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DEADLINE PRÄSENTIERT: MIDNIGHT MOVIES bei den BRITISH SHORTS

Dass die 2021er Ausgabe des BRITISH SHORTS Kurzfilmfestivals pandemiebedingt in den Sommer ausweichen musste, hat sich rückblickend gelohnt und war vor allem bei den MIDNIGHT MOVIES, die auf zwei Spielstätten ausgeweitet wurden, ein voller Erfolg. Drinnen und draußen konnte man das wohlkuratierte etwas abseitigere Programm anschauen. Beide Screenings waren ausverkauft, und selbst strömender Regen hielt einen Großteil der Audience nicht davon ab, bis zum Schluss zu bleiben. Als Brit-Lover ist man wettertechnisch ja auch einiges gewohnt, zumindest dann, wenn man die Insel(n) schon des Öfteren besucht hat. Uns als DEADLINE freut so ein Erfolg natürlich sehr, vor allem in einer Zeit, in der das Kino es nicht gerade leicht hat. Umso mehr freuen wir uns, dass die Macher der BRITISH SHORTS ihre 15. und somit Jubiläumsausgabe wieder in den altbewährten Monat Januar gepackt haben: Am Donnerstag, dem 20. Januar geht’s los. Sieben Tage Programm, weit mehr als 150 Filme aus dem Vereinigten Königreich, ein Special Showcase im Planetarium, Talks, Musik, Ausstellung, Preisverleihung des Jury- und Publikumsawards – wie immer wird viel geboten.
Und wie immer gibt’s dann noch … die Samstagnacht.
Wenn um 23.59 Uhr das Sputnik-Kino die Leinwand freigibt für ein spezielles Filmstoffangebot.
Das sich in diesem Jahr auf großartige Weise akustisch hervortut und weit weniger der „too much home alone and too much drugs“-Filme aufweist, die den letzten Jahrgang im guten Sinne dominierten.
Aber schauen wir doch einfach mal genauer hin und nehmen Platz auf der dunklen Seite, wenn es heißt:

DEADLINE präsentiert die MIDNIGHT MOVIES.

 

„Horror“ steht da als Einordnung, tatsächlich ist VOODOO IN MY HEART von Elias Williams aber auch ein wenig lustig. Exakt dieses „ein wenig“, das man eben aufbringen kann, wenn sich der Boyfriend über Nacht in einen Zombie verwandelt hat – und man nicht weiß, was nun zu tun ist. Zum Beispiel die freundliche Smartphone-KI fragen … und alles in Musik enden lassen. Weniger melancholisch, aber ebenso endgültig geht es weiter: In ITCH entwickelt eine Nonne Gefühle für eine Mit-Schwester und kann plötzlich nicht mehr aufhören, sich zu kratzen. Der s/w-8-Minüter von Susannah Farugia präsentiert sich als seltsame Mischung aus Begierde und Buße, streift Selbstkasteiung und Glorifizierung, und ist dabei vor allem wundervoll gefilmt – selbst wenn Blut als letzter Ausweg rinnt. Es folgt: THE RETREAT. Und das … ist stramm. Eigentlich darf man auch gar nix groß verraten über den kurzen Thrill, auf den Marcus Anthony Thomas uns mitnimmt. Vielleicht nur so viel: Eine Handvoll Menschen, ein abgelegenes Anwesen, eine Therapie. Ein starkes Stück Kurzfilm.

Und während wir noch mit unserer eigenen Moral kämpfen, klebt EATING IN THE DARK uns eine gehörige Portion Mindfuck um den Kopf. Und auch mächtig viel Fuck, denn Inari Sirolas Animation ist 9 Minuten Sinnsuche, oder besser Erfüllungssuche: Siro ist Single, im Sexshop verheißt das ultimative Toy mehr als ein echter Körper je bieten könnte – und Unabhängigkeit. Aber ist es das, was Siro wirklich will? Ich gebe zu: Ich bin Sirola-Fan. Großartiges, unverkennbares Artwork. Surreal, plakativ, verstörend und irgendwie auch inspirierend ist das, was die finnische Filmemacherin bietet, wenn sie Sex, und Gender ausleuchtet.

Und dann kommt … CALVING. Holy Shit. Was ist das?! „In der irischen Provinz wird ein seltsames Kalb geboren. Und es hört nicht auf zu schreinen.“ Das steht im Programmheft. Darum geht’s auch. Aber … wie! Louis Bhose schafft es, in 12 Minuten ein derartiges Unwohlsein aufzubauen, dass zuerst Augen, dann auch Mund aufgehen beim Ansehen. Und vor allem: beim Zuhören! Ein Wahnsinnsfilm, der lange bei einem bleibt. Beeindruckend. THE THING THAT ATE THE BIRDS geht da einen etwas anderen, fast schon klassischen Weg. Die Moore von North Yorkshire. Tote Vögel. Zu viele tote Vögel. Und eine kaputte Ehe. Sophie Mair und Dan Gitsham kombinieren den einen mit dem anderen Horror und schaffen ein starkes Bild. Wenn der Wildhüter zum ersten Mal den Wilderer erblickt …

BAINNE wird dann ganz leise und auch wieder schwarz-weiß. Irland im 19. Jahrhundert. Die große Hungersnot. Ein Knecht kümmert sich um den Hof, Bettler kommen dann und wann am Anwesen vorbei. Doch dieses kleine Gestalt, die die Milchflasche im Arm hält, ist anders als die anderen … Märchenhafter, sanfter Grusel. Ein kurzes Verschnaufen, quasi. Denn es folgt RED ROOM, der ebenso fesselnd wie verwirrend ist. Eine Frau und zwei Männer verbindet Freundschaft, vielleicht auch ein bisschen mehr. Ist es eine Ahnung? Vorhersehung? Ein böser Geist, das eigene Ich, der Killer in … wem? Auch in Bryan M. Fergusons Viertelstünder ist ausgezeichnetes Sounddesign Teil der Wirkung, verwirrend und verletzend eingesetzt.

Zeit zum Auflockern! Und wieder sind es drei Freunde, die PEDWAR zusammensitzen. In einer einsamen Hütte, in der ein Gemälde der apokalyptischen Reiter über dem Kamin hängt. Und hat nicht tatsächlich jeder ein Pferd gesehen in letzter Zeit? Sam Johnsons schwarze Komödie versteht ihr Handwerk bis hin zum … nun ja, Tod. Und wo wir schon beim Tod sind … THE DEAD COLLECTORS offenbaren zwar schon im Titel eine Ahnung dessen, was sie tun. Doch wie – und vor allem, warum –, das zeigen dann sehr bösartige 12 Minuten Dark Comedy. Aber, mal ehrlich, es geht noch bösartiger. Und alle, die schon einen Blick ins Programm geworfen haben, wissen genau, was gemeint ist. Lee Hardcastle nämlich, der traditionell mit einer Knet-Animation die MIDNIGHT MOVIES abschließt. Diesmal mit einer Fortsetzung des bereits 2012 erschienenen HAMSTER HELL. Und Hölle 2 ist wieder genau das, was man von Mr. H erwartet: Inkorrekt, ultraböse, brutal. Und diesmal mit Social Media. Pfui. Aber das gute Pfui.
Well done, BRITISH SHORTS!
(Germaine Paulus)

 

British Shorts Filmfestival – Midnight Movies:
Sa 22.2. / 24:00 Uhr / Sputnik Kino 1, Berlin

 

Das vollständige Programm und alle weiteren Infos
findet ihr unter britishshorts.de

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