EVIL VS EVIL
Interview mit LITTLE BONE LODGE-Regisseur Matthias Hoene
Der in Deutschland geborene Matthias Hoene stand uns vor elf Jahren schon einmal Rede und Antwort – damals für den immer noch sehenswerten Zombiespaß COCKNEY VS. ZOMBIES. Mit LITTLE BONE LODGE präsentiert er nun einen fiesen und wendungsreichen Thriller, in welchem nichts so ist, wie es der Anschein hat. Wir haben uns mit ihm über den sehr gelungenen Film unterhalten. LITTLE BONE LODGE ist jetzt via Dolphin Medien z. B. hier erhältlich! Ein Review könnt ihr unten lesen.
Deadline: Elf Jahre ist es her, seit wir uns über deinen ersten Film COCKNEY VS. ZOMBIES unterhalten haben. Gib uns doch bitte einen kurzen Überblick, was du in den vergangenen Jahren so erlebt hast.
Matthias Hoene: Ich habe nach COCKNEY VS. ZOMBIES ein Drehbuch zu einem Science-Fiction-Film verfasst. Den wollte ich eigentlich in Deutschland drehen, wo man mir aber gesagt hat, dass das nichts werden würde. Ich ging deswegen damit in die USA, wo ich das Drehbuch an Fox verkaufen konnte. Damals dachte ich, dass das mein nächster Film werden würde. Wie so viele Filmemacher vor mir dachte ich, dass das Studiosystem und ich gut miteinander auskommen würden. Doch wie das so ist, wenn ein großes Studio involviert ist, kam es zu Verzögerungen, weswegen das Drehbuch bis heute nicht verfilmt wurde. Dank des Projektes wurde dann jedoch Luc Besson auf mich aufmerksam. Er gab mir ein Budget von 30 Millionen und die Möglichkeit, in China The Warriors Gate zu drehen. Der Film wurde dann leider nur sehr klein veröffentlicht, hat aber trotzdem auf IMDb immer noch eine recht gute Bewertung. Ich bin auch immer noch sehr zufrieden mit dem Film – und es war eine tolle Erfahrung in den legendären Studios in China mit einer Hongkong-Action-Crew zu filmen.
Deadline: Nach THE WARRIORS GATE hast du dir sehr viel Zeit für deinen nächsten Film LITTLE BONE LODGE gelassen. Ein Film, der zweifellos keine 30 Millionen gekostet hat. Handelt es sich dabei um eine bewusste Rückbesinnung auf den Independentfilm?
Matthias Hoene: Damals, da habe ich THE WARRIORS GATE meinem Agenten gezeigt. Er sagte mir, dass mein nächstes Projekt was Großes werde: etwas von STAR WARS, MARVEL oder DC. Ich sollte keine Projekte mit einem Budget unter 100 Millionen annehmen. Am Ende wurde daraus jedoch leider nichts, und so kam es zu LITTLE BONE LODGE, dessen Idee ich mit Neil Linpow entwickelt habe. Wir haben uns dafür von Filmen wie MISERY oder auch BLUTRACHE – DEAD MAN´S SHOES inspirieren lassen. Wir wollten einen düsteren und abgründigen Film machen, der jedoch mit einem Twist aufwartet, den man so nicht kommen sieht. Für mich bot sich dadurch die Möglichkeit, eine gute Story mit guten Schauspielern zu erzählen. Ich wollte einen atmosphärischen Film drehen, der schnell undemotional auf den Punkt kommt.
Deadline: Das Konzept von LITTLE BONE LODGE lässt sich am besten mit Evil vs. Evil umschreiben. Etwas Böses trifft auf etwas viel Böseres. Was genau gefällt dir an diesem Konzept?
Matthias Hoene: Ich mag im Allgemeinen Underdogs. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich in Berlin aufgewachsen bin, wo es viele Underdogs und Leute gibt, die sich ohne viel Geld durchs Leben schlagen müssen. Sie kämpfen sozusagen gegen die Gesellschaft an, um sich ihre eigene Zukunft aufzubauen. Für mich als Filmemacher sind dabei vor allem die moralischen Grauzonen interessant, die solche Figuren einem bieten. Ich mag es, damit zu spielen. Es dem Zuschauer nicht immer leicht zu machen, seine Sympathien und Emotionen an die entsprechenden Figuren zu verteilen. In LITTLE BONE LODGE sind im Grunde alle Figuren schlecht oder böse, jedoch versteht man bei allen auch, warum.
Deadline: Eine gute Überleitung zu Joely Richardson, die als Mama in LITTLE BONE LODGE eine richtig starke Performance abliefert. Wie bist du auf sie als Hauptdarstellerin gekommen?
Matthias Hoene: Bei einer Schauspielerin wie Joely Richardson kannst du kein normales Casting machen. Dafür ist sie zu bekannt. Ich bin seit EVENT HORIZON ein Fan von ihr und wusste, dass sie sehr gut starke Frauenfiguren spielen kann. Ich habe ihr deswegen das Drehbuch zukommen lassen, und sie zeigte sich glücklicherweise daran interessiert. Wir haben uns über die Rolle unterhalten: Sie war deswegen davon fasziniert, weil sie auf der einen Seite die perfekte Mutter, auf der anderen jedoch auch etwas unbeschreiblich Böses spielen kann.
Deadline: Wie lange habt ihr an LITTLE BONE LODGE gedreht?
Matthias Hoene: Wir haben 20 Tage gedreht. Die Außenaufnahmen in Schottland habe ich selbst gedreht, der Rest wurde auf einer alten und noch funktionierenden Farm gedreht. Das Haus ist über 100 Jahre alt und verfügt dementsprechend über eine ganz spezielle Atmosphäre, die wir selbst auch sofort gespürt haben. Die Arbeit mit der Crew und den Darstellern war super – wir alle haben uns gut verstanden. Sehr schön war es auch, wie sich viele der Darsteller vollständig in ihre Rollen hineinversetzt haben und darin regelrecht aufgehen.
Deadline: Ist LITTLE BONE LODGE für dich nun der Film, der dich als Filmemacher sozusagen definiert – vorgibt, wie du in Zukunft wahrgenommen werden möchtest?
Matthias Hoene: Ja und nein. Ich möchte mir alle Möglichkeiten offen lassen. Ich möchte manchmal was Hartes und Düsteres drehen, aber auch einfach nur leichte und lockere Kost, wenn es sich ergibt.
Bemerkung am Rande: Den sehr atmosphärischen und gelungenen Soundtrack zum Film gibt es übrigens auf Vinyl, er kann unter folgendem Link bestellt werden:
https://christophercarmichael.greedbag.com
Interview geführt von Nando Rohner
LITTLE BONE LODGE-REVIEW
Ein einsamer Bauernhof mitten im englischen Nichts. Ein dunkler Abend, ein schwerer Sturm. Eine kleine Familie, die dort lebt: Mama, die den Hof alleine führt, da ihr Ehemann nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt, und die gemeinsame Tochter Maisy. Mama hat dafür gesorgt, dass der Hof im Sturm sicher ist, alles ist abgesperrt, die Familie sitzt gemütlich im Wohnzimmer, um Geburtstag zu feiern. Da sind von draußen verzweifelte Schreie zu hören: zwei junge Männer, einer nach einem Unfall schwer verletzt und blutend am Boden, der andere verzweifelt um Hilfe für seinen Bruder bittend. Mama zögert, kann dann aber doch nicht anders, als die beiden ins Haus zu lassen. Sie leistet gekonnt Erste Hilfe, da sie früher als Krankenschwester gearbeitet hat, kein Problem. Nachdem der Verletzte, Jack, versorgt ist, kümmert sie sich auch um dessen verstörten jüngeren Bruder Mattie, der von einem Autounfall erzählt. Mama misstraut ihm und seiner Geschichte jedoch. Zu Recht. Denn als Jack zu sich kommt, nimmt das Unglück seinen Lauf. Die Familie wird zu Gefangenen der Brüder. Oder doch nicht?
Ein Home-Invasion-Thriller, wie man ihn schon oft gesehen hat: die Familie im einsamen Haus, dazu die gefährlichen Eindringlinge. Genau diesen Anschein erweckt LITTLE BONE LODGE auch. Aber nur im ersten Moment. Denn noch bevor die beiden fremden Männer ankommen, wird klar: Mit Mama und ihrer Familie stimmt etwas ganz und gar nicht. Der Film versteht es meisterhaft, mit der Erwartung der Zuschauer zu spielen, Sympathien zu verschieben, sodass man schnell nicht mehr weiß: Mit wem fiebert man hier mit? Aber mitfiebern tut man auf alle Fälle! LITTLE BONE LODGE baut von Beginn an eine düstere, unheimliche Atmosphäre auf. Die Inszenierung ist stimmig, die Schauspieler sind ebenfalls sehr gut. Ein Film voller Twists (das ist vielleicht der einzige Kritikpunkt: einen Twist gibt es, den es nicht gebraucht hätte), der mitreißt. Ein Film, der bestens unterhält, der allerdings auch wehtut und – eine kleine „Warnung“ am Rande – der deshalb vielleicht nichts für einen locker-lustigen Abend ist. (Katharina Ruß)
Verdammt stark!