IM WESTEN NICHTS NEUES von Regisseur und Drehbuchautor Edward Berger startete am 29. September bundesweit in ausgewählten Kinos und am 28. Oktober 2022 weltweit auf Netflix
Wir trafen uns Ende September mit Edin Hasanovic und Albrecht Schuch bei der Premiere in Berlin!
INTERVIEW MIT EDIN HASANOVIC

DEADLINE: Wie war es, den Film zum ersten Mal zu sehen?
Edin Hasanovic: Wir Schauspieler hatten die Möglichkeit, ihn hier in Berlin zu sehen, nur wir. Wir waren ziemlich aufgeregt, hatten nicht gut geschlafen, weil IM WESTEN NICHTS NEUES so ein großes Projekt und der Dreh so eine intensive Zeit war. Wir haben ein Foto davor und eins danach gemacht, und da ist schon ein sehr großer Unterschied zu sehen. (lacht) Wir konnten danach auch eine halbe Stunde nicht miteinander reden, sondern haben uns nur umarmt.
Der Film hat uns ganz schön mitgenommen, und ich denke und hoffe, dass es den Zuschauern genauso geht.
DEADLINE: Kann ich nur so weitergeben! Das ist ja eine sehr intensive Rolle, die du da spielst, wie sah da die Vorbereitung aus, seelisch sowie körperlich?
Edin Hasanovic: Die Vorbereitung war vor allem körperlich, wir hatten ein Bootcamp, wo wir mit den Stuntmenschen in Prag trainiert haben, Fitness und körperlicher Natur, kriechen, wie Soldaten reden, wie schnell man sich eine Gasmaske aufsetzen kann. Meine Rolle ist halb blind in diesem Film, mir wurde dazu auch eine Linse ins Auge gesetzt, die mich wirklich halb blind gemacht hat. Da musste ich dann immer von anderen durchs Set geführt werden. Felix (Kammerer) erzählt immer: „Wenn’s scheppert im Hintergrund, versucht der Edin wieder, allein durchs Set zu gehen.“ Ich hatte diesen dreidimensionalen Blick eben nicht. (lacht)
DEADLINE: Den Schlamm lieben lernen, sozusagen?
Edin Hasanovic: Ja, genau! Wie waren ja auch jeglichen Naturumständen ausgeliefert. Kalt, heiß, Schnee, Wasser … Das war einfach heftig. Aber das war nichts im Vergleich dazu, was z. B. Felix machen musste.

DEADLINE: Würdest du auch sagen, dass das die größte Herausforderung war: das Körperliche?
Edin Hasanovic: Nein, würde ich nicht sagen. Meine Rollen sind generell sehr körperlich, ich mag das. Die größte Herausforderung war das Thema. In den zwei Wochen haben wir das alles als berufliche Herausforderung gesehen, und dann irgendwann gingen uns diese Puppen, diese Leichenpuppen um uns herum, plötzlich nah. Wenn du jeden Tag von Blut und Leichen umgeben bist, geht dir das plötzlich nah, und du kannst dich gar nicht dagegen wehren.
Wir haben dann irgendwann darum gebeten, dass diese Puppen nicht am Maskenmobil präpariert werden. Du fängst morgens um sechs Uhr an, und das Erste, was du siehst, ist DAS, und das Letzte, was man am Abend sieht, ist DAS … Deswegen würde ich sagen, dass das die größte Herausforderung war: sich jeden Tag mit Krieg und Tod zu beschäftigen.
DEADLINE: Das muss intensiv gewesen sein.
Edin Hasanovic: Ja, der Körper wehrt sich einfach dagegen, möchte einfach nicht mehr in der Nähe sein. Es geht ihm nah, so viel Tod um sich herum zu sehen.
DEADLINE: Dein Charakter hat ja einen ziemlich unerreichbaren Traum. Wenn du diesen Konflikt und deinen Charakter in einem Wort oder Satz beschreiben könntest, was würdest du sagen?
Edin Hasanovic: (überlegt lange, atmet tief ein) Ich denke, Tjaden ist … ich glaub, er ist robust. Ich finde ihn sehr robust. Er ist sich bewusst, wo er sich seine Kraft herholt. Es gibt eine Szene am Anfang, wo alle in einen Bunker rennen. Und Tjaden sitzt dort einfach nur fast meditativ, hat die Augen zu und weiß sich seine Energie einzuteilen.
Er hat die Augen zu und weiß: Wir werden gerade angegriffen. Ich nutze diese Zeit, um zu atmen, und bin ruhig, gehe gleich wieder raus. Nutze also jede Sekunde für kleine „Power Naps“. Und deswegen finde ich ihn sehr robust.
DEADLINE: Hast du in Eigenvorbereitung auch selbst Kriegsfilme geschaut, zur Inspiration oder Ähnlichem?
Edin Hasanovic: Ach, ich bin gar nicht so der „Kriegsfilmgucker“. Ich spiele da einen Charakter, da hole ich mir lieber aus meinem Leben Inspiration, wie zum Beispiel von jemandem, der da in sich reinschaufelt.
DEADLINE: Da du ja viel aus deinem Körper heraus spielst: Tjaden hat ja sehr einen eigenen Kopf. Nimmst du dann für dich als Schauspieler viel von den anderen ab, oder schaffst du eher Distanz?
Edin Hasanovic: Tjaden ist jemand, der die Autorität voll akzeptiert, er fügt sich da ja auch gerne ein. Er hat akzeptiert, dass andere die Denker sind. Ich habe die Kraft, ich mache, was du sagst, ich kämpfe. Und ich- kann gar nicht alleine spielen, ich versuche mich immer mit dem Team oder den Kollegen zu connecten.
DEADLINE: Dann zur letzten Frage: Wie gut tat bei so viel Schlamm und Schmutz die Dusche am Abend?
Edin Hasanovic: Oh ja, sehr! (lacht) Allein, weil sie warm war und weil sie nicht nur den äußerlichen Sauberkeitsfaktor hatte, sondern auch, weil man das Gesehene und Erlebte vom Tag abwäscht. Ins warme Bett …
Und ich will da noch mal sagen: Es ist vermessen, das mit echtem Krieg zu vergleichen. Wir haben viel gesehen, und es war anstrengend, und sah auch aus wie Krieg, aber wir waren eben nicht realer Todesangst ausgesetzt. Es war warm, und wir konnten uns jeden Abend ins weiche Bettchen legen. Man muss deswegen immer dazusagen, dass es niemals so schlimm sein kann wie echter Krieg, egal wie anstrengend das alles war. Wenn die Kameras nicht da wären, erinnert eben nichts mehr an das Jahr 2022 und ein Filmset, sondern daran, dass es damals eben so aussah. Und deswegen war die Dusche am Abend so verdammt wichtig.
DEADLINE: Schön gesagt, vielen Dank für das Interview.
Interview geführt von Simon Greichgauer
INTERVIEW MIT ALBRECHT SCHUCH

DEADLINE: Das Zentrum des Films bildet ja die Chemie der Truppe von euch „Jungs“. Wie sah da die Gruppenvorbereitung aus?
Albrecht Schuch: Das war tatsächlich keine große Herausforderung. Glücklicherweise. Das spricht natürlich für das großartige Casting. Es war Coronazeit, und wir hatten das Glück, uns zu haben.
DEADLINE: Im Buch ist dein Charakter ja nicht sonderlich klar ausformuliert, war es schwer, sich das eigens zu erarbeiten?
Albrecht Schuch: Ja, aber man kann sich ja inspirieren lassen von anderen Charakteren aus der Vorlage. Ich habe aber auch viele Briefe aus der Zeit gelesen, Dokumentationen geschaut und dadurch einen relativ guten Eindruck von den Zuständen bekommen.
DEADLINE: Was war dort die größte Erkenntnis? Was konntest du für deinen Charakter am besten verwenden?
Albrecht Schuch: Na, dass sie im Kern nicht anders sind als du und ich, sie aber andere Zustände haben. Es verblüfft doch, dass, wenn man etwas historisch betrachtet denkt, man mit alldem nichts zu tun hat. Das ist eine Schwarz-Weiß-Zeit, die wir uns da angucken, und deswegen sind die Menschen auch anders. Aber sie wirken nur anders, weil die Kamerabilder einfach abgehackter sind. Mir ist das zumindest immer passiert. Aber eigentlich sind die Menschen gleich und leben einfach nur in unterschiedlichen Zuständen der Welt.

DEADLINE: Der Film stellt ja in seiner Inszenierung immer wieder Kugelhagel und Naturaufnahmen gegenüber. Inwiefern habt ihr darüber gesprochen? Und was konntest du für deinen Charakter aus dieser Diskrepanz mitnehmen?
Albrecht Schuch: Die Diskrepanz ist immer, was ist zu Hause in der Heimat, und wie muss ich das verstecken, dort im Krieg. Das ist ja auch immer ein Thema für all die Soldaten, die wir beleuchtet haben im Film, dass sie, sobald sie an zu Hause denken, an das, was sie lieben … dass sie dadurch zu weich werden und es ihre tierischen Instinkte überdeckt. Dadurch sind sie eine leichtere Zielscheibe. Deswegen versuchen sie zu verdecken. Die Liebe zur Frau, der Familie, das alles auszumerzen. Diesen „wund“ machenden Punkt zu verstecken, zu versiegeln. Das führt natürlich in Kombination mit dem Abschlachten von Menschen zu einer Verrohung, die, egal ob man überlebt oder nicht, zur Zerstörung führt.
Diese Zerstörung wird ja auch weitergegeben, wird vererbt. Die kriegen wir mit, weil wir mit Menschen konfrontiert sind, die Hass erlebt haben oder die daraus Hass ziehen. Die emotional verkümmert sind. Und all das landet irgendwann bei uns.
DEADLINE: Das ist ja auch die interessante Frage: Sind wir alle dazu fähig, wenn es die Umstände erfordern?
Albrecht Schuch: Sind wir. Jeder hat das Zeug, zum Biest zu werden. Nicht nur dann, wenn man gezwungen wird. Nicht nur dann, wenn man mit Propaganda dazu überredet wird. Nicht nur dann, wenn verkümmerte Menschen darüber entscheiden, andere abzuschlachten.
DEADLINE: Ich habe gerade mit Edin (Hasanovich) über die Körperlichkeit seiner Rolle gesprochen. Bist du auch eher körperlich an deine Rolle herangegangen oder mehr mit der Psyche?
Albrecht Schuch: Sowohl als auch. Aber hier besonders mit einem körperlichen Fokus. Weil er ja auch ein Mensch ist, der eher mit wenig Worten hantiert, sehr naturverbunden ist, mit den Gezeiten verbunden ist. Und im Gegensatz zu mir als Großstädter auch handwerklich begabt ist und eben nicht zu sehr mit dem Kopf arbeitet, sondern eher mit seinen Instinkten und Impulsen.
DEADLINE: Wie begreifst du den Kriegsfilm als Genre?
Albrecht Schuch: Was in Kriegsfilmen zu oft passiert, ist, dass dort eine Art von Abenteuerlust entsteht. Und diese wird zu selten kritisch hinterfragt. Was ich sagen will, ist, dass es im Film leider oft passiert, dass, ob gewollt oder nicht, durch diese bombastischen Bilder, diese seltsamen Heldenfiguren ein falscher Eindruck erzeugt wird. So eine Heldenhaftigkeit … dass man angeblich als besserer Mensch daraus hervorgeht. Das letzte Beispiel dafür ist 1917, der unglaublich beeindruckend ist, aber eben auch den Eindruck erweckt: Das macht schon irgendwie Spaß, ich fühle mich fast wie in einem Computerspiel.
DEADLINE: Wie gut tat die Dusche am Ende des Drehtags?
Albrecht Schuch: Die war immer wichtig. Nicht nur, um den Dreck runterzukriegen, sondern auch, um die Ereignisse des Tages abzuwaschen, zu reduzieren.
DEADLINE: Vielen Dank für das Interview.
Interview geführt von Simon Greichgauer