Zum bereits 37. Mal öffnet das Fantasy Filmfest seine Pforten für Fans des abseitigen wie makabren Kinos. Mainstream- und Popcornkino spielen in diesem September kaum eine Rolle, wenn die Macher wieder Filme aus dem Nischenbereich für Freunde des Besonderen auf die Leinwände der Republik bringen. Von berührenden Dramen über packende Sci-Fi-Fantasy bis zu derben Horrorschockern stellt das Fantasy Filmfest auch dieses Jahr erneut DIE Alternative zum Einheitsbrei der internationalen Filmindustrie dar. DEADLINE ist sowohl froh darüber wie als Medienpartner auch stolz darauf, den Actionthriller SYMPATHY FOR THE DEVIL präsentieren zu dürfen. Nicolas Cage glänzt als schräger Typ, der ein wildes Katz-und-Maus-Spiel mit seinem Fahrer (Joel Kinnaman) treibt. Cool, kultig, Cage – was gibt es nicht zu mögen?!
Filmfreaks jeglicher Couleur finden gemütliche Sitzplätze unter Gleichgesinnten in den folgenden Städten:
Frankfurt, München (06.–13. September 2023)
Berlin (13.–20. September 2023)
Hamburg, Köln, Nürnberg und Stuttgart (20.–27. September 2023)
Der Vorverkauf läuft schon auf vollen Touren. Hier!
Das ganze Programm findet ihr hier!
Die Filme haben wir schon gesehen:
GOD IS A BULLET
Nick Cassavetes kennen viele als Schauspieler (DIE MASKE, INTERCEPTOR, BLINDE WUT oder DELTA FORCE 3), als Drehbuchautor von BLOW oder als Regisseur von u. a. JOHN Q, WIE EIN EINZIGER TAG (THE NOTEBOOK) und ALPHA DOG. In GOD IS A BULLET nimmt er wieder auf dem Regiestuhl Platz und adaptiert den gleichnamigen Roman von Boston Teran. Nachdem eine satanistische Sekte seine Frau ermordet und seine Tochter entführt hat, geht der ehemalige Kriminalbeamte Bob Hightower (Nicolaj Coster-Waldau) undercover, um den charismatischen Sektenführer Cyrus zur Strecke zu bringen. Ein blutiger Thriller, der an die „Satanic Panic“-Ära der 1980er erinnert.
THE ANIMAL KINGDOM
Die Welt wird von einer Welle von Mutationen überrollt, die Teile der Menschheit allmählich in Tiere verwandeln. François (Romain Duris) macht sich gemeinsam mit seinem Sohn Émile (Paul Kircher) auf, seine Frau zu retten, die sich inmitten der Verwandlung befindet. Der Film von Regisseur Thomas Cailley feierte seine Weltpremiere als Eröffnungsfilm der Sektion Un Certain Regard bei den 76. Filmfestspielen von Cannes am 17. Mai dieses Jahres und läuft als Centerpiece auf dem Fantasy Filmfest.
DEADLINE PRÄSENTIERT:
SYMPATHY FOR THE DEVIL
Im Actionthriller SYMPATHY FOR THE DEVIL darf Nicolas Cage wieder mal etwas durchdrehen. Er spielt einen Unbekannten, der seinen Taxifahrer (der neue RoboCop Joel Kinnaman) unter vorgehaltener Waffe dazu zwingt, ihn zu chauffieren. Daraufhin entfaltet sich ein dynamisches Katz-und-Maus-Spiel, in dem alles passieren kann – nur nicht das, was man erwartet.
(Manuel Magno)
FRONTIERS
Egal, wie stark man sich fühlt oder gegenüber anderen gibt: Irgendwas im Inneren geht beim Tod eines geliebten Menschen irreparabel zu Bruch. In der kanadischen Mysteryproduktion FRONTIERS muss sich Diane (Pascale Bussiéres) mit dem Tod ihres Vaters auseinandersetzen. Die alleinerziehende Mutter lebt nun mit ihrer Tochter Sarah isoliert auf dem übergroßen Hof des Vaters weiter. Den einzigen Draht zur Außenwelt stellen Dianes Schwestern dar, die ihr beim gemeinsamen Jagen und Wildausweiden neckisch versuchen, Halt zu geben. Doch der Geist des Verstorbenen schwebt über dem Hof wie ein Fluch und lässt Diane nicht ruhen. Guy Èdoin kreist mit seinem Mysterydrama um Themen wie Tod, Verlust und Reue, eingewoben in ein geisterhaftes Szenario. Mit ruhigem Erzähltempo nimmt Èdoin sein Publikum mit in Dianes abgeschottete Welt, die bis zum Ende eine winzige bleibt. Einen wichtigen Fokus legt FRONTIERS hierbei auf die Familienbande, die sich wie dicke Stahlseile durch den Film ziehen. Èdoin schafft es dabei, das Klischeehafte geschickt zu umschiffen, und setzt stattdessen immer wieder mysteriös verpackte Nadelstiche, die nach und nach Dianes innere Zerwühltheit aufdecken. Mit blindem Traditionalismus geht sie weiterhin der Hirschjagd nach, auch wenn ein solcher für den Tod des Vaters verantwortlich war. Doch in keinem ihrer Gewehrschüsse schwingt Zorn mit, sondern vielmehr ein paradoxer Wunsch – nämlich die Hirsche durch ihre gezielte Milde zu beschützen, wie zum Gedenken an den Vater. Denn über Fernsehen und Radio erfährt sie immer wieder von Wilderern und Eindringlingen im Grenzgebiet, die die Mutter nun als ernsthafte Bedrohung für ihre verbliebene Familie ansieht. FRONTIERS kann seine grau verschleierte Melancholie nie ganz aufrechterhalten, mitunter bürdet er der solide spielenden Hauptdarstellerin Pascale Bussiéres zu viel auf. Trotzdem changiert Èdoin gekonnt zwischen nahbarem Familiendrama und zartem Spuk – und schafft es sogar, dem irreparabel Geglaubten überraschend etwas Form zurückzugeben. (Steffen Buchmann)
Mysteriös aufgeladenes Drama, das sein Publikum mit Tränen und einem Lächeln zurücklässt
THE ROUNDUP: NO WAY OUT – CRIME CITY 3
Der südkoreanische Actionkrimi THE ROUNDUP: NO WAY OUT unter der Regie von Lee Sang-yong liefert dem Publikum eine mitreißende und unterhaltsame Geschichte. THE ROUNDUP: NO WAY OUT bietet eine explosive Mischung aus Humor, beinharten Actionszenen und einem großartigen Don Lee.
Die Handlung dreht sich um Detective Ma Seok-do und sein Team, die zur Metropolitan Investigation Unit befördert werden. Ihre Aufgabe ist es, Riki, einen von der Yakuza angeheuerten Auftragskiller, und den korrupten Polizisten Joo-seong cheol aufzuhalten. Diese beiden Parteien kämpfen gegeneinander um eine neu erfundene Droge namens „Hiper“, die in den Clubs rund um Seoul immer beliebter wird.
Das Herz des Films ist die kraftvolle Darstellung von Don Lee, der mit seiner Präsenz und seinem beeindruckenden physischen Auftreten begeistert. Es gibt nur wenig Unterhaltsameres, als diesem grimmigen Teddybären dabei zuzusehen, wie er zwielichtige Gestalten verprügelt. Dabei hat er immer einen trockenen Spruch auf Lager, der für zusätzlichen Humor sorgt. Bud Spencer hätte hier seine helle Freude gehabt.
Allerdings, wie schon in den beiden Vorgängerfilmen, steht diese humorvolle Seite des Films im krassen Gegensatz zur Gewalt, die von den Bösewichten ausgeübt wird. Diese ist deutlich expliziter und sorgt immer wieder für einen tonalen Bruch. Meine Wenigkeit mag diese explizite Gewaltdarstellung und die tonale Achterbahnfahrt sehr. Dem Film gelingt es, eine extrem lässige Mischung aus körperlicher Überpräsenz, motzigen Sprüchen und actionreichen Auseinandersetzungen zu präsentieren. Diese unerwartet coole Kombination macht THE ROUNDUP: NO WAY OUT zu einem ganz besonderen Erlebnis, mit einigen schmerzhaften Szenen, spannender Atmosphäre und einem harten Helden, welcher die Zuschauer in Atem hält.
THE ROUNDUP: NO WAY OUT ist ein kleiner Geheimtipp (der keiner mehr sein dürfte, immerhin sind die beiden Vorgänger ebenso genial) für Genrefans, die auf der Suche nach einem unterhaltsamen Actionkrimi sind. Obwohl der tonale Bruch zwischen Humor und Gewalt einigen Zuschauern möglicherweise nicht gefällt, ist dieser koreanische Film definitiv einen Blick wert und schreit nach mehr. (Thomas P. Groh)
FARANG
Der ehemalige Drogenkurier Sam hat dem Pariser Gefängnis noch nicht lange den Rücken gekehrt, da holt ihn seine Vergangenheit auf tragische Weise wieder ein. Als Sam vom Sohn eines ehemaligen Kuriers, dem er noch Geld schuldet, durch ein sich im Bau befindendes Hochhaus gejagt wird, stürzt der Jäger unglücklich zu Tode. Sam muss fliehen und setzt sich nach Thailand ab. Dort beginnt er ein neues Leben, gründet eine Familie und plant, eine Strandbar zu eröffnen. Doch an dem Stück Land, auf dem Sams Traum realisiert werden soll, ist auch die örtliche Mafia interessiert. Ihr Vorschlag: Ein kleiner Kurierdienst, und Sam ist Landeigentümer. Doch der Deal geht schief, und dafür rächt sich die Mafia gnadenlos an Sams Familie. Zugegeben, FARANG von Xavier Gens (FRONTIERS, HITMAN) ist eine typische Rachegeschichte und deshalb nicht so kreativ. Der eigentliche Show-Wert sind aber sowieso die Kampfszenen, und diese sind umso effektiver. Fans harter Action werden ihre helle Freude haben an den sehr gut choreografierten Brutalo-Kämpfen. Sei es im Fahrstuhl oder unter Einsatz von Knochen – das Blut spritzt hier in alle erdenklichen Richtungen. Eine «Faust aufs Auge»-Besetzung ist dafür der Franzose Nassim Lyes, der die Hauptrolle spielt und von seinen Erfahrungen als ehemaliger MMA-Champion profitieren kann. (Sarah Stutte)
THE NIGHTMAN
Damian und seine Ehefrau Alex ziehen zusammen in ein abgelegenes Haus in Irland. Gleich von Anfang an liegt eine Spannung zwischen ihnen und den Einheimischen in der Luft, die sich noch verschärft, als plötzlich unerklärliche Morde geschehen.
Zu allem Überfluss findet die hochschwangere Alex auch noch heraus, dass ihr Ehemann schlafwandelt und wenn er das tut, dann ist er ein komplett anderer Mensch. Agressiv, bösartig und gewalttätig. Je weiter die Laufzeit voranschreitet, desto gefährlicher wird es für Alex. Als sie mit dem Rücken zur Wand steht, muss sie um ihr Leben und um das Leben ihres ungeborenen Kindes kämpfen. Gegen einen Gegner, den sie sich niemals hätte vorstellen können.
THE NIGHTMAN ist ein ruhiger Vertreter seiner Zunft. Er lässt sich Zeit, führt die Personen sorgfältig ein und verzichtet zu weiten Teilen darauf, mit billigen Mitteln auf Zuschauerfang zu gehen. Nach und nach spitzt sich die Lage für das Ehepaar jedoch immer weiter zu und die Gefahr kommt mitnichten nur von den aggressiven Nachbarn, sondern eben auch von innen. Von der Familie, von dem einen Platz, der Sicherheit und Zuflucht bieten sollte. Delloye hat zwar einen gemächlichen Führungsstil, jedoch versteht sie es auch, Gewalt ausbrechen zu lassen, wenn es das Drehbuch vorschreibt. Dann wird das grüne Irland kalt und grau und unwirtlich. (Sylvio Constabel)
PERPETRATOR
In PERPETRATOR von Jennifer Reeder geht es um eine junge Frau, die kurz vor ihrem 18. Geburtstag steht. Jonny wird zu ihrer geheimnisvollen Tante geschickt, die sie unter ihre Fittiche nehmen soll. Doch in der neuen Schule geht ein Mädchenmörder um. Jonny nimmt es in die Hand, den Täter zu finden. Reeder will viel mit ihrem Film, fast zu viel. Der Mangel an männlichen Darstellern macht die Tätersuche zu leicht, und der Fokus liegt eindeutig auf Alicia Silverstone als Tante, mit deren Figur Reeder sichtlich Spaß hatte, was aber von ihrer eigentlichen Hauptfigur Jonny ablenkt. Reeder wollte alles in ihren Film pressen und hat leider zwischendrin den Faden verloren. Female-Empowerment-Szenen, die einfach nur Mittel zum Zweck sind, anstatt sie richtig in den Film einzubinden, die Charaktere bleiben alle blass, es gibt leider wenig Spannung, und der Showdown ist verschenkt und viel zu schnell vorbei. (Nicole Helfrich)
TIGER STRIPES
Mit TIGER STRIPES reisen wir nach Malaysia zu einer Gruppe junger Mädchen. Sie lachen, nehmen Tanzvideos auf, foppen ihre Lehrer. Doch Zaffan bekommt die ganze Bandbreite der Unterdrückung ihrer Kultur zu spüren, als sie ihre Periode bekommt. Von den Freundinnen wird sie gemobbt, als dreckig und stinkend beschimpft. Sie versteht nicht, wieso sie sich einschränken soll, bloß weil sie zu einer jungen Frau heranreift. Und dann hört sie Geschichten über eine Frau, die sich nicht dem Diktat der Traditionen unterwerfen wollte. Ihr seien Schnurrhaare und Krallen gewachsen, und sie sei schließlich nachts in den Dschungel geflüchtet und lebe noch immer dort. Und dann bemerkt Zaffan plötzlich erste Veränderungen an ihrem Körper. Genau so geht Female Empowerment. Die sehr junge Amanda Nell Eu hat mit ihrem Regiedebüt einen beeindruckenden Beitrag geschaffen. Wilde Herzen wollen frei leben, Frauen wollen selbstbestimmt sein und sind im Endeffekt auch bereit, für ihre Freiheit alles aufzugeben. Berührend, witzig und wunderschön gemacht, mit einer geballten Ladung an jungen Talenten, von denen man gar nicht glauben kann, dass sie keine routinierten Schauspielerinnen sind. Eine Offenbarung. (Nicole Helfrich)
RAGING GRACE
RAGING GRACE spielt in England und zeigt den Alltag der philippinischen Einwanderin Joy, die als Putzfrau für reiche Leute arbeitet, um sich und ihre Tochter Grace zu ernähren. Joy bekommt den Job als Haushälterin bei der arroganten reichen Katherine, die ihren todkranken Vater pflegt, der nicht mehr ansprechbar im Bett liegt. Grace macht sich einen Spaß daraus, das Haus zu erkunden, und als Katherine verreisen muss, entdeckt Joy, dass der alte Mann mit Medikamenten ruhiggestellt wurde. Sie und ihre Tochter schaffen es mit alten pflanzlichen Heilmitteln, den eigentlichen Hausherrn aus seinem medikamentös herbeigeführten Zustand zu erwecken. Regisseur Paris Zarcilla, der in London wohnt und selbst philippinischer Herkunft ist, greift hier das Thema der illegalen Einwanderer in England auf und vermischt es mit einem gotischen Thriller mit herrlich fiesen Wendungen. Zarcilla setzt mit dem Film ein Statement zur momentanen Einwanderungspolitik in UK nach dem Brexit. Drei weibliche Charaktere verschiedenen Alters raufen sich trotz ihrer Unterschiede zusammen, um das Patriarchat bekämpfen. Unterhaltsam und spannend, mit der richtigen Prise Grusel. (Nicole Helfrich)
VINCENT MUST DIE
VINCENT MUST DIE von Stéphan Castang widmet sich dem Thema der Gewalt und zeigt, dass sie heutzutage fast überall präsent ist und jeden aus heiterem Himmel treffen kann. Vincent ist ein normaler Typ und arbeitet im Büro. Er bespricht gerade etwas mit einem Kollegen, als er komplett überraschend von dem Praktikanten attackiert wird. Die Kollegen bändigen den jungen Mann, der sich nicht erklären kann, was über ihn gekommen ist. Doch am nächsten Tag geht ohne Vorwarnung ein anderer Kollege auf Vincent los. Nach diesen Vorfällen ist Vincent vorsichtig geworden, doch er geht abends zu einem Date in der Stadt, wo er merkt, dass es immer mehr Leute auf ihn abgesehen haben und es darauf anlegen, ihn zu verletzen oder gar zu töten. Und schließlich entscheidet er sich, aus der Stadt zu fliehen und sich aufs Land zurückzuziehen. Doch auch dort ist das Leben keineswegs gefahrlos. Castang verpackt seine Idee in eine originelle Geschichte, die das Publikum vom ersten Moment an packt und wirklich großartig choreografierte Szenen beinhaltet, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben. (Nicole Helfrich)
RESTORE POINT
RESTORE POINT spielt in der Zukunft, wo die Menschen die Chance haben, ihren vorzeitigen Tod innerhalb einer gewissen Zeit rückgängig zu machen, allerdings nur, wenn sie ihre Gedächtnisdaten immer schön upgedatet haben. Eine Polizistin bekommt den Todesfall der Ehefrau eines der Restore-Point-Gründer und macht sich auf die Suche nach dem Mörder. RESTORE POINT leidet nicht nur unter seiner schlechten Hauptdarstellerin, sondern auch an der Länge der Story und der vordergründigen Science-Fiction, die sich auf ein Gadget stützt und außer ein paar veränderten Häuserfronten nicht viel zu bieten hat. (Nicole Helfrich)
MAD FATE
MAD FATE ist ein Film, den man gesehen haben muss, um ihn zu glauben. Ein Hellseher trifft auf einen jungen Mann, in dessen Zukunft er die Karriere als Serienmörder sieht. Nun will der – selbst ziemlich bekloppte – Hellseher alles in seiner Macht Stehende tun, um den jungen Mann von seinem düsteren Weg abzubringen, mit allen möglichen verrückten Mitteln, wobei ein Polizist den jungen Mann schon ins Auge gefasst hat. Originell, ungewöhnlich, berührende Figuren, abgefahrene und bis ins Letzte spannend inszenierte Szenen, gepaart mit großartiger Kamera – perfekte Kinomagie, unbedingt ansehen! Info: Regisseur Soi Cheang konnte uns bereits auf den diesjährigen Fantasy Filmfest White Nights mit seinem Film LIMBO begeistern.
(Nicole Helfrich)
DOGMAN
Mit DOGMAN liefert Luc Besson (u. a. LEON – DER PROFI, DAS FÜNFTE ELEMENT) ein einfühlsames Porträt eines dramatischen Rebellen. Der titelgebende Protagonist nimmt uns dabei mit in seine Welt voller Schmerz, aber auch Kampfgeist und Hoffnung. Eine besonders inszenierte Hommage an die bedingungslose Liebe von Hunden und ein Blick auf die Höhen und Tiefen des Menschseins. Im Zentrum: ein Außenseiter, der Mitgefühl erregt, aber nie Mitleid.
Bei einer Verkehrskontrolle wird Doug (Caleb Landry Jones, u. a. THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI, NITRAM) blutverschmiert und im Drag-Outfit am Steuer eines Lastwagens voller Hunde festgenommen. Beim Verhör mit Psychiaterin Evelyn (Jojo T. Gibbs, u. a. FRESH) berichtet er über seine düsteren Erfahrungen und davon, was ihn zum „Dogman“ werden ließ.
Als Kind von seinem sadistischen Vater (Clemens Schick) in einen Hundezwinger gesperrt, entwickelt Doug nicht nur eine Beziehung zu den Hunden, sondern lernt auch, mit ihnen zu kommunizieren. Sie werden seine Ersatzfamilie und sein Anker in einer Welt, die bis dahin nur grausam zu ihm war. Selbst als er befreit wird, schlägt das Schicksal zu: Eine Kugel aus dem Gewehr seines Vaters trifft ihn an der Wirbelsäule und muss wie eine tickende Zeitbombe in seinem Körper bleiben. Die Verletzung zwingt ihn zum Leben im Rollstuhl, jeder Schritt brächte ihn wortwörtlich dem Tode näher.
Im Zuge des Verhörs berichtet Doug von seinem bewegten Leben als Außenseiter, dessen einzige Gefährten stets seine Hunde waren. „Der einzige Makel an Hunden ist, dass sie Menschen vertrauen“, erklärt er pointiert. Beginnend als Dragqueen im Marilyn-Monroe-Kostüm, entledigt er sich Schicht für Schicht seiner Verkleidung, und ebenso lernt das Publikum langsam die Facetten hinter der auf den ersten Blick traurigen Figur kennen: Dougs große Passion für Literatur und Theater, die er durch seine Lehrerin und einzige romantische, aber unglückliche Liebe entdeckte. Seine Flucht in die Show-Welt eines Drag-Clubs, in der er endlich nicht nur angenommen, sondern gefeiert wird. Seine Performance als Edith Piaf ist mit so viel Hingabe und Inbrunst dargeboten, dass sie nicht nur im Film, sondern auch im Kino vielen die Tränen in die Augen treiben dürfte.
Doch Besson zeigt seinen Hauptdarsteller nicht nur verletzt und vom Leben gezeichnet, sondern auch kämpferisch. Mithilfe seiner Hunde begeht Doug Raube (die er gerne als Umverteilung des Vermögens bezeichnet) und lässt auch sonst Selbstjustiz walten. JOHN WICK lässt grüßen. Dabei sind seine Motive oft Rache oder der Schutz von Schwächeren, wodurch der Film Komponenten von guten Heist-Movies oder Rachethrillern bekommt. So balanciert Luc Besson gekonnt die Schwere und Traurigkeit des Films aus und garantiert gleichzeitig eine Vielfalt an Emotionen: Freude, Überraschung, Rührung, Mitgefühl. Dabei zeigt er seine künstlerische Handschrift, mit der es ihm immer wieder gelingt, Arthouse und Mainstream zu verbinden.
Hauptdarsteller Caleb Landry Jones liefert in DOGMAN eine starke und intensive Darbietung und zeigt besonders durch feine Mimik und kleine Gesten sein ganzes Können. Aber auch der „tierische Cast“ ist raffiniert eingesetzt: zu keiner Zeit als humorige Attraktion, sondern als loyale Gefährten, die ihm bedingungslose Liebe entgegenbringen, getreu dem Spruch „Hunde sind die besseren Menschen“.
Der Film thematisiert viele große Fragen, ohne überfrachtet zu werden. Es geht um Glauben, Akzeptanz, Liebe und die Suche nach Freiheit. Um das Überleben in einer Welt, in der oft kein Platz für Schwächlinge und Sonderlinge ist. Dass der Außenseiter gerade im Showbusiness als Dragqueen seine Zuflucht findet, ist nur eine der vielen Metaphern und Symbole im Film. Gerade am Ende setzt Besson diese auch plakativ, aber gelungen ein.
Ein intensives Kinoerlebnis, das zutiefst bewegt und den Spagat zwischen Action, Unterhaltung und Tiefgang meistert. DOGMAN feierte seine Weltpremiere im offiziellen Wettbewerb der 80. Internationalen Filmfestspiele Venedig und kann auch neben der Fantasy Filmfest-Vorführungen ab 12. Oktober im Kino angeschaut werden. (Jessica Wittmann-Naun)
„Intensive und ergreifende Parabel über Tierliebe, Kampfgeist und das Menschsein“