Congrats, liebes BRITISH SHORTS!
Die 18. Festival-Ausgabe steht an, die Volljährigkeit ist somit erreicht und wird nicht daran hindern, wie jedes Jahr im Januar eine Riesenpackung Insel-Importe auf die Berliner Leinwände zu bringen.
Weit mehr als 150 Filme sind es dieses Jahr, sieben Tage wie immer Programm, angefüllt mit Genres aller Klassen: Thriller, Doku, Drama, Comedy, Animation, Horror, Musik-Clips und noch viel mehr. Sechs Spielstätten sind es mittlerweile, an denen das Festival screent, Diskussionen bietet, Panels, Talks und Specials. So z. B. die Retrospektive, die sich 2025 Regisseur Peter Strickland widmet, der sich mit BEBERIAN SOUND STUDIO fest im Genrefilm verankerte. Dazu gesellt sich eine Ausstellung mit fotografischen Arbeiten von Christian Cargill und Renée de Nèves, Live-Comedy sowie ein kostenloser Workshop inkl. 48-Stunden-Projekt. Musik und Meetings drumrum. Es gibt viel zu tun, viel zu erleben. Und vor allem viel zu sehen. Da lohnt sich nicht nur ein Blick auf die Liste der prominenten Gäste, sondern auch ein fokussiertes Glotzen: Auf den Festival-Samstag. Genauer gesagt die Samstagnacht. Denn dort lauert das böse Kind, das schmuddelige, fiese, moralisch ambivalente und gemeine Kind. Das Kind, das wir alle am allerdollsten lieb haben: DIE MIDNIGHT MOVIES, deren Set-up wir auch in diesem Jahr vorab genießen konnten, um euch vorzubereiten auf das, was euch erwartet.
Wenn es wieder heißt:
DEADLINE präsentiert die MIDNIGHT MOVIES.

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Für den Anfang geht’s zwei Monate zurück: Halloween steht für der Tür – und dort liegt auch ein Kürbis. Ein Kürbis, der Panik auslöst. Denn bei PUMPKIN GUTS ist der orangefarbene Kloß etwas mehr als nur lustige Deko: Er ist Auftragsüberbringer. Und die Aufträge haben es in sich, denn geht um nicht weniger als, nennen wir es … Identitätsfindung. Eine nett-böse Idee packt Regisseur Ferguson in 1980er-Setting inkl. Hund, der Cujo heißt.
SHÉ schlängelt sich in eine ganz andere Richtung: Die Beste bist du nur so lange, wie keine Bessere auftaucht. Damit sieht Fei sich konfrontiert und ihren Platz als erste Geigerin im Eliteorchester gefährdet. Und nicht nur dort. Die „andere“ dringt in ihre Familie ein, wird zur Gefahr? Oder doch nur zum Spiegel des Hässlichen, das in uns wohnt?
TRIPTYCH wälzt dann die Bildgewalt völlig aus: Sophia Ray wählt Boschs dreiteiliges Gemälde „Der Garten der Lüste“ als Basis für einen Kurzfilm, der Eleganz und Inszenierung wie einen Tanz beherrscht. Surrealer Pinselstrich wird zu Fleisch, die knapp 15 Minuten zu einer neuen Interpretation der Wegekreuzung und des Teufels. Verpackt in Kunst und das sie umgebende Milieu.
Da muss als Nachfolger was Brachiales her, und das liefert SANDRA GETS A NEW FRINGE mithilfe eines Großraumbüros und Sandra, die nicht beachtet wird – egal, wie eng der Rock ist. Egal, wie schlafzimmrig der neue Pony. Knackig-kurze Eskalation mit Extrapunkt für die Wahl von Samantha Fox‘ größtem Hit im Abgang!
Nun angekommen im dunklen Komödienbereich fahren wir von der Stadt aufs Land: COLLECTION ONLY beginnt mit einem Schnäppchen. Ob der Sessel den weiten Weg wert ist? Was läuft da falsch bei dem alten Ömchen, das das Sitzmöbel verschenken will? Und was ist mit Öpchen? Witzig und eklig gehen oft Hand in Hand, und hier tun sie es mit Schwung.
Die alten MIDNIGT MOVIES-Hasen werden genussvoll die Lippen spitzen, wenn die den Namen Lee Hardcastle auf der Leinwand sehen – und das zu Recht. Hardcastle, der Gore-Knete-König, liefert wie gewohnt ab. Völlig humorfrei diesmal, denn BLVCK MVGIC ist ausufernd, mit feiner Peter-Cushing-Referenz und einem Ende, das perfekt überleitet zu …
… MANEATER, der richtig, richtig witzig ist! Wenn die Frauen in dem abgewrackten Seebad zwar nicht ihre innere weichgeschriebene Göttin entdecken, sondern dafür den viel effektiveren inneren – nein, wird nicht verraten. Nur so viel: Es gibt auch blanke Ärsche zu sehen. Die nicht mehr an Körpern sind. Fass, Schwester!
Auch in UNRAVELLING spielt Transformation eine Rolle: Fiona ist krank. Und die Krankheit bricht im wahrsten Sinne des Wortes aus. Ein gleichzeitig grausamer, wie auch versöhnlicher Beitrag der Mitternachtsfilme, der auf der Metaebene mehr zu bieten hat als zwei Frauen im Wald.
Transformation, die dritte: HAPPY MEAT ist Fleischersatz, der perfekte, um genau zu sein. Für ein ambitioniertes Start-up steht der Deal des Lebens vor der Tür, der Investor schon so gut wie eingetütet. Doch dann geht alles schief – und wie! Hier schwingen die lustig-bösartigen Töne ebenso tief wie die kapitalismuskritischen, und das ganz ohne Zeigefinger. Perfider Spaß mit gelungenem Creature Design!
Es folgt alles, aber kein Spaß: Schon mit den ersten Bildern baut YELLOWMEADS eine Atmosphäre zum Schneiden auf. Dann kommt die Paranoia, dann die Angst. Dann der Feind … Ein starkes Stück Kurzfilm. Bekannte Motive gar nicht unbedingt neu, aber effektiv aufzuladen, ist eine große Kunst. Matt Green inszenierte Tristesse zu einer Metapher, die jeder anders erkennen mag. Wow.
Einmal Durchatmen, dann in die Hände klatschen und am besten auch noch fröhlich singen! Wie dieser Kuchen, der in bester Muppets-Manier zur Verkostung auffordert, eine Frau in den Ofen lockt und das dunkle Reich dahinter, bevor der Kuchentrip erste Opfer fordert. Auch in der Realität, lalala, schubidu!
Und weiter geht’s mit den Beziehungen, die das Label „es ist kompliziert“ zu Recht tragen: Nachwuchs steht ins Haus in OFF CUTS, doch der werdende Daddy hat nicht nur Blumen, sondern auch das Böse mit ins traute Heim gebracht … Akustischer Reiz und Fokus auf das, was unsere Körper verlieren, bis hin zu unserer perfektionierten Langeweile … Krass!
Aber hey, wer „krass“ sagt, muss auch „Robert Morgan“ sagen, nicht wahr? Und so kredenzen die BRITISH SHORT zum Abschuss ihrer Mitternachtssession RAY INCIDENT: INCIDENTAL 38 – STRANGE ACTIONS AT A DISTANCE, das knackig als „düsteres animiertes Musikvideo“ beschrieben wird. Natürlich ist es mehr. Es ist ein Trip ins absolut Weirde. Beginnt mit einem Loch in der Wand und endet mit Köpfen als Hände. Mehr muss man nicht sagen. Kann man fast nicht. Die verschwitzte, abstoßende Ästhetik von Meister Morgan bleibt einzigartig, fordert einzigartig. Verstört einzigartig.
Und so enden die zwei Stunden MIDNIGHT MOVIES, Edition 2025. Bis zum nächsten Jahr, sagen wir. Und jetzt ein kühles Pint. Aber davor einen Schnaps.
Der geht dann auf Robert Morgan.
(Germaine Paulus)
Mehr Infos zum Festival und Ticketing findet ihr unter