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Festivalbericht Summer Breeze Open Air 2018: Metal, Staub und Synthwave

Vom 15. bis 18. August 2018 schallte das SUMMER BREEZE Open Air bereits zum dreizehnten Mal durch das schöne Dinkelsbühl. Die DEADLINE war wie in den Vorjahren als Medienpartner bei einem der angenehmsten Metalfestivals Deutschlands dabei. Von den zunächst angekündigten Gewittern fehlte glücklicherweise jede Spur. Lediglich ein kurzer Regenschauer am späten Freitagnachmittag sorgte für etwas Abkühlung an dem ansonsten brutal sonnigen Festivalwochenende. Rund 40.000 Metal-Fans feierten ausgelassen mit über 130 Bands auf vier Bühnen. Davon hat sich erfreulicherweise die in diesem Jahr deutlich größere Camel Stage von einem Spielort für aufstrebende Bands zu einer dritten großen Bühne gemausert.

 

Mittwoch, 15. August 2018

Der frühe Mittwochnachmittag lässt sich mit Metalcore von ANY GIVEN DAY und Death Metal von DEATHRITE bereits musikalisch extrem bestreiten, daneben kommen Headbanger mit MONUMENT und Tanzfanatiker mit dem NIGHT FLIGHT ORCHESTRA auf ihre Kosten. Mal ganz abgesehen von der BLASMUSIK ILLENSCHWANG, die unter dem Gejohle des Publikums die neue Camel Stage einweiht.

„Born Again“ heißt das neue Album der FARMER BOYS, das im November erscheinen wird. Lange war es still um die Stuttgarter, die zuletzt 2004 mit „The Other Side“ auf sich aufmerksam machten. Die Fans haben lange und gerne gewartet und begeben sich mit der Band am Nachmittag auf eine Zeitreise, die zur Freude der Anwesenden mit „When Pigs Fly“ eingeleitet wird. Die Stimmung ist direkt gut, auch wenn leider der hingebungsvolle Gesang von Fronter Matthias Sayer ein wenig dumpf aus den Lautsprechern der T-Stage klingt. Der grinst mit den alten und neuen Bandmitglieder glücklich durchs Set, das sein Finale in einer staubigen Moshpit zu „Here comes the pain“ findet.

Willkommen zurück, FARMER BOYS.

Apropos Staub: Die anhaltende Hitzewelle hatte das Gelände in ein trockenes Ödland verwandelt, sodass nahezu jedes Tanzmanöver und erst recht eine Pit umgehend eine sandige und nicht sonderlich atmungsaktive Wolke heraufbeschwörte. Auf jedes Naseputzen folgte ein rotziger Rorschach-Test im Taschentuch. Die übliche Bewässerung des Geländes konnte aufgrund der gnadenlosen Dürre nicht durchgeführt werden, da diese einen geringen Wasserdruck im Frischwassernetzwerk der Region verursacht hatte. Wasser wurde zur Mangelware, teilweise mussten Sanitärstationen und Duschen schließen, um die Situation zu entschärfen. Für die zahlreichen Wasserstellen und Toiletten auf dem Festivalgelände verdienen Organisatoren und Helfer daher ein umso größeres Lob. Auch ein derart sauberes Infield gibt es selten zu sehen. Kompliment.

Deadline-Banner
Mama, Papa! Schaut mal, da ist ein Deadline-Banner.

Die Black Metal Isländer AUÐN haben das Pech, trotz Dach der Camel Stage in gleißender Sonne zu spielen. Das schadet der Atmosphäre, musikalisch gibt es an der soliden Darbietung allerdings wenig auszusetzen. Zugegeben lenken aber die Menschenmassen ab, die bereits in Richtung T-Stage strömen. Denn dort spielen KATAKLYSM, die den Mittwoch als Tagessieger beenden werden. Das Publikum hat unglaublich viel Bock auf die Kanadier, die die Menge ununterbrochen anheizen. Die Band fordert Circle und Crowdsurfer. Shouter Maurizio Iacono scherzt, dass die Vertreter der Security, auch „Grabenschlampen“ genannt, doch wie Wikinger aussehen und sich langweilen, da es wie bei einem Justin-Bieber-Konzert zugehe. „Give them something to do!“ Und das macht das Summer Breeze. Deathgasm!

Mittwochsgewinner KATAKLYSM.

Wenig später knallen die Schweden von RAM dem Summer Breeze old-schooligen Heavy Metal um die Ohren. An die hohe Stimme von Sänger Oscar Carlquist muss man sich gewöhnen, Fans von JUDAS PRIEST juckt das natürlich nicht. Dann ist es auch schon Zeit für SEPULTURA, die den 20. Geburtstag mit Frontman Derrick Green feiern. Noch immer gibt es Skeptiker, die mit den „neuen“ SEPULTURA nichts anfangen können. Die Band beweist an diesem Abend aufs Neue, dass es dafür keinen Grund gibt. Die Fans empfangen die Brasilianer gebührend mit einer Circle Pit. Die Show macht Spaß und teilweise gibt es so viele Crowdsurfer, dass Besucher genervt den Bereich vor der Bühne verlassen. Für charmantes Kichern sorgt der bayerische Akzent von Fronter Green, wenn er auf Deutsch zum Publikum spricht.

Ein schwarzes Meer aus Besuchern pilgert danach durch die Dunkelheit zu WARBRINGER, die aufgrund der Publikumsreaktionen auch auf der Main Stage hätten spielen können. Der Leckerbissen für die Nacht kommt aber von den Düsterveteranen PARADISE LOST. Nick Holmes‘ Gesang bleibt anfangs etwas zurück, im Verlauf des Auftritts verbessert sich die Klangkulisse und gerade die Growls kommen gut. Die Band schenkt den Fans mit einer bunt gemischten Setlist aus allen Schaffensphasen Stoff für Träume und „Forever Failure“ ist wieder einmal zum Niederknien schön.

Nick Holmes stand in diesem Jahr mit PARADISE LOST und BLOODBATH auf der Bühne.

Wer es danach noch dunkler will, taumelt mit dem scheppernden Black Metal von PILORIAN in die Nacht. Mit Acts wie EVIL SCARECROW ist aber auch der Spaßfaktor (zieht euch das Video rein) gesichert und selbstverständlich warteten echte Metaller bis 2 Uhr nachts auf ROSS THE BOSS. True Metal. Aber ebenso true spät nach so einem ersten Tag.

 

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Donnerstag, 16. August 2018

Auf dem Weg von Dinkelsbühl zum Festivalshuttle passieren wir eine aufgeregte Kindergruppe, die uns mit High Fives und „Summer Breeeeeeeeze“ Rufen begrüßt. Auf dem Parkplatz kommt man mit Einwohnern ins Gespräch. Die meisten sind mit dem Festival vertraut und freuen sich über interessierte Besucher, die am Vormittag noch ein bisschen nüchtern sind. Das späte Frühstück gibt es am Donnerstag mit den brasilianischen Thrashern NERVOSA, die sich aufgrund einer fantastischen, von Sprechchören und Circle Pits getragenen Stimmung sichtbar wohl fühlen. „You make me cry“, sagt Sängerin Fernanda Lira und lässt danach die Saiten sprechen. Eine rein weiblich besetzte Metalband ist leider noch immer exotisch. Daher ist es umso erfreulicher, dass der Großteil des Publikums nicht deswegen erschienen ist. Sondern weil NERVOSA ein verdammt fettes Brett in die Menge kloppen, die moshend im Staub bei 30 Grad Hochleistungssport leistet. Die Schlange während der Autogrammstunde der Band wird später riesig sein.

Die NERVOSA Shirts am Merch waren schnell ausverkauft.

Die Stuttgarter VENUES sind den ganzen Metallern mit ihrem poppigen Post-Hardcore doch viel zu seicht, oder? Denkste! Vor der Camel Stage ist es voll und die sympathische Band, bei der sich Shouts und Klargesang wunderbar ergänzen, freut sich über den Zuspruch des Publikums, das eifrig klatscht, aber noch etwas bewegungsfaul ist. Einen Vorwurf kann man weder VENUES noch den Zuschauern machen – es ist verdammt heiß und der Tag ist noch lang.

Jamey JASTA ist meist als Sänger von HATEBREED unterwegs, heute schaute der beliebte Schreihals mit seiner Solo-Band vorbei – wenn man das so nennen kann. Schon im Vorfeld war klar, dass er mit einigen Überraschungsgästen anreisen würde. Und die hatten es in sich und erfreuten vor allem ältere Fans. Zunächst holt JASTA den Death-Metal-Nachwuchs von UNCURED auf die Bühne, die dem Summer Breeze gekonnt HATEBREEDs Gassenhauer „Destroy Everything” um die Ohren prügeln. Dann erscheint nicht nur Sänger Howard Jones (LIGHT THE TORCH/DEVIL YOU KNOW), sondern auch FEAR-FACTORY-Riffbeast Dino Cazares on stage. Gemeinsam spielen die Jungs Hits wie „Edgecrusher“ oder „Replica“ und der ein oder andere FEAR-FACTORY-Fan dürfte sich gewünscht haben, dass diese Songs mit Burton C. Bell am Mikro auch so klingen.

Metal Best-of dank JASTA, unser Donnerstagsgewinner.

Beim nächsten Gast wachsen JASTA die Mundwinkel vor Grinsen fast hinter die Ohren, denn Kirk Windstein (CROWBAR, Ex-DOOM) ist ebenfalls am Start und donnert alles nieder. Geht da noch was? Japp. Kyle Thomas von EXHORDER stand kurz zuvor mit seiner eigenen Band auf der Bühne. Nun singt er zum Abschluss  DOWNs “Bury Me In Smoke” und JASTA kann sich vor Freude kaum Halten und filmt den Auftritt selbst mit. Da steht eine Familie auf der Bühne.

“Wir sind nachher bei CANNIBAL CORPSE und BEHEMOTH in der ersten Reihe.“ So sprechen Fans und genau das sind OBSCURA aus Bayern, die mit ihrem Technical Death Metal die Frickelfraktion bedienen. Headbangen oder mit ungläubig offenem Mund starren – das geht hier beides. Weniger technisch, aber umso druckvoller agieren die aus Abtsgmünd stammenden NECROTED. Was ein Death Metal Geballer vor beachtlichen Mosh Pits. Die gibt es auch bei MUNICIPAL WASTE und die daraus resultierenden Sandstaubwolken nehmen beängstigende Dimensionen an.

THE BLACK DAHLIA MURDER starten mit schwach abgemischtem Gesang, wie in diesem Jahr leider öfter an der T-Stage zu hören. Dafür haut die Band gnadenlos in die Instrumente und irgendwie ist es auch egal. Die zahlreichen Fans haben Lust auf Mosh, Surf, Staub und lassen sich vom belebenden Todesmetal der Amis ins Paradies dreschen.

THE BLACK DAHLIA MURDER haben genauso viel Bock wie die Fans.

Auf der Main Stage klotzen EISBRECHER mit einer fetten Bühnendeko, die die Headliner-Qualitäten der Band unterstreicht. Alexander „Alexx“ Wesselsky und seine Kollegen führen mit einem Set voller Fanfavoriten durch den Auftritt, der selbstverständlich nicht ohne Showeinlagen und Sprücheklopfen auskommt. Aber auch gewichtigere Ansagen gehören zum Programm inklusive Dank an die Festivalorganisation und eine Entschuldigung, da der Frontmann kurz zuvor das Publikum als M’era Luna angesprochen hat („Ich bin fast 50…“). Dafür gibt es dann Fankontakt in der ersten Reihe, was vor allem die Mädels freut und zum Abschluss eine CLAWFINGER Referenz.

Hey, M’era Luna 😉

Blendend ist die Stimmung auch bei den kanadischen Hardcore-Punks von COMEBACK KID, die trotz der parallel spielenden BEHEMOTH ein top motiviertes Publikum vorfinden. Circle Pit Galore!

Aber klar, der Großteil des Festivals bestaunt die polnische Ausnahmeband, die ihrem Namen auf der Main Stage alle Ehre macht und ein Biest von einem Auftritt in Dinkelsbühl entfesselt. Unglaublich, wie viele Menschen heute Abend diese krasse Mucke wollen, die durch die theatralischen Show und die dominanten Bühnenpräsenz der Bandmitglieder weiter an Druck gewinnt. Überall Fäuste und Pommesgabeln. Respekt.

They’ll tear your Soul apart.

Von der Hölle in den Himmel geht es mit einem energiegeladenen Set von ESKIMO CALLBOY. Es ist voll im Publikum, sodass zeitweise gar das moshen schwer fällt. Es ist einfach kein Platz mehr da. Hater mögen diese Band weiter verfluchen, doch die beste Party kommt heute Abend aus Castrop-Rauxel. Zum Konfetti springt das Publikum entrückt zu Beats und Breakdowns. Zum Schluss der Kalauer „MC Thunder“, den manche Zuschauer sicher heimlich mitgesungen haben.

Auf eine interessant überraschende Weise entspannend sind die brachialen Klangwelten von CELESTE. Die Franzosen treten gewöhnlich in kompletter Dunkelheit auf, die von den roten Strahlen ihrer Stirnleuchten durchschnitten wird. Auf der Camel Stage trägt zudem sehr viel dichter weißer Rauch zur Atmosphäre bei, als die Band Doom, Black Metal und Post-Hardcore zu einer hypotischen Melange vermengt, die das Publikum mehr bezeugt als wahrnimmt. „Ich habe Kopfweh, aber ich muss trotzdem bangen, weil das so geil ist“, sagt ein Besucher.

Gerade mächtig angesagt: POWERWOLF.

Nackenschmerzen vorprogrammiert sind beim Auftritt von CANNIBAL CORPSE, die ein wenig monoton, aber selbstverständlich in technischer Perfektion die Nacht zerfetzen. Das SUMMER BREEZE hat mächtig Bock darauf, sofern es nicht gerade dem von Feuerwerk begleiteten Headliner-Auftritt von POWERWOLF beiwohnt. Die Band, die mit neuem Album am Start ist, hat eine beeindruckende Bühnenkulisse aufgefahren und schmettert Hit um Hit in die begeisterte Menge. Überhaupt: Die Dichte an POWERWOLF-Shirts ist sehr hoch auf dem SUMMER BREEZE.

Nach so einem Auftritt die Main Stage abzuschließen ist ein wenig undankbar, aber die SUICIDAL TENDENCIES machen das Beste daraus  natürlich. Die Crossover-Veteranen der 1980 gegründeten Band sind fit und gehen mit viel Energie ans Werk, auch wenn bei Sänger Mike Muir manchmal für einen Sekundenbruchteil der Eindruck entsteht, dass er müde ist. Aber dann rennt er wieder über die Bühne und ruft dem Publikum die vertrauten Lebensappelle zu, bevor sich dieses in einer Mosh Pit wiederfindet.

Riesenspaß hat Bassist Ra Diaz, der bei seinem Solo in „Send Me Your Money“ ins Drumset von Dave Lombardo kracht. Das könnt ihr euch übrigens wie viele andere Konzerte vom SUMMER BREEZE beim WDR Rockpalast ansehen. Nachdem Muir bereits zu Beginn zwei Fans auf die Bühne geholt hatte, lädt er zum Ende des Sets mehr oder weniger alle ein. Das Publikum lässt sich nicht lumpen und feiert mit der Band und „Pledge Your Allegiance“. Das neue Album der Band „Still Cyco Punk After All These Years“ erscheint am 7. September, zeitgleich mit einer SUICIDAL-TENDENCIES-Schuhkollektion von Converse.

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Freitag, 17. August 2018

Einen frühen Höhepunkt am Freitagmittag bereiten die Australier NORTHLANE mit ihrem djentigen Progressive Metalcore, der mit unkonventionellen Strukturen und dem Wohlklang von Sänger Marcus Bridge gefällt. Hitze und Sound drücken um die Wette, das Stageacting von NORTHLANEs Saitenschwingern überträgt Energie und das Set lässt kaum Wünsche offen. Nice!

Batscht immer gut: MISERY INDEX.

TOXIC HOLOCAUST war zunächst das Soloprojekt von Joel Grind, der die ersten Alben komplett selbst einspielte. Die Band präsentiert ihren ohnehin schnellen Thrash Metal schnörkellos und ohne Rücksicht auf Verluste  das vergleichweise verblüffend überschaubare Publikum sehnt sich danach. Wer hier in der Menge mit dem Kopf wackelt, die Faust in den Himmel reckt oder in der staubigen Pit verschwindet, ist Fan. Beim Blick zur Main Stage fällt ein wuselnder Zuschauerstrom mit Lust auf poppige Unterhaltung auf: AMARANTHE sind da und der helle Klargesang von Frontfrau Elize Ryd schallt übers Breeze. Die schwedisch-dänische Band, die neben eben jenen poppigen Anleihen auch vor elektronischen Spielereien nicht zurückschreckt, hat jede Menge Melodien dabei und das mitsingfreudige Publikum hat jede Menge Spaß. Wer es härter und nachdenklicher mag, schaut bei MISERY INDEX vorbei, die ein mächtiges Groove-Gewitter in die Menge jagen, wo zahlreiche Headbanger aufs Heftigste das Haupt schütteln.

Dass die Camel Stage ihren Namen einem nikotinhaltigen Laster verdankt, bedarf vermutlich keiner Erklärung. Der Promo sei Dank lässt sich die Zeit in Nähe der Bühne – alles ohne Zigarette – in Liegestühlen, auf einem Hochsitz, einer Fotobox oder beim Glitzerschminken verbringen. Die Make-up-Mädels haben beim SUMMER BREEZE jedoch wenig zu tun, da der geneigte Metalhead nur bedingt glitzeraffin ist. „Beim Southside wollten das alle haben“, wie man uns erläutert. Glitzernde Vampire finden wir zwar noch immer gewöhnungsbedürftig bis doof, aber eine Schminksession später stellen wir fest, dass ein grinsendes Glitzergesicht mehr hochgezogene Augenbrauen erntet, als ein Pikachukostüm – oder eine Kutte mit fragwürdigen Patches.

Immer gut was los vor der Main Stage.

Die Aggrobolzen ANCST aus Berlin tauchen ihren Stil ins Dunkle. Blackened Crust, Blackened Hardcore, Dark Ambient, Black Metal. Ein Ungeheuer aus Blast Beats, auf das man sich einlassen muss. Entspannt feucht-fröhlich geht es bei J.B.O. zu, denen das zahlreiche Publikum wie erwartet sofort aus der Hand frisst. Doch wie so oft ist der Stilwechsel nur eine Bühne entfernt, und wer wissen will, was eine Circle Pit „David Hasselhoff Style“ ist, muss bei DYING FETUS vorbeischauen. Die sind im Vergleich zum Vortag die besseren CANNIBAL CORPSE und servieren dem Breeze eine gewaltige Death-Attacke auf die Gehörgänge, die in der Pit viel Action und noch mehr Staub auslöst.

DYING FETUS bescheren Nackenschmerzen.

Wer den „Imperial March“ aus STAR WARS schon immer einmal begleitet von einem Schlagzeugsolo hören wollte, noch dazu von einem Drummer in einer strahlend gelben Lederjacke, bekommt bei GYZE Gelegenheit dazu. Die Japaner freuen sich massig, dass so viele Leute vor der Camel Stage erschienen sind, dabei war der Auftritt zu Beginn von technischen Problemen geplagt. Bassist Aruta hatte keinen Sound. Doch dann braucht das Trio nicht lange, bis sich die Menge von jaulenden Gitarren zwischen Melodeath und Power Metal gefangen nehmen lässt und fröhlich in die Pit springt.

Unerwarteter Freitagsgewinner: GYZE haben echt Spaß gemacht.

Der lange befürchtete Regen kommt zu BEARTOOTH über das Festivalgelände. Und es juckt genau niemanden. Die US-amerikanische Band aus Columbus, Ohio, ist vielleicht selbst ein bisschen überrascht, dass der Platz vor der T-Stage nahezu so weit das Auge reicht gefüllt ist. Andererseits ist es nicht gerade leicht, die Band in Europa bei einem Konzert zu erwischen. Insofern erfüllt sich für viele Fans ein Herzenswunsch. BEARTOOTH vereinen Energie, Härte und Melodie wie derzeit kaum eine Band aus dem Core-Umfeld. Nahezu jeder Song ist ein Hit und das textsichere Publikum singt sich gegenseitig eine wohlige Gänsehaut auf die Epidermis. Auch den Metalgöttern gefällt es, die das Konzert mit einem Regenbogen krönen.

Der Exotenbonus geht in diesem Jahr in vielerlei Hinsicht an ALIEN WEAPONRY aus Neuseeland. Wer von der spielerischen Qualität der drei Teenager (!) nicht beeindruckt ist, wird spätestens bei den Texten hellhörig, die mitunter in der Sprache der neuseeländischen Ureinwohner Te Reo Māori vorgetragen werden. Verpackt in thrashigem Groove Metal wächst schon wieder Gänsehaut, wenn die schon ziemlich abgeklärt wirkenden Jungs loslegen. Der Bestand an ALIEN-WEAPONRY-Shirts am Merch sank im Anschluss rasend schnell.

Kia Ora, ALIEN WEAPONRY.

Es ist fast unerhört, wie sympathisch Matt Heafy und seine Kollegen von TRIVIUM sind. Die Reaktionen im Publikum – Wall of Death, Springen, Moshen, Klatschen – auf die beliebte Band beschreibt der Fronter in seinem charmanten gebrochenen Deutsch wiederholt als „geil.“ Daneben heißt er die Menge mit Kommentaren zum besten Auftritt der Tour an – ob das SUMMER BREEZE die Trophäre gewinnt? Als zum Abschluss des Sets bei „In Waves“ alle in die Knie gehen, um mit einem „In Waaaaaves“ Schrei gemeinsam in die Höhe zu springen, ist das zumindest für diesen Abend mehr als sicher.

Bei ARCH ENEMY fliegen die Funken nicht nur im übertragenen Sinn. Die Headliner-Show der Schweden wird von einer mächtigen Pyroshow unterstützt, die der beeindruckenden Menge vor der Main Stage zusätzlich einheizt. Fronterin Alissa White-Gluz flirtet mit dem Publikum, die Instrumentalisten begeistern mit ausladenden Solos. Mancher Fan mag „die alten Sachen“ vermisst haben. Doch wer sich anfangs über den Headliner-Slot von ARCH ENEMY gewundert hat, muss aufgrund des Publikumzuspruchs neidlos anerkennen, dass diese Entscheidung richtig war.

ARCH ENEMY mit Höhenflug als Headliner.

SATYRICON waren zuletzt vor zwei Jahren auf dem SUMMER BREEZE zu Gast und erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Kurz vor Mitternacht legen die Black Metal Ikonen los, das Publikum verfolgt es mit einer Mischung aus purer Freude und Ehrfurcht, den Satansgruß immer im Anschlag. Trotzdem muss Frontdämon “Satyr” Wongraven die Menge einige Male wachschreien. Direkt vor der Bühne artet der Sound ein wenig zu infernalisch aus. Gitarren und Gesang gehen unter der Dominanz von Bass und Schlagzeug verloren. Wo ein Solo von Drummer Frost sonst ein purer Genuss ist, halten sich nun einige Fans die Ohren zu – die Lautstärke ist immens. Leider ist es auch im hinteren Bereich vor der Bühne aufgrund eines Echos nur bedingt besser, was der besonderen Atmosphäre eines SATYRICON Konzerts insgesamt dennoch nichts anhaben kann.

Very much „Now, Diabolical“ trotz mäßigem Sound: SATYRICON.

Atmoshphärisch bleibt der Festivalablauf im Anschluss mit ALCEST und THE SPIRIT. Wo die Franzosen mit ihrem Shoegaze Black Metal dem Publikum eher hypnotische Klänge bescheren, kratzen die mit ihrem aktuellen Album „Sounds from the Vortex“ erfolgreichen Saarbrücker mit Hass an der Dunkelheit.

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Samstag, 18. August 2018

Am frühen Samstagmorgen haben die Death Metal Belgier FRACTURED INSANITY leider das Nachsehen, weil parallel CARNIFEX die Main Stage entern. Die Stimmung im Publikum ist gut, und auch auf der Bühne ist entgegen der brachialen, düsteren Musik der Kalifornier gute Laune angesagt. Der Sound könnte besser sein und die gnadenlose Hitze schlägt aufs Moshgemüt, trotzdem gibt es Circle Pits und eine ganze Armee an Headbangern. Beim nächsten Besuch auf dem SUMMER BREEZE haben CARNIFEX definitiv einen späteren Slot verdient. Für ihre zahlreichen Fans sind sie längst Headliner.

“Drown me in Blood”? Auch am vierten Festivaltag war das hitzebedingt eher Schweiß – auch dank Bands wie CARNIFEX.

Der Stilwechsel auf der Main Stage könnte nicht größer sein, wo nun BANNKREIS die Fans in selbigen ziehen. Folk oder alles, was entfernt mit Mittelalterklängen zu tun hat, ist beim SUMMER BREEZE beliebt und hier tanzen sogar die Grabenschlampen mit. Der ehemalige Motörhead-Gitarrist PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS begeistert das Publikum selbstverständlich mit Material der auf Ewig verehrten Band. Ein Höhepunkt der Show ist aber ein Rant gegen British Airways, da Campbells Bass verloren ging. „Fuck You British Airways“, dürfte die PR Manager der Airline weniger freuen als das Publikum, das erfreut die Mittelfinger reckt und danach im Freudentaumel zu „Ace of Spades“ dahinschmilzt.

Mit ganz viel Mummenschanz schmeißen FEUERSCHWANZ die Party des Tages, wo sich die Fans der unterschiedlichsten Metal-Spielarten im Publikum einfinden. Gemeinsam werden Songs wie der Titeltrack „Methämmer“ vom gleichnamigen aktuellen Album gegrölt, während Lametta durch die Luft fliegt. Die Fans klatschen, schunkeln und springen, es gibt Circle Pits und massig Crowdsurfer; Mädels in knappen Outfits motivieren das Publikum. Ein bisschen cheesy ist das Ganze, aber eben ein ganz großer Spaß.

Um einiges brutaler lässt sich der Tag mit ACRANIUS bestreiten. Die Rostocker bolzen und grunzen an der Camel Stage alles nieder, gleichermaßen packen die Finnen WOLFHEART auf der T-Stage den Knüppel aus dem Sack, um dem Festivalpublikum die Nackenmuskeln zu verkatern. Mit OMNIUM GATHERING bleibt die T-Stage direkt im Anschluss in finnischer Hand und weiterhin spannend wie charmant, denn die Jungs gehen mit großer Spielfreude zu Werk.

Japp, schön hier, macht Spaß. OMNIUM GATHERUM Schlagzeuger Jarmo Pikka.

Für das Erlebnis der anderen Art empfiehlt sich erneut die Camel Stage, wo ROLO TOMASSI poppigen Mathcore auftischen. Vertrackte Strukturen, Screams von Frontfrau Eva Spence, Breakdowns, Keyboard-Passagen – audiophile Verwirrung bester Güte. Gediegener verwöhnt werden die Lauscher kurz darauf mit KADAVER, die ihren Status in Deutschlands Musikszene auch auf dem SUMMER BREEZE wieder unter Beweis stellen.

Über die einstigen Nu-Metal-Stars PAPA ROACH hatten viele (potenzielle) Festivalbesucher vorab im Netz die digitale Nase gerümpft. „Das ist doch kein Metal, das ist doch kein Headliner, wer hört das denn noch?“ Die Band mag derartige Vorurteile kennen und lässt ihren Auftritt von einem „Fuck Papa Roach“-Intro ankündigen und das bezeugen sehr, sehr viele SUMMER BREEZE Besucher. Alle hassen PAPA ROACH? Nicht am Samstagabend, an dem das Publikum spätestens beim vierten Track „Between Angels And Insects“ vom 2000er Album „Infest“ explodiert. Eine massive Wall of Death beweist, dass auch diese Headliner-Wahl richtig war, doch es ist ebenfalls auffällig, dass gegen 21 Uhr ein Exodus zur T-Stage einsetzt. Weil da nämlich CALIBAN spielen.

Fuck PAPA ROACH?

CALIBAN sind gut aufgelegt und freuen sich über den ansteigenden Zuschauerstrom, durften sich aber auch anfangs nicht über ein mangelndes Publikum beklagen. Das deutsche Metalcore-Urgestein ist beliebt. Front-Shouter Andreas Dörner dirigiert Circle Pits und Wall of Death, lässt rudern, verlangt mehr Crowdsurfer und bekommt sie. Schöne Aktion: Zum Abschlusssong „Nothing“ gab’s T-Shirts für alle Surfer.

Bad in der Menge: Andreas Dörner von CALIBAN.

Bei den ukrainischen Senkrechtstartern JINJER platzt die Fläche vor der Camel Stage aus allen Nähten. Die Band um Frontfrau Tatiana Shmailyuk gehört eindeutig auf eine größere Bühne und das, weil die Metalcore-Kombo musikalisch überzeugt und nicht, weil eben eine Frau am Mikro singt, schreit und grunzt. Shmailyuk vereinnahmt die Band und setzt ihren Körper unterstützt vom knappen Bühnenoutfit lasziv ein. Leider missversteht das ein Großteil des männlichen, angetrunkenen Publikums und es werden „Ausziehen, ausziehen“-Rufe laut. Bei JINJER heißt es aber: Reinziehen.

JINJER: Toller Auftritt, tolle Band.

Wenn es nicht noch weitere Leckerbissen gäbe, könnten SÓLSTAFIR problemlos das SUMMER BREEZE abschließen. Anstrengende, schweißtreibende Tage liegen hinter den Festivalbesuchern, die nun runterkommen wollen. Viele sitzen mit geschlossenen Augen auf dem Boden vor der T-Stage und lauschen der isländischen Ausnahmeband ergriffen. Leider schallt wie so oft die Main Stage herüber, wo noch immer durch die 80er geglammt wird. Nichts gegen W.A.S.P., aber hier stören sie die Atmosphäre.

Nick Holmes zum Zweiten, der nach seinem Auftritt mit PARADISE LOST heute Abend deutlich böser mit BLOODBATH musiziert. Wie Zenobiten stehen die schwedischen Bandkollegen mit blutigen Make-up um ihn herum, er in der Mitte, fahl geschminkt, als ihr Priester. Das gnadenlose, oldschoolige Death-Metal-Spektakel trifft das noch immer zahlreiche Publikum mitten in die Eingeweide. Wer sonntags mit Muskelkater im Nacken nach Hause fährt, dürfte das nicht zuletzt BLOODBATH verdanken.

So, Kinners, wir kommen zum Abriss. Wir machen überhaupt keinen Hehl daraus, dass der Auftritt von CARPENTER BRUT von Anfang an einer unserer Höhepunkte war und uns ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht gerockt hat. Im Vorfeld war es spannend, wie viele Menschen sich das Konzert von Franck Huesos Synthwave-Aushängeschild ansehen würden. Der Franzose zieht seine Inspiration aus B-Movies und TV Shows, um seine Gedanken durch den Synthesizer zu jagen. Auch wenn CARPENTER BRUT genreübergreifend Begeisterung schaffen (“Carpenter Brut pays tribute to the post-hippie/pre-AIDS culture that then set the basis of electro and metal to give us a unique, violent and crazy 80s revival sound“, so der Pressetext), mag im Rahmen eine Metalfestivals Skepis angebracht sein. Erfreulicherweise tummeln sich eine Stunde nach Mitternacht noch viele Besucher vor der Main Stage. Manche haben Leuchtstäbchen dabei, sprechen scherzhaft von einem Rave, Metalheadz warten argwöhnisch mit verschränkten Armen. Dann geht es los. Und alle sind wach.

Purer Genuss: CARPENTER BRUT gewinnen den Samstag.

Live-Schlagzeug und Gitarre gleiten mit den elektronischen und extrem tanzbaren Melodien dahin und dem Publikum direkt in die Beine. Aus verhaltenem Mitwippen werden größere Schritte, während ältere Hits und Stücke des aktuellen Albums „Leather Teeth“ aus den Lautsprechern wummern. Auf einer Leinwand werden die Videoclips der Musikstücke gezeigt, die aus exploitativen Horror- und Actionfilmen zusammengebastelt sind und mitunter Eigenproduktionen sind. Ein Fest. Die absurden Szenen mit viel Blut und nackter Haut lösen im Publikum wohlige Irritation aus, ein maximales Live-Erlebnis wird geschaffen. Die Musiker erscheinen im Neonlicht eher als Silhouetten, die Kommunikation mit dem Publikum kommt ohne Worte aus und beschränkt sich auf Gesten. Das ist auch beim Finale so, das CARPENTER BRUT mit dem Cover des Michael Sembello-Klassikers einleiten, um sich dann in die Nacht zu verabschieden – sicher um einige Fans reicher.

Wer bei CARPENTER BRUT auf den Geschmack gekommen ist, darf sich für das wahrlich letzte Festivalhighlight mit PERTUBATOR auf eine weitere Genrereferenz freuen. Dazwischen lohnt jedoch ein Besuch bei ATTIC, die mit Weihrauch und Falsetto-Geschrei eine schwarze Messe abhalten und dabei KING DIAMOND huldigen. Trotz später Stunden wird hier noch fleißig mit dem Kopf geschüttelt.

Tanzen, tanzen, tanzen. PERTUBATOR krönen ein gelungenes SUMMER BREEZE 2018.

Hinter PERTUBATOR verbirgt sich der Franzose James Kent, der seine Live-Auftritte mittlerweile durch ein Live-Schlagzeug unterstützen lässt. Aufgrund technischer Probleme beginnt das Duo leicht verspätet, was angesichts der Uhrzeit von 2.30 Uhr an den Reserven des Publikums zehrt. Aber der Rest der Festivalgemeinde harrt aus und es lohnt sich. PERTUBATOR sind wie Druckbetankung aus tiefen, verzogenen Bässen mit Klangstrukturen für die imaginäre Cyberpunk-Dystopie. Musik zum Spüren, ein Rausch, der sich am besten tanzend mit geschlossenen Augen genießen lässt. Vielen Dank an das SUMMER BREEZE Team für die Buchung dieses Acts. Das nächste Mal bitte aber nicht allzu spät. (Christian Daumann)

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Weil man leider nie alles Bands sehen kann: Das war das Line-Up vom SUMMER BREEZE Open Air 2018:

Von 14. Bis 17. August wird das SUMMER BREEZE Open Air 2019 stattfinden. Der Ticketvorverkauf hat bereits begonnen. Bis zum 1. November sind Blind Tickets zum Preis von 111 Euro inklusive Camping und Gebühren erhältlich. Den ersten 10.000 Bestellungen liegt wie bereits in den letzten Jahren die kostenlose Summer Breeze DVD bei.

Vorverkaufslink: www.summer-breeze.shop
Infos: www.summer-breeze.de

Bandfotos: (c) Summer Breeze Open Air