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Interview mit Regisseur Andreas Marschall zu DEATHCEMBER

 

„Eine fragwürdige Denunziantenmentalität“

Interview mit Regisseur Andreas Marschall

 

Er hat sich mit wenigen Filmen den Ruf eines deutschen Horrormeisters erworben. Es war für die Produzenten des Episodenfilms DEATHCEMBER also naheliegend, ihn um einen Beitrag zu bitten. Der Film, den Andreas Marschall dafür drehte, heißt PIG. Rape and Revenge in Zeiten von #MeToo, aber ohne die Freude, den Opfern bei ihrer Rache zuzusehen. PIG ist einer der kontroversesten Beiträge in dieser Anthologie. Neben dem dichten Fünfminüter drehte der 1961 in Karlsruhe geborene und schon seit den 1980er-Jahren in Berlin lebende Marschall viele Musikvideos und einige Spielfilme. Schon der erste, TEARS OF KALI, der sich aus drei Episoden zusammensetzt, stieß 2004 auf breite Resonanz. Auch mit MASKS (2011), der bei aller Eigenständigkeit starke Anleihen beim italienischen Kino der 1970er-Jahre nimmt, konnte Marschall ebenso überzeugen wie mit seinem mit Jörg Buttgereit und Michal Kosakowski gedrehten Episodenfilm GERMAN ANGST (2015). Seit den 1980er-Jahren ist Marschall vor allem auch als Coverartist tätig, weltweit schwören Metalbands wie Annihilator, In Flames, running wild, sodom, Hammerfall oder Kreator auf seine stilprägenden Artworks, er zeichnete auch Comics und entwarf Filmplakate, unter anderem für Buttgereits NEKROMANTIK und NEKROMANTIK 2. Ein Gespräch über das italienische und deutsche Kino, über Ruggero Deodato, der auch einen Beitrag zu DEATHCEMBER drehte, und natürlich über Weihnachten – und den besten aller Weihnachtsfilme.

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DEADLINE: Waren Sie schwer von der Idee zu überzeugen, einen Beitrag zum filmischen „Adventskalender“ DEATHCEMBER beizusteuern?

 

ANDREAS MARSCHALL: Nein. Ich fand diese absolute Beschränkung auf fünf Minuten sehr spannend. Ich mag Sketche nicht so sehr, fünf Minuten, eine Schlusspointe, das ist nicht so mein Fall. Ich möchte immer eine komplexere Geschichte erzählen. Dafür sind fünf Minuten heftig, eine Herausforderung. Dass DEATHCEMBER so viele von diesen Episoden hat, das fordert natürlich auch den Zuschauer. Das unterscheidet ihn auch von anderen Episodenfilmen.

 

DEADLINE: Sie waren bei Festivals dabei, bei denen der Film gezeigt worden ist. Wie waren die Reaktionen?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich war bei der Berliner und der Frankfurter Premiere dabei. In Frankfurt war es Hochsommer in einem heißen Kino, wo mobile Ventilatoren aufgebaut waren. Ein Winterfilm bei 30 Grad ist schon eine Erfahrung. Man hat gemerkt, dass jeder seine Favorites hatte und Episoden, die er nicht so gut fand. Aber die Reaktion der Leute war gut, sie sind gut mitgegangen.

 

DEADLINE: Mögen Sie filmische Horror-Anthologien?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ja.

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DEADLINE: Welche, THE ABCS OF DEATH, der laut den Produzenten ein Vorbild für DEATHCEMBER war?

 

ANDREAS MARSCHALL: Bei THE ABCS OF DEATH sind mir die Episoden ein bisschen zu kurz. Ich mag lieber so etwas wie DIE DREI GESICHTER DER FURCHT von Mario Bava. Genügend Zeit, eine Atmosphäre aufzubauen, der Zuschauer wird hineingezogen in eine klassische Schauergeschichte und hat die Chance, drei ganz unterschiedliche Welten zu betreten. Das hat mir bei diesem Film schon als Jugendlicher sehr gefallen.

 

DEADLINE: Es gibt auch in Ihrem Werk gar nicht so wenige Episodenfilme, TEARS OF KALI, GERMAN ANGST und DEATHCEMBER. Was mögen Sie daran, abgesehen davon, dass kürzere Filme vermutlich leichter zu finanzieren sind?

 

ANDREAS MARSCHALL: Bei GERMAN ANGST war die Episode so lang, dass man schon etwas komplexer erzählen konnte. Bei DEATHCEMBER hat mich gereizt, dass es eine Geschichte war, von der man den Eindruck hat, es sei ein kleiner Spielfilm inklusive Rückblenden, und das in diesen fünf Minuten. PIG musste auf die Sekunde genau geschnitten werden. Es ist eine ganz andere Art zu drehen, wenn man weiß, die einzelnen Szenen bleiben nur ganz kurz stehen. Deswegen haben wir ein genaues Storyboard verwendet mit den Einstellungen eins zu eins so, wie sie jetzt zu sehen sind. Wir hatten auch nicht viel Drehzeit. Wir waren gezwungen, sehr schnell zu arbeiten.

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DEADLINE: Sie haben es schon gesagt, in der kurzen Zeit wird eine große Geschichte erzählt. Eine Geschichte voller Ambivalenzen. Für mich erzählt sie auch vom schwierigen Verhältnis von Männern und Frauen.

 

ANDREAS MARSCHALL: Auf jeden Fall.

 

DEADLINE: Ein Kommentar zur #MeToo-Debatte?

 

ANDREAS MARSCHALL: Das war klar das Thema. Sie haben schon das richtige Wort erwähnt, Ambivalenz. Das war das, was für mich über allem stand, weil ich zu dieser #MeToo-Geschichte eine gespaltene Haltung habe. Eine Schauspielerin, die bei mir schon in TEARS OF KALI gespielt hat, hat mir von ihren Erfahrungen mit einem sehr bekannten deutschen Regisseur erzählt, der in den Schlagzeilen ist – ich will jetzt keinen Namen nennen, aber jeder weiß, wer gemeint ist. Diese Schauspielerin hat erzählt, dass es wirklich hart zugegangen sei, dass der Regisseur seine Macht ausgenutzt habe. Viele dieser #MeToo-Vorwürfe basieren auf ganz realen Fakten. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite hat sich durch das Internet und die Erregungsräume dort eine Kultur der Verfolgung gebildet. Tragischerweise war eines der ersten #MeToo-Opfer eine Produzentin, die für jemanden Partei ergriffen hat, der unter Beschuss stand. Sie ist in so einen Shitstorm geraten, dass sie sich das Leben genommen hat. Es gibt ein berechtigtes Anliegen, sich gegen Machtmissbrauch zu wehren und sich zusammenzuschließen – was in meinem Film im Mittelteil in der Rückblende ganz deutlich gezeigt wird. Dass die Frauen handeln, ist durchaus durch das legitimiert, was sie erlebt haben, aber das Ganze kippt dann im letzten Drittel in eine ganz andere Richtung. Mir war wichtig, den Zuschauer ein bisschen zu verstören. Man kann so eine Geschichte immer so erzählen: coole Frauen, Empowerment, die Männer sind Drecksäcke, und man hat richtig Spaß daran, wie sie fertiggemacht werden. Eine Zeit lang funktioniert PIG in diese Richtung, aber irgendwann wollte ich den Leuten einfach den Spaß daran verderben, zuzugucken, wie jemand hingerichtet wird. Da wollte ich einfach die Frage stellen, ob es wirklich in jeder Weise gerechtfertigt ist oder ob das Ganze nicht in etwas fast Faschistisches kippen kann. Dieses Zusammentun zu Kampfbünden führt ziemlich oft dazu, dass Unrecht geschieht.

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DEADLINE: Es war auch Teil der #MeToo-Debatte, darüber zu diskutieren, wie man mit den Anschuldigungen umgeht. Man weiß nicht, ob jede Anschuldigung stimmt. Gleichzeitig wollte man auch immer auf der Seite des Opfers stehen.

 

ANDREAS MARSCHALL: Da sagen Sie etwas ganz Richtiges. Ich mag jetzt die Geschichte nicht zu weit spoilern, aber der Schlusssatz suggeriert einen gewissen kaltschnäuzigen Umgang mit der Wahrheit. Es geht nicht immer um Fakten, es geht darum, die „richtige“ Haltung zu haben, auf der „richtigen“ Seite zu stehen. Ich fand es absolut empörend, als die Woody-Allen-Biografie erscheinen sollte. In Deutschland hat sich eine Reihe von Schriftstellern zusammengetan und an den Verlag einen offenen Brief geschrieben und verlangt, dass das Buch nicht erscheint. Das war für mich dann das klare Signal: Ich muss es sofort kaufen! Ich finde diese Denunziantenmentalität, getriggert durch diese Erregungsgemeinschaft im Internet, sehr fragwürdig.

 

DEADLINE: Sie haben es schon angesprochen, PIG ist nur auf den ersten Blick eine einfache Rape-and-Revenge-Geschichte.

 

ANDREAS MARSCHALL: Es hat ganz unterschiedliche Reaktionen gegeben. Nachdem der Film in Berlin seine Premiere hatte, erschienen drei oder vier Rezensionen. Die eine meinte, der Film sei frauenfeindlich, die zweite, er sei männerfeindlich, und die dritte, er sei ambivalent. (lacht)

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DEADLINE: Sie wollten auch die Frage stellen, was man ohne Beweise und Verfahren darf?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich glaube, dass sich jeder Rape-and-Revenge- und Vigilantenfilm irgendwann diese Frage stellen sollte, und die besseren dieses Genres machen das auch. Die haben den Punkt eingebaut, an dem die legitime Rache hinterfragt wird.

 

DEADLINE: Die filmische Form von PIG trägt viel zur Komplexität der Geschichte bei. Man entdeckt beim wiederholten Ansehen immer Neues, was bei so einem kurzen Film nicht selbstverständlich ist. Das liegt auch daran, dass die verschiedenen Zeitebenen ineinandergeschnitten werden. Man könnte die Geschichte auch in 90 Minuten erzählen.

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich habe im Hinterkopf auch eine längere Fassung davon. Ich habe schon ein Treatment geschrieben. Schauen wir einmal. Es ist derzeit coronamäßig schwierig, Independentfilme zu drehen.

 

DEADLINE: PIG ist komplex und ambivalent, was er aber nicht ist: ein Weihnachtsfilm.

 

ANDREAS MARSCHALL: (lacht) Der Weihnachtsbezug war die Party, die da gefeiert wurde. Da hatten wir mehr vor, es sollte viele Weihnachtskugeln geben, und vor allem sollten die Leute Weihnachtskostüme tragen, auch die Täterinnen. Die Ausstattung ist ein bisschen daran gescheitert, dass wir wenig Zeit hatten, die Sachen zu besorgen und den Club weihnachtlicher auszustatten. Es gibt jetzt Lametta und die Farben Gold und Rot. Die Kostüme der Frauen habe ich dann irgendwann gecancelt, weil mir das zu parodistisch erschien. Ich wollte es ernster machen. Deshalb ist nicht so viel Weihnachtsbezug drin, da haben Sie recht. Sagen wir so, die Atmosphäre ist weihnachtlich, das Thema nicht unbedingt. Wie hat Ihnen die Fotografie, die Kameraarbeit, gefallen?

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DEADLINE: Sehr gut. Der Film entwickelt sich bei jedem Mal Schauen und wird komplexer, dazu trägt auch die Optik bei.

 

ANDREAS MARSCHALL: Der Kameramann war Jo Heim, ein sehr bekannter, renommierter Kameramann, der zum Beispiel 7 ZWERGE gemacht hat und DER VORNAME und der den Deutschen Kamerapreis gewonnen hat. Jo kenne ich seit den 80er-Jahren von der Münchner Filmhochschule, und seit den 90er-Jahren habe ich mit ihm Musikvideos gedreht, mindestens 30 davon, bis sich unsere Wege getrennt haben. Für PIG habe ich ihn angerufen. Er war begeistert, und es war ein Riesenspaß für uns Veteranen, mit einem jungen Team diesen Film zu drehen. Wir haben mit langen Brennweiten, mit Telebrennweiten, gearbeitet, mit denen wir durch Gegenstände hindurchgefilmt haben. Es gab ständig Lametta im Vordergrund, und es gab verschieden unscharfe Ebenen. Das sollte ein bisschen eine Reminiszenz an die 70er-Jahre-Fotografie sein. Heutzutage macht man alles durch die hohen Auflösungen möglichst weitwinklig, alles ist klar und scharf. Wir wollten durch Unschärfen einen geheimnisvollen Look und eine Dichte der Atmosphäre erreichen.

 

DEADLINE: Die erwähnten 70er-Jahre waren eine Hochblüte des Genrekinos, vor allem in Italien. Als Sie in den 90er-Jahren eine Produktionsfirma gründeten, haben Sie sie nach einem Film von Ruggero Deodato, einem Veteranen dieser Zeit, benannt.

 

ANDREAS MARSCHALL: Ja, CUT AND RUN.

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DEADLINE: Deodato war auch mit einer Episode an DEATHCEMBER beteiligt. Haben Sie ihn getroffen?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich habe ihn schon früher kennengelernt. Wir wollten schon zwei Jahre vorher einen Episodenfilm machen. Mein Freund Matthan Harris, Deodato und ich. Wir haben uns in Rom getroffen und das besprochen. Da hatte er gerade seinen letzten Film BALLAD IN BLOOD gedreht und war bei der Musikmischung, auch Claudio Simonetti war dabei. Das war eine sehr schöne Begegnung. Allerdings war ihm das Budget nicht hoch genug, er hatte Zweifel, dass man damit einen halbstündigen Film machen könne. Und dann wurde aus diesem Projekt doch nichts. Bei DEATHCEMBER habe ich ihn nicht getroffen, da hat ja jeder in seinem Land gedreht, und es gab kein großes Treffen aller Regisseure.

 

DEADLINE: Wie hat Ihnen sein DEATHCEMBER-Beitrag gefallen?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich fand ihn gut. Ruggero Deodato ist einer der wenigen Regisseure aus dieser Ära, die noch frische, moderne Filme machen können. Er ist noch immer voll dabei, während viele andere komplett aufgehört haben, nachdem die italienische Filmindustrie Ende der 80er-Jahre mit der Konkurrenz des Privatfernsehens komplett zusammengebrochen ist. In den 70er-Jahren, in denen ich filmisch sozialisiert wurde, war ich viel in Italien. Damals wurden in Italien pro Jahr über 300 Genrefilme gedreht, Italien war das Zentrum der europäischen Filmproduktion. Das war für mich wie ein Paradies. Heute ist es für mich interessant, die Leute von damals persönlich kennenzulernen. Einige Leute habe ich auf Filmfestivals kennengelernt. Lamberto Bava zum Beispiel, den ich getroffen habe, während ich mit TEARS OF KALI unterwegs war, hat zu dem Film gemeint: „This film scared the shit out of me.“

 

DEADLINE: Die 70er- und 80er-Jahre waren eine sehr interessante Zeit für den italienischen Film. Wird man da wehmütig, wenn man an das Ende des Ganzen blickt?

 

ANDREAS MARSCHALL: Was die Leute, die mit der Videokassette aufgewachsen sind, gar nicht richtig wissen, ist, dass diese Filme für die große Leinwand gedreht worden sind. Damals gab es in Italien unglaublich viele Kinos. Die Italiener haben oft die amerikanischen Erfolge als Vorbild genommen, DER WEISSE HAI oder ALIEN, und haben davon ihre Low-Budget-Varianten gedreht, aber auf 35 Millimeter und in Breitwand, mit toller Ausstattung und tollem Licht. Alles für die große Leinwand. Die hatten ein hohes Niveau der Studiotechnik. Was damals als Low Budget galt, schaut heute nach großem Budget aus. Ich habe die Filme auf der großen Leinwand gesehen und bin visuell in meinen eigenen Filmen immer sehr stark davon beeinflusst. Ich drehe immer für die große Leinwand.

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DEADLINE: Aber Ihr Einfluss ist nicht nur das italienische, sondern auch das deutsche Genrekino.

 

ANDREAS MARSCHALL: Auf jeden Fall. Als Kind bin ich mit Edgar-Wallace-Filmen aufgewachsen und dem TIGER VON ESCHNAPUR und dem INDISCHEN GRABMAL. Vor allem aber Edgar Wallace.

 

DEADLINE: Es gibt in PIG auch eine Referenz an Fritz Lang und M – nicht mit Kreide, sondern mit Weihnachtsglitzer.

 

ANDREAS MARSCHALL: Richtig.

 

DEADLINE: Der deutsche Genrefilm war einmal ein Film von Weltrang, zum Beispiel mit den Filmen von Fritz Lang. Wenn wir in die Gegenwart schauen, wie beurteilen Sie jetzt die Genrefilmszene?

 

ANDREAS MARSCHALL: Auf den deutschen Qualitätsfilm der Weimarer Republik folgte ja die Filmproduktion des „Dritten Reichs“, die zwar handwerklich noch immer großes Unterhaltungskino war, aber natürlich ideologisch völlig eingeschränkt. Auch künstlerisch ausgeblutet, weil viele talentierte Leute in die USA ausgewandert sind, wo sie dann das Horrorgenre mitbegründet haben. Viele amerikanische Klassiker sind ja von Deutschen gedreht worden, Robert Siodmaks THE SPIRAL STAIRCASE zum Beispiel war dann Vorbild für Gialli und Psychothriller. Deutschland war nach dem Krieg ein filmisches Entwicklungsland. Später, nach den Heimatfilmen und Komödien, kamen die Edgar-Wallace-Filme. Da gab es noch eine sehr große deutsche Genrefilmproduktion, die kommerziell gut funktioniert hat, die aber durch den Neuen Deutschen Film und die Kritik an Opas Kino angegriffen wurde. Das, was fürs breite Publikum gemacht wurde, kann nicht gut sein. Diese elitäre Sicht des Filmemachens hat über die Filmförderung funktioniert, Gremien, die bestimmt haben, was produziert wird. Das hat die Genrefilmkultur in Deutschland im Laufe der 60er- und 70er-Jahre gekillt. Inzwischen ändert sich das, auch durch die Streamingplattformen. Es ändert sich die Generation der Leute, die in den Gremien sitzen, die auch mit Genrefilmen aufgewachsen sind. Inzwischen weht ein anderer Wind. Ich bin optimistisch.

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DEADLINE: An welchen filmischen Projekten arbeiten Sie derzeit neben einer langen Fassung von PIG?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich arbeite an einem Konzept für eine Streamingserie, einer Mysteryserie, die im „Dritten Reich“ spielt, eine Detektivserie im Schwarzwald. Die Idee ist schön, aber ich will sie hier natürlich nicht verraten. Und da gibt es noch ein paar Horrorfilmdrehbücher in der Schublade. Man muss halt sehen, wie das mit Corona weitergeht. Es gibt eine ganze Liste von Regeln, die man beim Drehen einhalten muss. Dies können eigentlich nur große Produktionen. Es ist aber interessant – eine der wenigen positiven Folgen von Corona –, dass es in den offiziellen Kinoprogrammen jetzt ständig Filme gibt, die sonst niemals auf die Leinwand gekommen wären. Echt spannende kleine B-Horrorfilme, Thriller und wirklich obskures Zeug, das man sonst nur über Streaming oder DVD gesehen hätte.

 

DEADLINE: Über ein anderes Genre haben wir noch nicht gesprochen: den Weihnachtsfilm. Welcher ist Ihr Lieblingsweihnachtsfilm?

 

ANDREAS MARSCHALL: BLACK CHRISTMAS, die Originalversion von Bob Clark. Dieser Film hat mich absolut beeinflusst. Dieser Film scared the shit out of me, ich fand ihn dermaßen gruselig. Ein sehr, sehr unterschätzter Vorläufer aller Slasher. Ich finde die Neuverfilmungen grauenhaft. Die erste war schon schlimm, und die neueste ist noch schlimmer.

 

DEADLINE: Die Kombination aus Horror und Weihnachten funktioniert gut.

 

ANDREAS MARSCHALL: Ja, die wohlige Sicherheit der Familie, die Erinnerung an die Kindheit, die Freude an den Geschenken, das Weihnachtsritual, das Essen und der Duft von Lebkuchen – wenn das zerstört wird, ist das schon ein starker Horror. Mir fällt da immer BLACK CHRISTMAS ein, die Weihnachtschöre und dazu das Bild der Frau mit dem Plastik über dem Gesicht. Das ist ein sehr stilbildendes Bild gewesen, das ich nie vergessen werde.

 

DEADLINE: Es gibt Menschen, die freuen sich ein halbes Jahr auf Weihnachten, und andere, die fürchten sich eher davor. Wie ist das bei Ihnen?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich freue mich auf Weihnachten. Aber es ist nicht so, dass ich schon zu Ostern Weihnachtsgeschenke kaufe.

 

DEADLINE: Wie feiern Sie Weihnachten?

 

ANDREAS MARSCHALL: Ich feiere ganz traditionell im Kreis der Familie, mit meinen Eltern und Geschwistern. Es ist für mich schon ein wichtiges Event. Aber dafür würde ich dann nicht unbedingt DEATHCEMBER vorschlagen. (lacht)

INTERVIEW GEFÜHRT VON CHRISTIAN ZECHNER

Trailer:

 

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