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Regie: Tim Miller / USA, Kanada 2016 / 106 Min.
Darsteller: Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Gina Carano, T. J. Miller, Ed Skrein, Brianna Hildebrand, Jed Rees
Produktion: Simon Kinberg, Ryan Reynolds
Verleih: 20th Century Fox
Freigabe: FSK 16
Start: 11.02.2016

 

 

 (Ein aktuelles Interview mit Ryan Reynolds findet ihr hier!)

 

 

Während Unworte des Jahres meist politisch und/oder gesellschaftskritisch orientiert sind, gibt es einen Ausdruck, der beinahe immer für einen gellenden Aufschrei zumindest in der filmaffinen Bevölkerung sorgt. So könnte das Unwort per se „PG-13“ lauten, die „Kindergarten-Freigabe“ der US-Filmprüfstelle MPAA, welche einen höheren Besucherstrom garantiert und Puristen bestimmter Franchises die Zornesröte ins Gesicht treibt. Regelrechte Shitstorms ernteten zuletzt das ROBOCOP-Remake, der dritte Ausflug der EXPENDABLES und TERMINATOR: GENISYS, denen man sämtliche Qualitäten nur aufgrund der „fehlenden Eier“ der Verantwortlichen absprach, welche lieber den sicheren Weg der klingelnden Kinokassen gehen, als den ursprünglich rauen und teils gewalttätigen Ton der Originale beizubehalten. Wie sich im Nachhinein herausstellte, ging diese Rechnung jedoch nicht wirklich auf. Dieser sehr sensiblen Thematik war sich wohl auch Ryan Reynolds bewusst, als er am 1. April 2015 via Twitter die PG-13-Freigabe der Comic-Adaption DEADPOOL bekannt gab.

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Die empörten Reaktionen der Fans ließen dann auch tatsächlich nicht lange auf sich warten, und so mokierte man sich lauthals über die Entmannung des grafisch brutalsten Helden im Marvel-Universum, der die Seiten der Comics nicht selten blutrot färbt. Den schimpfenden Rohrspatzen entwich jedoch bald schon ein Seufzer der Erleichterung, als Reynolds den Scherz abends als solchen enttarnte und ein R-Rating offenbarte. Somit war der Weg also frei für „strong violence and language throughout, sexual content and graphic nudity”, was frei übersetzt so viel bedeutet wie Gewalt, derbe Flüche, Sex und Nackedeis. Aber gelingt Marvel, deren letzter R-rated-Film der PUNISHER aus dem Jahre 2008 war, der Spagat zwischen familienfreundlicher Teenieunterhaltung und rotzigem Erwachsenenkino? Im Vorfeld trauten wir jedenfalls keinem anderen Studio so viel Wandlungsfähigkeit zu, denn es hat in der Vergangenheit bereits hervorragend bewiesen, dass Superheldenfilme innerhalb desselben Kosmos nicht immer auch dem gleichen Schema folgen müssen. IRON MAN 3 beispielsweise kleidete Buddy-Movie-Spezialist Shane Black in ein erfrischend humorvolles 80er-Jahre-Actiongewand, während CAPTAIN AMERICA: THE WINTER SOLDIER als durchweg ernster Agententhriller in bester 70er-Jahre-Manier daherkam.

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Als zwischendurch die GUARDIANS OF THE GALAXY mit ihrem ungehobelten Charme mal eben so en passant die Herzen der Zuschauer eroberten, war beinahe alles möglich, und so überraschte uns Marvel im letzten Jahr dann mit seinem zugleich leichtfüßigsten, optisch kreativsten und originellsten Streich, dem ANT-MAN. Um das Fazit ein wenig vorwegzunehmen: Auch bei DEADPOOL ist man in guten Händen, und Regiedebütant Tim Miller setzt bei einer Drehzeit von gerade einmal 48 Tagen erneut frische Akzente im MCU (Marvel Cinematic Universe), welche sich nicht ausschließlich auf die weiter oben genannten Erwachsenen-Attribute beschränken, sondern der Film schlägt ganz im Stil der Comicvorlage auch narrativ neue Pfade ein.

Der ehemalige Special-Force-Soldat Wade Wilson (Ryan Reynolds) ist rundum zufrieden: Er hat mit Vanessa (Morena Baccarin) die Frau seines Lebens gefunden, welche nicht nur alle physischen Bedürfnisse befriedigt, sondern auch auf emotionaler Ebene Wilsons perfektes Gegenstück ist. Gerne hält er sich in seiner Stammkneipe auf, die von seinem Kumpel Weasel (T. J. Miller) geführt wird, der dort wiederum abstruse Wetten laufen hat, welche die Sterblichkeitsrate bei Barschlägereien betreffen. Als jedoch bei Wade eines Tages Krebs diagnostiziert wird, bricht seine kleine „heile“ Welt in sich zusammen, und er muss sich der Krankheit stellen. Sein erster Schritt ist raus aus der gemeinsamen Wohnung und weg von seiner Freundin, die er mit seinem Leiden nicht weiter belasten will. Kurze Zeit später trifft er auf einen zwielichtigen Herrn im Anzug (Jed Rees), der ihm eine Zukunft als Superheld bar seiner tödlichen Erkrankung offeriert. Nach anfänglichem Zögern geht er auf den Deal ein und landet im frankensteinschen Versuchslabor der wahnsinnigen Mutanten Ajax (Ed Skrein) und Angel Dust (Gina Carano), die ihm die Illusion des Superhelden ganz schnell nehmen. Als Ratte im Käfig wird Wade gefoltert, malträtiert, entstellt und zum unsterblichen Superattentäter modifiziert, dessen Zellen und somit Körperteile sich blitzschnell regenerieren