Der ewige Underdog
Von dem Namen und der Person Jeff Burr ging für mich immer eine besondere Faszination aus. Seit ich als Teenager zum ersten Mal einen Artikel über ihn gelesen habe, war er für mich der Inbegriff des Underdogs – quasi der Held aus der zweiten Reihe. Dies, weil er von vielen nur am Rande wahrgenommen wurde, da er auf dem Höhepunkt seines Schaffens auf die Inszenierung von Sequels reduziert war. Dabei stand am Anfang noch ein „eigener“ Film, der 1987 von Burr ungemein gekonnt inszenierte Anthologie-Horror DIE NACHT DER SCHREIE, für welchen er sich die Dienste des legendären Vincent Price sichern konnte. Danach folgten dann jedoch die Sequels: STEPFATHER II (1989), LEATHERFACE: TEXAS CHAINSAW MASSACRE III (1990), PUMPKINHEAD II (1993), PUPPET MASTER 4 (1994) und PUPPET MASTER 5 (1995) sollten sich für Burrs Reputation als Fluch und Segen zugleich erweisen. Einerseits bewies er damit sein Händchen als technisch versierter Regisseur, der auch angesichts problematischer Produktionen nicht einknickte. Andererseits führten die Filme dazu, dass er für viele immer nur der „Sequel-Regisseur“ bleiben sollte. Trotzdem sind es die Sequels, mit welchen man den Namen Jeff Burr für immer in Verbindung bringen wird. Sein Leatherface: TEXAS CHAINSAW MASSACRE III war z. B. für mich über Jahre hinweg der beste Film des Franchises, da er als einziger das Massaker-Versprechen im Titel einzulösen vermochte. Erst später entdeckte ich die wahren Qualitäten des kultigen Originals, welches übrigens auch von Burr selbst als der unmissverständlich bessere Film bezeichnet wurde. In den Jahren nach den Sequels tat sich Burr trotz einer hohen Produktivität schwer damit, Akzente zu setzen. Filme wie z. B. der sehenswerte Vogelscheuchen-Horror der Pakt mit dem DÄMON (1995) und der von Burr selbst hochgeschätzte Mix aus Kriegs- und Horrorfilm STRAIGHT INTO DARKNESS (2004) flogen leider weit unter dem Radar der Horrorcommunity. Trotzdem verschwand Jeff Burr nie wirklich aus dem Fokus der Aufmerksamkeit – zumindest nicht in meiner Welt. Und deswegen war es mir eine Herzensangelegenheit, ihn für einen Cameo für den von mir produzierten Film GAME OF DEATH – THE SIX DOORS TO HELL gewinnen zu wollen. Zu meiner Freude erwiderte er meine Anfrage mit einer positiven Antwort, weswegen es am 3. Oktober 2023 zu einem Zoom-Meeting zwischen Jeff Burr, Regisseur Timo Rose und meiner Wenigkeit kam. Burr präsentierte sich dabei in ausgezeichneter Laune, aber vor allem sympathisch und freundlich, als bodenständiger Filmemacher ohne irgendwelche Starallüren. So nahm er sich die Zeit, für uns seinen Gastauftritt aufzunehmen, aber auch, um mit uns über die Filmemacherei zu sprechen und unsere Fan-Fragen zu beantworten. Mein persönlicher Gänsehautmoment kam, als Jeff über die Arbeit mit dem von mir hochverehrten Vincent Price erzählte und dabei nichts Schlechtes über den Kultschauspieler sagen konnte. Passend dazu zeigte er sich äußerst stolz darüber, dass sein DIE NACHT DER SCHREIE in Deutschland die ultimative Veröffentlichung erhalten hat. Über die aktuelle Veröffentlichung von LEATHERFACE: TEXAS CHAINSAW MASSACRE III wusste er wiederum nichts, was er sehr bedauerte. Am Ende des Gespräches versprach ich ihm, ein Exemplar von LEATHERFACE: TEXAS CHAINSAW MASSACRE III zu besorgen und in die USA zu schicken. Dazu wird es leider nicht mehr kommen: Jeff Burr verstarb sieben Tage nach unserem Gespräch im Alter von 60 Jahren im Schlaf an einem Herzinfarkt. Was bleibt, sind seine Filme, eine Erinnerung an einen von vielen unterschätzten Filmemacher, aber vor allem an einen grundsympathischen Menschen, der seinen Fans und somit auch mir freundlich und respektvoll begegnet ist. Ich werde unser Gespräch nie vergessen …
Don’t stop believing in your heroes – rest in peace, Jeff Burr
Von Nando Rohner