„Murderbot ist kein Terminator“
Im Gespräch mit Alexander Skarsgård
Alexander Skarsgård, Bruder von Bill und Sohn von Stellan, hat ein Faible fürs Genrekino, besonders Science-Fiction und Horror. Dabei porträtiert er vor allem in Duncan Jones’ MUTE und Brandon Cronenbergs INFINTY POOL sozial entgleiste Charaktere. Aber auch als Tarzan oder Wikinger Amleth drückt er spielerisch herausfordernd den Kontrast zwischen Psyche und Verhalten aus.
Diesen Widerstreit dem Publikum nahezubringen, auf die Spitze getrieben und mit einem Augenzwinkern versehen, fordert auch seine Titelrolle in der zehnteiligen Serie MURDERBOT von ihm.
DEADLINE: Alexander, du bist bei MURDERBOT nicht nur Hauptdarsteller der titelgebenden Figur, sondern fungierst auch als ausführender Produzent. Demzufolge scheinst du Interesse an einer besonders intensiven Mitwirkung an der Serie zu haben. Was hat dieses geweckt?
Alexander Skarsgård: Als ich das Drehbuch las, fand ich den Hauptcharakter einzigartig und überraschend. Da hatte ich die Vorlage ALL SYSTEMS RED von Martha Wells noch nicht gelesen. Als ich zuerst den Titel las, erwartete ich eher etwas im Stil von ROBOCOP oder TERMINATOR. Ich dachte eher an adrenalin- und testosteronhaltigen Stoff, der vor allem auf die Action bezogen ist. Ich hatte wirklich Spaß daran, diesen sozial ungeschickten, Seifenopern liebenden Roboter kennenzulernen. Das war meine Eintrittskarte: Es macht immer Spaß, wenn du eine Sache erwartest, aber eine ganz andere bekommst.
Außerdem gefiel es mir, schon früh an dem Projekt mitwirken zu können: Ein Jahr bevor wir mit Drehen begannen, war ich schon dabei – was nicht üblich ist. Dadurch hatte ich Gelegenheit, mit den Schöpfern der Serie, Chris und Paul Weitz, gemeinsam die Figur schaffen zu können. Ich konnte den Charakter, seine Entwicklung und seine optische Ästhetik mitprägen, bis hin zu Kleinigkeiten wie seinem Helm und Anzug. Es war toll, nicht nur durchs Schauspielern, sondern auch darüber hinaus involviert zu sein.
DEADLINE: Spielt es für dich eine Rolle, in welcher Form dein Schauspiel am Ende veröffentlicht wird: in einer Serie oder einem Spielfilm, im Fernsehen, Streaming oder Kino, für ein weltweites oder eher eingeschränktes Publikum?
Alexander Skarsgård: Nicht wirklich. Ich denke, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die größten Autoren und Regisseure auch fürs Fernsehen und Streaming arbeiten. Die Filmlandschaft ist so unterschiedlich heutzutage, dass man sich da gar nicht auf eine Veröffentlichungsform spezialisieren sollte. Noch vor ein paar Jahrzehnten war es ja so, dass man so lange fürs Fernsehen arbeitete, bis man es endlich ins Kino geschafft hat. Diese Zeit ist natürlich vorbei.
Ich empfinde es als sehr abwechslungsreich, zwischen Kino und Serien wechseln zu können. Bei einer Serie kann ich mehr Zeit mit ein und derselben Figur verbringen, was für mich sehr bereichernd ist: Ich kann fünf bis zehn Stunden mit ihr verbringen, statt 90 oder 120 Minuten. Das empfinde ich durchaus als Privileg. Zudem musste früher die Folge einer Serie im TV entweder 30 oder 60 Minuten lang sein, da sie sonst nicht ins Programm gepasst hätte. Auch das ist heute durchs Streaming flexibler, ganz orientiert an den Bedürfnissen des Stoffes. Das bedeutet kreative Freiheit für die Autoren – die auch mir zugutekommt.
DEADLINE: Wenn wir Murderbot zum ersten Mal sehen, sehen wir nur seinen Helm und hören seine Gedanken aus dem Off. Erst später sehen wir sein – dein – „menschliches“ Gesicht. Und auch da hören wir als Zuschauer vor allem seine Gedanken. Wie habt ihr das beim Dreh umgesetzt? Hast du seine Gedanken, wenn du den Helm trugst, laut ausgesprochen, sie dir nur vorgestellt, wurden sie vorgelesen oder überhaupt erst im Nachhinein festgelegt?
Alexander Skarsgård: Bei den Dialogen habe ich natürlich den Text laut gesprochen, ob mit oder ohne Helm, damit die anderen Schauspieler darauf reagieren konnten. Bei den Gedanken kam es auf die Szene an, was wir gerade brauchten, und das konnte sich von Tag zu Tag verändern. An manchen Tagen stellte ich mir seine Gedanken nur vor, um sie für mein Spiel interpretieren zu können. Wenn wir das Gefühl hatten, dass es für die anderen Schauspieler hilfreich sein würde, seine Gedanken zu hören, ließen wir jemanden am Set sie laut vorlesen – das war aber eher selten. Manchmal nahmen wir uns dafür eine Pause, das konnte aber auch das natürliche Tempo der Szene beeinträchtigen, deswegen machten wir das kaum. Beim Dreh war es wichtig, möglichst viele Nahaufnahmen von mir zu haben, damit wir genug Material hatten, um darauf später den Text mit den Gedanken meiner Figur legen zu können.
Die verschiedenen Gedanken- und Ausdrucksebenen der Figur waren genau das, was mich an ihr so gereizt hat. Es hat großen Spaß gemacht, einen Charakter zu spielen, der nach außen hin zwar wenig preisgibt, im Inneren jedoch ständig von Extremen und unzähligen Abwägungen bewegt ist. Das möglichst dynamisch und interessant für das Publikum darzustellen, war mir eine willkommene Herausforderung. Es geht um die Spannung zwischen dem, was er denkt, und dem, was er tatsächlich tut.
DEADLINE: Murderbot ist extrem unsicher und unerfahren in zwischenmenschlichen Beziehungen, scheut Augen- und körperlichen Kontakt. Du dagegen bist ein weltberühmter Schauspieler, gewandt in der Kommunikation, beliebt, wirst von deinem Umfeld meist mit offenen Armen empfangen und trittst besonders im physischen Spiel sehr souverän auf. Wie konntest du dich auf deine Figur einstellen, die scheinbar in starkem Kontrast zu dir selbst zu stehen scheint? Worin liegen vielleicht für dich soziale Herausforderungen?
Alexander Skarsgård: Ich bin natürlich nicht so soziophob wie Murderbot, kann mich jedoch sehr gut darin hineinversetzen, wie es ist, in einem Raum mit einer Gruppe von Fremden zu sein. Ich kann mir durchaus vorstellen, wie es sich anfühlt, sich zu wünschen, zu verschwinden oder eins mit der Wand zu werden. Unsicherheit und das Abwägen, wie ich mich in ein Gespräch einbringen kann, sind mir auch vertraut – oder ich kann mich dahin projizieren. Ich denke, bei uns allen gibt es einen gewissen Kontrast zwischen dem eigenen inneren Monolog und wie wir von außen wahrgenommen werden wollen – und wie wir es wirklich werden.
Wenn wir jemanden zum ersten Mal treffen, wollen wir ihm unsere beste Seite zeigen. Wir machen uns wirklich Gedanken und planen unseren Auftritt. Ich bin extrovertierter als Murderbot, aber kann sein Unbehagen sehr gut nachvollziehen.
DEADLINE: Als Murderbot spielst du einen Roboter mit künstlicher Intelligenz, der auf die Menschen blickt. Hast du in der Rolle eine besondere, vielleicht neue Perspektive auf menschliches Verhalten einnehmen können?
Alexander Skarsgård: Menschen können sehr starsinnig, albern und auf Banalitäten fokussiert sein. Genau das sind die Aspekte, die Murderbot auffallen. Zum Glück bin ich nicht verstört in Bezug auf jede Form von psychischer und physischer Intimität, wie es Murderbot ist. (lacht) Aber ich hatte großen Spaß daran, mich wie Murderbot darauf zu fokussieren, wie kindisch und trivial der Mensch manchmal ist und wie er sich zuweilen auf das am unwichtigsten erscheinende Element konzentriert.
DEADLINE: Könntest du dir vorstellen, mit einer künstlichen Intelligenz zusammenzuleben oder -arbeiten? Würdest du mit ihr gut auskommen?
Alexander Skarsgård: Ich bin nicht sicher. Irgendwie schon, denke ich. Die Technologie ist schon so weit, dass jeder von uns den idealen, maßgeschneiderten Partner mit künstlicher Intelligenz haben könnte. Dein Roboter würde ganz anders aussehen und funktionieren als meiner, und wir würden sie wohl jeweils sehr nah an uns heranlassen. Sie würden perfekt reflektieren, was wir wollen und brauchen in Bezug auf einen Begleiter. Sie wären wohl der perfekte Partner, Freund oder Psychologe – was auch immer.
Wer weiß, was in sechs Monaten ist. Diese rasend schnelle technische Entwicklung finde ich faszinierend und beängstigend zugleich. Wenn es auf keine Art und Weise reguliert wird, können wir kaum abschätzen, was sich hinter der nächsten Ecke diesbezüglich verbirgt, welches Eigenleben es entwickeln kann. Es macht mir durchaus Angst, wenn ich mir anhöre, was Experten in diesem Bereich zu sagen haben. Einige von ihnen machen sich große Sorgen über die fehlende internationale Regulierung. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, und künstliche Intelligenz wird unsere Zukunft bestimmen, das ist sicher. Aber wir sollten sehen, dass wir Vorteile durch sie erlangen – und nicht umgekehrt.
DEADLINE: Womit wir wieder beim eingangs erwähnten TERMINATOR wären. Vielen Dank für das Interview!
Interview geführt von Leonhard Elias Lemke
MURDERBOT IST HIER BEI APPLE+ ZU SEHEN!