Irgendwann, da sind wir schon fast im Finale, zerlegt Eve (Ana de Armas) ein österreichisches Gasthaus. Die Holzvertäfelung splittert genauso wie das Geschirr und die Knochen ihrer Widersacher. Das Symbol für Gemütlichkeit, für Einkehr und Gastfreundschaft hinterlässt sie blutbefleckt und unbrauchbar. Aber so ist das, wenn man eine Dorfgemeinschaft bewirtet, die aus Profikillern besteht, die es allesamt auf Eve abgesehen haben. Und durch die diese sich hindurchkämpfen muss, um den Mann zu stellen, der ihren Vater getötet hat.
In FROM THE WORLD OF JOHN WICK: BALLERINA geht es nämlich darum, dass Eve als Mädchen mit ansehen muss, wie Killer ihren Vater killen. Sie schwört anschließend Rache an dem Mann (Gabriel Byrne), der dafür verantwortlich ist und im fernen Österreich ein mittelalterliches Dorf kontrolliert, das zwar Gemeinschaft verspricht, aber auch alles umbringt, was sich ihm entgegenstellt. Oder sich von ihm abwendet. Sie lässt sich zur Killerin ausbilden und macht, was Killerinnen eben machen, wenn sie jemanden töten möchten.
Eve wird hierbei immer wieder vor die Frage gestellt, ob sie sich der Gemeinschaft anschließen möchte oder lieber Rache üben. Ob sie also als Killerin auf eigene Faust arbeiten möchte oder in das Kollektiv eintreten. Sie entscheidet sich dafür, statt nach Österreich zu ziehen, Teil der mystischen Welt des JOHN WICK-Universums zu werden – BALLERINA spielt im Prinzip während des dritten JOHN WICK-Teils. Und das ist geil.
Der Film FROM THE WORLD OF JOHN WICK: BALLERINA ist großartig. Seine Action, seine Stunts, seine Bilder, das ist alles genau das, was man von einem JOHN WICK-Film erwartet, und womöglich sogar noch ein bisschen mehr. Denn hier spielen die Macher noch mehr Trümpfe aus, hier sehen wir Elemente kämpfen, Feuer und Wasser werden mehr als Symbole für das Gute und das Böse, sie werden hier im wahrsten Sinne des Wortes aufeinanderprallen, wenn ein Wasserschlauch gegen einen Flammenwerfer antritt.
Das macht richtig Spaß, und zwar vom Anfang bis zum Ende. Das passiert auch durch die Kameraarbeit, die dynamisch und kreativ ist, ohne dass man sich verlieren würde in einer übermäßig wackeligen Kamera. Auch das Sounddesign passt, das ist alles so immersiv und wuchtig, dass man direkt mitballern möchte. Die abgedrehte Beleuchtung kennt man aus der JOHN WICK-Reihe bereits, so passt sich BALLERINA auch optisch perfekt ein. Während die Bilder meistens düster bleiben, sind sie gleichzeitig auch farbenfroh ausgeleuchtet. Die Mystik der Welt transportiert sich also auch hierüber.
Nun ist BALLERINA natürlich kein schlauer Film. Aber er ist so viel besser, als man erwarten durfte. Die gesamte Berichterstattung rund um die Produktion war geprägt von Hiobsbotschaften. Von Keanu Reeves, der andeutete, nie wieder John Wick spielen zu können. Von Nachdrehs, weil die vom Regisseur Len Wiseman abgelieferte Fassung so schlecht gewesen sei, dass Chad Stahelski, der JOHN WICK-Regisseur, selbst noch mal ranmusste. Dass dieser Actionfilm so vieles so gut machen würde, hätten wohl die wenigsten erwartet.
BALLERINA ist hohe Action- und Stuntkunst und muss sich vor der Hauptreihe nun wirklich gar nicht verstecken. Bleibt zu hoffen, dass Ana de Armas’ Knie noch lange halten. (Robert Felix Hofmann)
Wer hätte das gedacht? Die Ballerina ballert genauso laut wie John Wick.