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INTERVIEW MIT DR. BRAIN-REGISSEUR KIM JEE-WOO (JETZT AUF APPLE TV+)

DIE REISE INS ICH

 

Im Gespräch mit DR. BRAIN-Regisseur Kim Jee-woo

 

Seit dem 4. November läuft auf Apple TV + die südkoreanische TV-Serie DR. BRAIN. In der von Regiemeister Kim Jee-woo (Bittersweet Life, I SAW THE DEVIL, THE LAST STAND) inszenierten Serie dreht sich alles um den genialen Neurowissenschaftler Sewon Koh, der eine Maschine entwickelt hat, dank welcher er Erinnerungen von einem Hirn in ein anderes übertragen kann. Beruflich ein Genie, ist Sewon Koh im Privatleben jedoch ein Sozialkrüppel, der seine Familie stets vernachlässigt hat. Zu kitten gibt es da nichts mehr, da eine Tragödie den kleinen Sohn das Leben gekostet hat und die Frau nach einem Selbstmordversuch im Koma liegt. Dass alles jedoch nicht so ist, wie es scheint, erweist sich, als Sewon Koh sich einem Selbstversuch unterzieht und sein Gehirn mit dem eines kürzlich verstorbenen Mannes koppelt. Die Folge: merkwürdige Visionen und der Verdacht, dass sein Sohn noch lebt. Dass dies jedoch nur die Spitze des Eisberges ist, das stellt sich bald schon heraus. Und mehr soll und darf an dieser Stelle über die Handlung von DR. BRAIN nicht verraten werden, die sich ungemein wendungsreich irgendwo zwischen Mystery, Thriller, Horror, Action und schwarzem Humor ansiedelt – und bis zum Schluss mit vielen Überraschungen aufwartet. DR. BRAIN sollte man möglichst ohne große Vorinformationen genießen, weswegen wir in unserem Interview mit Kim Jee-woo auch darauf geachtet haben, keine Handlungsdetails und Überraschungen vorwegzunehmen.

 

DEADLINE: Mit DR. BRAIN hast du dich zum ersten Mal in deiner Karriere an eine TV-Serie gewagt. War es schon immer dein Wunsch, dich neben Kinoproduktionen auch an der Konzipierung und Inszenierung einer Serie zu versuchen, oder wie ist es zu diesem Wechsel ins TV-Segment gekommen?

Kim Jee-woon: Ich wollte mal was Neues versuchen. Für mich war dies ein Schritt, der mich einerseits sehr nervös gemacht hat, andererseits jedoch auch in Aufregung versetzt hat angesichts der ungewohnten Erfahrung, die mich erwarten würde.

 

DEADLINE: Inwiefern war es für dich eine ungewohnte Erfahrung, an einer TV-Serie zu arbeiten?

Kim Jee-woon: Das Zeitmanagement der Dreharbeiten ist viel enger gefasst als bei einer Kinoproduktion. Ich sah mich gezwungen, in einer für mich ungewohnt kurzen Zeit viel Material zu drehen. Eine Serie zu drehen ist viel dynamischer, als einen Film fürs Kino zu realisieren.

 

DEADLINE: DR. BRAIN basiert auf dem gleichnamigen und in Südkorea ungemein erfolgreichen Webtoon. Was genau gefällt dir an der Vorlage, dass du dich dazu entschieden hast, sie als Serie zu adaptieren?

Kim Jee-woon: Mir gefällt daran, dass inhaltlich und grafisch eine einmalige Geschichte erzählt wird. Eine Geschichte, die einerseits Elemente des Film Noir beinhaltet, ein Genre, welches ich sehr liebe. Andererseits gibt es auch Thrillerelemente zu entdecken. Und dann wäre da noch der Aspekt, dass man zusammen mit dem Hauptprotagonisten die Möglichkeit erhält, die Gedankenwelt anderer Menschen zu erkunden. Am Ende hat mich jedoch hauptsächlich daran angesprochen, dass es in der Geschichte vor allem darum geht, wie der Hauptprotagonist von anderen Menschen gesehen wird – es geht um Perspektiven und Wahrnehmungen. Ich habe mir gedacht, dass man daraus gut eine Serie über Selbsterkenntnis und persönliche Veränderungen machen kann – wie es einem gelingen kann, ein besserer Mensch zu werden. Ich habe daher die Geschichte des Webtoons für die Serie verlängert – meine eigene Interpretation davon erschaffen.

 

DEADLINE: Wie wichtig war es dir während der Arbeit an der Serie, eine universell verständliche Geschichte zu erzählen, die auch vom westlichen Publikum problemlos goutiert werden kann?

Kim Jee-woon: Ich habe mir keine Gedanken über ein spezifisches Publikum gemacht. Meiner Meinung nach ist die Geschichte universell verständlich und nicht an eine kulturelle Prägung gebunden – ein jeder kann sich darin wiederfinden. Ein jeder möchte doch die Möglichkeit haben, die Gedanken des anderen erfassen zu können. Egal ob in Südkorea oder im Westen, dieser Wunsch lässt sich überall finden.

 

DEADLINE: Inwiefern bist du dir dessen bewusst, dass du im Westen eine nicht zu unterschätzende Fanbase hast, die sich auch DR. BRAIN ansehen wird?

Kim Jee-woon: Ich war in der Vergangenheit schon oft im Westen unterwegs, als Gast bei Filmfestspielen usw. In diesem Zusammenhang habe ich auch viele Leute getroffen, die meine Arbeit verstehen und wertschätzen. Ich bin mir somit durchaus bewusst, dass ich auch im Westen Fans haben, die auf DR. BRAIN warten.

 

DEADLINE: Wie in vielen deiner vergangenen Werke arbeitest du auch in DR. BRAIN mit einem wilden Mix aus verschiedensten Elementen. Woher kommt diese Lust am Spiel mit diversen Genres?

Kim Jee-woon: Ich gehöre einer Generation von Filmemachern an, die mehr als nur Handwerker und Künstler sind. Wir sind Cinephile, die allesamt offen sind für Einflüsse und das Vermischen von Einflüssen. Für uns gibt es kein Genre an sich, sondern nur Hybrid-Genres, die uns alle Möglichkeiten offenlassen. Ich liebe es, mich zwischen den Genres zu bewegen und damit zu arbeiten. Bei DR. BRAIN ist die erste Episode z. B. eher Mystery, während die zweite dem Horrorgenre zugeordnet werden kann. In späteren Episoden gilt es dann, sich auf Action- und Thrillerelemente gefasst zu machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Mix die Serie aus der Masse der Konkurrenz hervorstechen lässt, und hoffe, dass die Zuschauer dies auch goutieren werden.

 

DEADLINE: Südkoreanische TV-Serien erfreuen sich mehr und mehr einer starken Beliebtheit im Westen. Wie erklärst du dir das?

Kim Jee-woon: Ich glaube, wir haben in Südkorea ein sehr gutes Verständnis für Ideen, die das Potenzial haben, über die Landesgrenzen hinaus ein Publikum zu finden. Auch können wir sehr schnell auf aktuelle Strömungen reagieren und somit den Markt zeitnah mit entsprechenden Serien bedienen – wir sind sehr dynamisch in unserer Arbeitsweise.

 

DEADLINE: Und als letzte Frage noch eine zu deinem bislang einzigen Hollywood-Film, dem mit Arnold Schwarzenegger besetzten Actionfilm THE LAST STAND. Wird dieser Film deine einzige Hollywood-Produktion bleiben, oder hegst du die Ambition, in naher Zukunft wieder in den USA zu drehen?

Kim Jee-woon: Ich halte mir alle Optionen offen – es hängt davon ab, was für Projekte mir angeboten werden. Aktuell ist es so, dass meine südkoreanischen Filme alle auch weltweit wahrgenommen werden, weswegen die Arbeit in Hollywood mir nur bedingt einen Vorteil bringen würde. Ich denke, die südkoreanische und die US-amerikanische Filmindustrie werden in Zukunft mehr und mehr miteinander verwachsen – es wird zu starken Kooperationen kommen.

 

Interview geführt von Nando Rohner

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