischer Klimaveränderungen. Was passiert, wenn die Natur zurückschlägt, zeigte das Season Special «Nature’s Tipping Point» mit einer Auswahl von fünf passenden Filmen, darunter der österreichische BLUTGLETSCHER von 2013, Gordon Douglas’ THEM! von 1954 oder auch der australische Tierhorrorklassiker LONG WEEKEND von 1978.
Und auch für die Ohren gab es was zu erleben. Nachdem im letzten Jahr niemand Geringeres als Dario Argentos Hausband GOBLIN eine exklusive (und legendäre) Schweizer Show im Rahmen des Festivals gab, trat am 24. April die Schweizer Prog-Rock-Band OZ GOREGULU live im Kino Odeon auf. Geboten wurden experimentierfreudige Neuinterpretationen von bekannten Horrorfilm-Soundtrack-Klassikern. Unterstützt wurde die Performance durch live erzeugte Film- und Bildeinspielungen vom Schweizer Videokünstler Martin Riesen. Dafür gab es vom Publikum stehenden Applaus.
DEUS IRAE gewinnt den Publikumspreis

Zum ersten Mal in der Festivalgeschichte konnte in diesem Jahr der Publikumspreis vom Gewinner persönlich in Empfang genommen werden. Dieser ging während der Awardshow am letzten Festivalabend an den argentinischen Beitrag DEUS IRAE (Rezension siehe unten) und seinen Regisseur Pedro Cristiani, dessen Q&As zuvor schon von den Besucher*innen sehr geschätzt wurden. Der Festival-Award und das Preisgeld von 5.000 Schweizer Franken gehen jeweils vollständig an den Regisseur oder die Regisseurin. Der zum ersten Mal verliehene Kurzfilmpreis ging an die Schweizer Produktion SYNCOPE (2023) von Regisseur Linus von Stumberg. Der neu geschaffene Kurzfilmblock hat sich großer Beliebtheit erfreut und soll in den kommenden Jahren weitergeführt werden.

Die Kurve zeigt steil nach oben
Für die kommenden Jahre hat sich das engagierte Team vorgenommen, die fruchtbare Horror-Saat des BRUGGGORE weiter sprießen zu lassen. Aktuell prüft das Festivalkomitee, ob zu den Cinemas Odeon und Excelsior noch weitere Spielstätten kommen. «Die Begeisterungsfähigkeit unserer Maniacs ist unglaublich motivierend. Von Dienstagmorgen bis Sonntagfrüh war die Stimmung großartig. Mit jedem Jahr wächst die Fangemeinde, und es wird immer deutlicher, dass es in der Deutschschweiz einen Event für fantastisches Kino braucht. Wir wollen unser Angebot fortlaufend ausbauen, um alle Facetten von Horrorfilmen und den artverwandten Genres abdecken zu können», so der Festivalleiter Michel Frutig. Da freuen wir uns drauf!

Und hier eine kleine BRUGGGORE-Auslese der Ausgabe 2025:
ABOVE THE KNEE

Amir (Freddy Singh) leidet unter einer Körperintegritätsidentitätsstörung (kurz BIID). Bei dieser psychischen Erkrankung haben Betroffene das Gefühl, dass bestimmte Gliedmaßen nicht zu ihnen gehören. Deshalb können sie einen intensiven Wunsch verspüren, diese Körperteile zu entfernen. Genau das ist bei Amir der Fall – er ist vom festen Wunsch beseelt, sich sein eigenes Bein abzuschneiden, und fantasiert darüber auf Bildern, die er malt und in einem Geheimzimmer versteckt. Seine langjährige Freundin Kim ahnt nichts von Amirs Plänen. Derweil lernt dieser Rikke kennen, die gerne blind sein möchte. Von ihr erhofft er sich von Tipps, wie er seine Amputationspläne in die Tat umsetzen kann. Wo Viljar Bøe draufsteht, sind seltsame menschliche Bedürfnisse in häuslicher Kulisse nicht weit. Der norwegische Regisseur hat sich schon in seinem Debütspielfilm GOOD BOY (2022) dieser Prämisse verschrieben, in dem er über einen Mann mit Hundefetisch erzählt. Jetzt doppelt er mit dieser Charakterstudie über einen Kerl mit einem ganz anderen Problem nach. ABOVE THE KNEE hat den schwarzhumorigen Thriller-Sinn behalten, fühlt aber gleichzeitig mehr mit der eigentlich recht tragischen Hauptfigur mit. Das ist gut gespielt, und die praktischen Effekte sind einmal mehr effektiv eingesetzt.
OPERATION UNDEAD

Im Jahr 1941 muss sich eine Gruppe junger thailändischer Soldaten in der Chumphon-Provinz mit der einmarschierenden japanischen Armee auseinandersetzen. Doch das ist nicht ihr einziges Problem: Die Japaner haben auch ein geheimes Militärexperiment im Gepäck, das schnell außer Kontrolle gerät und die Thai-Soldaten in Zombies verwandelt. Zwei Brüder müssen sich daraufhin entscheiden, auf welcher Seite sie stehen – auf der der Lebenden oder der der Toten. Basierend auf der tatsächlichen Invasion der Japaner in Thailand, um dieses dazu zu bringen, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten, hat Regisseur Kome Kongkiat Komesiri eine spannende Mischung zwischen Kriegs- und Zombiefilm entworfen. Das ist zwar an sich nichts Neues – siehe OPERATION: OVERLORD –, doch bei Komesiri zeigt sich der Einfluss von Apichatpong Weerasethakul, für den er schon gearbeitet hat. Sein Film ist von einer gewissen Melancholie durchdrungen, indem Themen wie die Wichtigkeit von Familie und Gemeinschaft anklingen. Hier sind die Zombies keine hirnlosen Killermaschinen, sondern haben Gefühle und Erinnerungen. Sie sind sich deshalb bewusst, dass sich ihre Hoffnungen für die Zukunft in Luft aufgelöst haben. Gerade deshalb hebt sich OPERATION UNDEAD aus der Masse eher konventionell gestrickter Zombiefilme heraus und setzt sich überraschend nachdenklich mit dem Krieg und seinen Folgen auseinander. Natürlich hat der Streifen trotzdem noch einen hohen Gewalt- und Gorepegel und ist nichts für schwache Mägen.
THE SURFER

Ein amerikanischer Vater (Nicolas Cage) will mit seinem Sohn an der Südwestküste Australiens surfen. Doch als die beiden den malerischen Strand von Luna Bay betreten, werden sie von einem Rüpel namens Scally (Julian McMahon) von selbigem verjagt. «Wenn du nicht hier lebst, surfst du hier nicht», heißt es nur lapidar. Da nützt es auch nichts, dass der surfbereite Vater beteuert, dass er eigentlich hier aufgewachsen ist und plant, wieder in diese Gegend zu ziehen. Die Einheimischen bleiben hart. Doch der Middle-Ager ebenfalls. Er verschanzt sich in seinem Auto unweit der Dünen und will den Konflikt aussitzen. Doch dann spitzt sich dieser zu, sein Wagen gerät in Brand, er wird obdachlos und ernährt sich aus Mülleimern. Sein Surftraum rückt damit in immer weitere Ferne. Abgedreht? Ja, auf jeden Fall. Spielt ja auch Nicolas Cage mit. Irgendwo zwischen wahr gewordenem Fiebertraum und verrücktem Parkplatz-Thriller hat Regisseur Lorcan Finnegan sein B-Movie angesiedelt, und im Prinzip wird darin Cages reales Leben erzählt – sein Fall und seine Wiederauferstehung. THE SURFER reiht sich deshalb zwar eins zu eins in dessen spezielle Rollenauswahl des wild gewordenen Wahnsinns ein, doch in seinem «eigenen surrealen Dokumentarfilm» leidet er einfach besonders schön.
DALA QASQIRI

Die traumatisierte Tamara sucht inmitten eines Bürgerkriegs nach ihrem verschwundenen Sohn Timka. Doch niemand will der verwirrten jungen Frau helfen, bis sie auf einen abgebrühten ehemaligen Polizeiermittler (Berik Aitzhanov) trifft. Der amoralische «Steppenwolf» hat erst nur egoistische Motive, Tamara bei ihrer Suche zu unterstützen, und schwankt ihr gegenüber immer zwischen Beschützerinstinkt und Verachtung, wenn sie ihm lästig wird. Sie dagegen findet seine Methoden häufig grausam und sadistisch. Nichtsdestotrotz raufen sich die zwei Außenseiter zusammen, und Tamara ist fest entschlossen, die Mission mit dem nihilistischen Einzelgänger zu Ende zu bringen, und so begeben sich die beiden auf einen blutigen Roadtrip durch die kriegerische Ödnis, in der die Menschlichkeit schon lange verloren ging und mit ihr die Hoffnung auf Erlösung. Adilkhan Yerzhanovs DALA QASQIRI ist ein gnadenloses Brett von einem Rachefilm, irgendwo zwischen apokalyptischem MAD MAX-Setting und KOMM UND SIEH-Brutalität. Der kasachische Vielfilmer ist für seine kompromisslosen, düsteren Genrewerke bekannt (A DARK DARK MAN, ASSAULT, GOLIATH), mit denen er regelmäßig bei Festivals wie Cannes und Venedig ausgezeichnet wird. Doch sein neuestes Werk rechnet wie kein anderes mit der Welt als durch und durch düsterem Ort ab, an dem nichts als menschliche Grausamkeit regiert. Sowohl visuell als auch akustisch ist der Film ein Erlebnis, und Hauptdarsteller Berik Aitzhanov schafft es nicht nur, Charles Bronson wie einen Kindergärtner aussehen zu lassen. In seiner Rolle als unbarmherziger, teilweise recht misogyner Eisklotz wirkt er trotzdem noch auf beängstigende Art sympathisch.
ESCAPE FROM THE 21ST CENTURY

Wir schreiben das Jahr 1999 auf einem Planeten, der der Erde sehr ähnlich sieht. Doch auf dem Planeten K sind die Tage nur zwölf Stunden lang. Hier leben die drei 18-jährigen Schulfreunde Chengyong (Yang Song), Zha (Ruoyun Zhang) und Pao Pao (Chenhao Li). Als sie in eine Prügelei geraten, landen sie in einem von Chemikalien verseuchten See. Dadurch erhalten sie die Fähigkeit, 20 Jahre in die Zukunft und wieder zurück zu reisen – wenn sie niesen. Anfangs scheint das ein aufregendes Abenteuer zu sein. Schnell wird es jedoch zu einer ernüchternden Erfahrung, als sie feststellen, dass die Zukunft doch nicht so vielversprechend ist, wie sie es sich erhofft hatten. Auch scheitern ihre Versuche, auf Dinge in der Gegenwart Einfluss zu nehmen, um etwas in der Zukunft zu ändern. Der Film des jungen chinesischen Regisseurs Li Yang ist maximalistisch: Er ist laut und schrill, eine bunte, rasante Mischung aus frischen Ideen, Hommagen und einem experimentellen Gestaltungsstil. Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wechseln sich quadratische Bilder mit ultraweiten ab, es gibt verspielte Schnitttechniken, animierte Sequenzen, Gamer-Effekte, und das Tempo wird beschleunigt oder verlangsamt. Zudem springt die Handlung in verschiedenen Zeitebenen hin und her und wechselt zwischen einer Vielzahl von Genres. Kurzum, es erfordert schon einiges an Energie, diese visuelle und erzählerische Dichte zu verarbeiten. Doch es lohnt sich: ESCAPE FROM THE 21ST CENTURY hält einige Überraschungen parat und fasziniert durch seine halsbrecherische Energie und seine Kreativität bis zum Schluss.
1978

Es läuft das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1978 zwischen Argentinien und Holland in Buenos Aires. Eine Gruppe von Anhängern der Militärjunta bricht gewaltsam in ein Haus ein, entführt drei junge Menschen und bringt sie in ein geheimes Gefangenenlager im Nirgendwo. Hier halten die Offiziere bereits mehrere mutmaßliche politische Dissidenten fest. Viele von ihnen wurden bereits verhört, aufs Brutalste gefoltert und schließlich getötet. Dasselbe Schicksal wird wohl auch die Neuankömmlinge erwarten – denken jedenfalls die Militärs. Doch mit ebenjenen haben sie sich die falschen Opfer ausgesucht, wie sich ganz schnell herausstellt. Die Entführten gehören einem okkulten Zirkel an, der von einer unbekannten übernatürlichen Macht kontrolliert wird. Mit 1978 beschwören die Regisseure Luciano und Nicolás Onetti eine albtraumhafte Welt herauf, die an die Schrecken des apokalyptischen Kinos von Lucio Fulci erinnert und gleichzeitig die realen politischen Unruhen der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 einbezieht. 1978 nutzt diesen historischen Hintergrund als Grundlage für seine Erzählung und verankert die albtraumhaften Gewaltszenen in einer ebenso grausamen Realität. Das zwingt das Publikum unweigerlich zur Frage, ob das größte dargestellte Übel das übernatürliche oder das menschliche ist.
ELSE

Der nerdige, schüchterne Einzelgänger Anx (Matthieu Sampeur) lernt auf einer Party die wirbelig-laute Cass (Édith Proust) kennen, und aus einem anfänglichen One-Night-Stand wird schnell mehr. Doch die neue Liebe ist von einer seltsamen Hautkrankheit bedroht, die sich rasend schnell ausbreitet und die Menschen mit allem verschmelzen lässt, was sie umgibt. Anx und Cass verbarrikadieren sich also in seiner Wohnung und konzentrieren sich aufeinander. Doch die Gefahr von außen bricht bald auch in ihren Hort der Intimität ein und droht das junge Glück zu zerstören. In seinem Spielfilmdebüt demontiert der französische Regisseur Thibault Emin die verklärte Vorstellung der romantischen Zweierbeziehung, die nur einander braucht, und macht diesen Vereinigungsprozess buchstäblich visuell erfahrbar. Die philosophische Abhandlung über Individualität ist berauschend und beeindruckend, weil sie genauso verspielt wie düster ist. Bunte Tagtraumbilder mit fantasievollen Details wechseln über zu entsättigten Farben und Schwarz-Weiß-Szenarien, die eher dem bizarren Universum von Lynch entspringen oder an die melancholische Schönheit Méliès’ erinnern. ELSE ist aber gleichzeitig auch eine nachdenklich stimmende Pandemie-Aufarbeitung, stets durchzogen von dem schrägen Humor eines Quentin Dupieux – was in diesem Fall ziemlich gut funktioniert. Emins Film ist im Ganzen ein wunderbar kreatives Überraschungspaket, das sich genauso unfassbar und expansiv anfühlt wie die alles verschlingende Kraft.
CHAINSAWS WERE SINGING

Maria läuft in den ersten Minuten des Films bei strahlendem Sonnenschein über eine hübsche Blumenwiese auf einen Typen in Latzhose zu, der auf einer Landstraße steht und aussieht wie der Geißenpeter. Aufgelöst versucht sie diesem zu erklären, dass sie gerade von einem «Fuckface» mit Kettensäge verfolgt wird. Worauf Latzhose seelenruhig antwortet, dass das nicht sein könne, weil sie hier nicht einmal in einem Rodungsgebiet seien. Wenige Minuten später wird er – natürlich – brutal umgebracht, und Maria läuft weiter. Auf ihrer Flucht trifft sie auf den depressiven Tom, der durch diese Begegnung neuen Lebensmut schöpft und nun – da der Killer Maria inzwischen entführen konnte – seine neu gefundene Liebste aus den Fängen des kettensägeschwingenden Wahnsinnigen befreien will. Das estnische Horrormusical CHAINSAWS WERE SINGING wurde im Guerilla-Stil gedreht und brauchte über zehn Jahre von der Vorproduktion bis zum Vertrieb. Das von äußerst skurrilen Menschen bevölkerte Universum ist ein großer Spaß, wenn man die Art von Humor mag, die sich selbst nie so ernst nimmt und gerade deshalb kreativ-effektiv ist. Wer kommt schon auf einen Bukkake-Kult im Wald, der jeden Mittwoch Opfer an einen Kühlschrankgott darbringt? Zudem wird ja hier auch noch zwischen den ganzen Passanten-Kills mit fliegenden Eingeweiden und explodierenden anderen Körperteilen munter amateurhaft geträllert, was dem Ganzen noch einen liebenswert-rustikalen Charme verleiht.
KING BABY

Zwei Männer hatten irgendwann einmal Namen und waren vermutlich befreundet. Das lässt ein Foto erahnen, das auf einem Schloss aufgenommen wurde. Nun leben die beiden ganz alleine auf ebenjenem Schloss beziehungsweise in der idyllischen Ruine des ehemaligen Anwesens und sind nur noch König und Diener. Der ergebene Diener erfüllt dem selbstzufriedenen König jeden Wunsch, bis irgendwann eine hölzerne Schaufensterpuppen-Königin einen Keil des Neids zwischen sie treibt. Der König wird daraufhin von Albträumen geplagt und sehnt sich immer mehr nach dem einfachen Leben. Der Diener wiederum hält sich für einen rücksichtsvolleren Partner für die Königin und für einen gütigeren Herrscher. Im Laufe der Tage gerät die bisherige Routine der Männer von baden, reden, jagen und essen aus dem Gleichgewicht, und die Spannungen steigen, weshalb sich die beiden Männer schließlich darauf einigen, einen Rollentausch zu versuchen. KING BABY, die Satire der beiden Regisseure Kit Redstone und Arran Shearing, ist eine interessante Persiflage auf Machtspiele und Macho-Allüren, den Klassenkampf, die Monarchie und andere politische Strukturen. Es ist mutig, eine solch anspruchsvolle Kritik nur von zwei Schauspielern tragen zu lassen, in einem einzigen Setting. Doch Graham Dickson (König) sowie Neil Chinneck (Diener) machen ihre Sache sehr gut und pendeln geschickt zwischen bissig-gewitzten Dialogen, dem Hang zur Übertreibung und der Demaskierung bestimmter männlicher Verhaltensstereotype. KING BABY ist clever gemacht und hat aus einem erstaunlich komprimierten Setting heraus sehr viel Konstruktives zu sagen.
Publikumspreis: DEUS IRAE

Pater Javier ist ein Exorzist, bei dem der Kampf gegen die dunklen Mächte – bei fremden Menschen sowie bei sich selbst – körperliche und psychische Narben hinterlassen hat. Um seine Mission überhaupt bewältigen zu können, betäubt er sich mit Drogen. Dann wird er von zwei anderen Exorzisten um Hilfe gebeten, gegen eine dämonische Kraft anzutreten, die stärker ist als alles, womit er sich bisher konfrontiert sah. «Deus Irae» bedeutet «Gott des Zorns» und spielt auf den mittelalterlichen Hymnus «Dies Irae» (Tag des Zorns) über das Jüngste Gericht an. In seinem Spielfilmdebüt um einen Priester, der sich fragen muss, wie viel er von seiner eigenen Menschlichkeit zu opfern bereit ist, um das Böse zu besiegen, setzt sich der argentinische Regisseur Pedro Cristiani mit seiner eigenen Beziehung zum Katholizismus auseinander. Damit schafft er einen ambitionierten, stimmungsvoll-düsteren Horrorfilm, dessen praktische Effekte und Produktionsdesign beeindruckend sind. Auf der Handlungsebene kann DEUS IRAE jedoch verwirrend sein, weil die Geschichte buchstäblich in alle Richtungen unterwegs ist. Sie springt willkürlich durch Zeit und Raum, was es erschwert, ihr zu folgen. Die verwirrende Art der Erzählung spiegelt jedoch auch die Unfähigkeit der Hauptfigur wider, das Erlebte zu begreifen. Der Film hebt den religiösen Horror auf ein hohes künstlerisches Niveau und hält sich an einer niederschmetternden Erkenntnis fest: Der einzige Weg, das Böse zu vernichten, besteht darin, zu etwas noch Schlimmerem zu werden.
Das nächste BRUGGGORE Filmfestival findet vom 21. bis 25. April 2026 statt. Wer sich die Zeit bis dahin etwas verkürzen will, kann dies mit den «Double Feartures» im Spätsommer/Herbst im Kino Excelsior in Brugg tun.
Sarah Stutte

