DEADLINE: Hallo, lieber David! Danke, dass du dir Zeit nimmst! David, was ist dein liebster Horrorfilm?
David Brückner: Immer gern für mein liebstes Genre-Filmmagazin. So ein All-time Favourite ist ganz klar THE THING. Was Carpenter da an Stimmung und Grusel erzeugte, mit diesen tollen handgemachten Puppen- und Splattereffekten, sucht heute noch seinesgleichen.
DEADLINE: Wenn man sich die Titel deiner letzten Filme ansieht (siehe RAPUNZELS FLUCH in der #82, DER WOLF), könnte man fast meinen, dass du dich auch mal gerne von Grimm und Co. inspirieren lässt. Ist dem so?
David Brückner: Das kam etwas durch den Verleih. Der hatte den konkreten Wunsch, einen Horrorfilm im Märchengewand zu machen. Da kam mir dann ganz schnell die Idee zur Figur Rapunzel, die man dann schön modern als Dämon erzählen kann. Nach dem Erfolg des ersten Teils schob ich noch den Slasher DER WOLF nach, bei dem ich mich tief vor Filmen wie SCREAM verbeugte. Ich würde aber nicht sagen, dass ich nur an Horrormärchen interessiert bin, auch wenn die natürlich schon im Kern schön schaurig sind.
DEADLINE: In deinen RAPUNZEL-Filmen geht es um den Geist einer jungen Frau, die bei einem Exorzismus ums Leben kam. Kannst du ihren Charakter ein bisschen erklären?
David Brückner: Wir erzählen ja die „echte“ historische Rapunzel weiter. Das Gothel haben wir von der Hexe übernommen. Bei uns ging die Geschichte der Rapunzel nicht gut aus. Sie wurde vom Dämon der Hexe befallen und bei einem Exorzismus getötet. Nun sinnt ihr Geist auf Rache nach der Blutsverwandtschaft der Grimms und jagt die junge Alina. Im ersten Teil konnte Rapunzel noch ausgetrickst werden. Ob das auch im zweiten Film gelingt, werden wir noch sehen.
DEADLINE: Ich finde, Rapunzel ist eine kultverdächtige Horrorfigur. Warum findet man so was im deutschen Genrefilm so selten?
David Brückner: Der Genrefilm in Deutschland hat es ja ohnehin extrem schwer. Wir können die Filmgruppen an einer Hand abzählen, die da was produzieren. Und wenn, dann auch nur mit kleinstem Budget. Das ist schade, dass so wenig Genre gefördert wird. Wenn ich an moderne Horrorfiguren aus Deutschland denke, fällt mir nur DER NACHTMAHR von AKIZ ein oder BLOOD RED SKY von Peter Thorwarth. Beides ebenfalls historische Horrorfiguren. Ob die liebe „Dämonen-Rapunzel“ mal Kult oder eine Ikone wird, müssen die Zuschauer entscheiden. Vielleicht nach einem dritten Teil?
DEADLINE: Wie stehst du zum deutschen Genrefilm allgemein? Wieso gibt es so wenige gute deutsche Horrorfilme?
David Brückner: Wir brauchen Unterstützung und Anerkennung. Und damit meine ich nicht nur Filmförderung oder Produzenten, die an unsere Stoffe glauben, sondern auch die Zuschauer und Fans. Andauernd höre ich, wie verwundert manche sind, dass mein Film dann doch „… nicht so Scheiße ist, obwohl der Film doch aus Deutschland ist“. Das hört man immer wieder auch bei den Kollegen. Dieses Umdenken, sich vom deutschen Film und seinen Dramen und seichter Comedy zu lösen und auch mal härteren Genrefilm auszuprobieren, muss einsetzen. Klar, die Filme werden schnell als „Trash“ abgewertet, das liegt aber meist an der wenigen Kohle, die wir dafür haben.
DEADLINE: Hast du Vorbilder im deutschsprachigen Bereich?
David Brückner: Für mich als Amateurfilmer, der mit 14 seine ersten Horror-Kurzfilme gedreht hat, um sie im Netz in Foren diskutieren zu lassen, war die Filmgruppe „Newsman Team“ um Daniel Flügger und Dennis Klose immer ein großer Ansporn, größer und besser zu werden. Die Jungs waren etwa gleich alt und haben neben unzähligen harten, aber sehr lustigen Kurzfilmen z. B. DEATHMASTER und DEAD PAST produziert. Das war ein mega Ansporn, 2009 selbst mit unserem ersten Langfilm DEAD SURVIVORS zu starten. Ich mochte damals aber auch Filme von Olaf Ittenbach und die Filme von Marcel Walz und wie diese weltweit vertrieben wurden. Deswegen kam auch die Idee, einen Horrorfilm als ersten Film umzusetzen.
DEADLINE: RAPUNZELS FLUCH 2 bietet Jump-Scares, aber auch einige Splattereffekte. Was ist dir persönlich wichtiger? Und kalkulierst du beim Einsatz von Latex und Kunstblut die FSK mit ein?
Ich hoffe sogar immer, die FSK 18 zu reißen! Leider (oder zum Glück) ist die aber deutlich angenehmer geworden als noch in den 90er-Jahren. Da kann man jetzt Dämonen die Haut abziehen, Menschen schießen sich in den Schädel, oder es werden fleißig Kehlen durchgeschlitzt mit Hektolitern an Blut, für die FSK ist es eine „Ab 16 Jahre“-Wertung.
DEADLINE: Dein Label Ghost Pictures gibt es seit nunmehr 20 Jahren. Wenn du zurückblickst: Was ist die größte Herausforderung bei Independent-Filmprojekten? Und wo will das Label hin?
David Brückner: Das Schwierigste ist, mit den kleinen Budgets Filme zu produzieren, die mit denen wettbewerbsfähig sind, die das Hundertfache an Geld zur Verfügung haben. Letztendlich steht ein RAPUNZELS FLUCH 2 neben einem THE NUN 2. Ich finde aber, wir können uns deutlich besser austoben. Zum Beispiel kam der SFX-Artist Claus Grüßner auf mich mit Ideen zu, wie man Rapunzel noch deutlich ekliger und splattriger schmelzen lassen kann. Oder Micky Gräter und Jani Sellmann, die Kamera und Licht machten, haben coole Ideen für visuelle Spielereien. Ich denke, mit den hohen Budgets kommen gewissen Einschränkungen. Ich kann aber jedem Department viele Freiheiten bieten und bin dankbar über coole Einfälle. Wo will ich mit Ghost Pictures hin? Na ganz klar, ich will damit das sächsische Blumhouse Productions werden!
RAPUNZELS FLUCH 2 ist seit 13. Oktober auf Blu-ray und DVD erhältlich. Nach so vielen Jahren des Filmemachens: Was ist das für ein Gefühl, den eigenen Film im Geschäft stehen zu sehen?
David Brückner: Ich bin erst kürzlich wieder ganz aufgeregt in die Leipziger MediaMarkt/Saturn-Läden gerannt und habe fleißig Fotos von den Regalen geschossen. Das ist natürlich supercool! Und ich bin so dankbar, heutzutage noch so schöne physical releases zu bekommen! In das Bonusmaterial floss viel Liebe, so haben wir nicht nur den obligatorischen Audiokommentar und Interviews dabei, sondern dieses Mal gibt’s auch ein ausführliches Behind the Scenes. Und meine persönliche Einleitung durfte natürlich auch nicht fehlen.
DEADLINE: Was sind deine nächsten Projekte? Wird es von Rapunzel noch einen Teil geben?
David Brückner: Wenn es eine gute Idee gibt oder mir jemand ein tolles Buch vorschlägt, wieso nicht? Ich hätte aber immer noch große Lust, einen Sci-Fi-Horrorfilm zu drehen. Aktuell werden es vermutlich erst mal Kurzfilme, die ich in einer Horror-Anthologie mit befreundeten deutschen Filmgruppen umsetzen möchte. Film-Bewerbungen nehme ich gerne entgegen!
DEADLINE: Lieber David, danke, dass du dir die Zeit genommen hast! Ich wünsche dir viel Erfolg mit RAPUNZELS FLUCH 2 und bin gespannt, was in Zukunft von dir kommen wird.
Interview geführt von Dominik Raith
Ein Review von RAPUNZELS FLUCH 2 in der DEADLINE #102 am 15.11.
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Alle Fotos (c) Daniel Dornhöfer