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INTERVIEW MIT JOSIE HO

DER WANDEL DER ZEIT

 

Im Gespräch mit Schauspielerin Josie Ho

 

Wer das Hongkong-Kino kennt und schätzt, wird Schauspielerin Josie Ho aus Filmen wie SLOW FADE – NACHT DER ENTSCHEIDUNG, PURPLE STORM – EIN TÖDLICHER AUFTRAG, SO CLOSE – NICHTS IST SO, WIE ES SCHEINT und natürlich dem Kultfilm DREAM HOME kennen. International konnte man die sympathische Schauspielerin in der Vergangenheit in Filmen wie STREET FIGHTER: LEGEND OF CHUN-LI, CONTAGION und OPEN GRAVE sehen – oder aktuell auch im aufwendig produzierten Abenteuerfilm IM HERZEN DES DSCHUNGELS. Dies war auch der Grund, wieso wir uns mit ihr zu einem Zoom-Interview verabredet haben, um sowohl ihre bisherige Karriere, ihhttps://shop.kochfilms.de/de/genre/aben/im-herzen-dschungels-blu-ray?af=50104IDre Zukunft und ihre allgemeinen Erfahrungen zu thematisieren – jedoch auch den Wandel, der sich aktuell im Hongkong-Kino abzeichnet.

 

DEADLINE: Lass uns mit einer schwierigen Frage beginnen. Umschreibe an dieser Stelle doch bitte deine eigene Persönlichkeit – wer ist Josie Ho?

Josie Ho: Ich denke, es gibt zwei Seiten meiner Person. Die eine ist eher introvertiert. Ich mag es, zu Hause zu sein und mich selbst zu erden. Und dann wäre da noch jene Seite in mir, die danach verlangt, arbeiten zu können und rauszugehen. Es ist die Schauspielerin und Künstlerin in mir, die es braucht, in der Welt draußen zu sein.

DEADLINE: Du bist seit 1994 als Schauspielerin aktiv. Was war die größte und vor allem wichtigste Lektion, die du in all den Jahren gelernt hast?

Josie Ho: Ich musste lernen, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, um meine Stimme zu erheben. Dies, wenn es darum geht, für eine faire Bezahlung und Behandlung einzutreten. Speziell in den 90er-Jahren gab es immer wieder die Situation, wo man mich beeinflussen und steuern wollte. Ich musste nicht nur für bessere Gagen, sondern auch für mehr kreative Freiheiten einstehen, um als Künstlerin existieren zu können. Als kleine und noch unbekannte Schauspielerin ist man oft der Spielball jener, die das Sagen haben. Man möchte wahrgenommen und für Filme besetzt werden, was jedoch kaum geschieht, wenn man „unbequem“ ist – sich nicht nach dem Willen der anderen formen lässt. Speziell in der Anfangszeit neigen daher viele Schauspielerinnen dazu, sich zu unterwerfen. Ich selbst wollte dies nie, da mir damit keine Freiheiten gelassen wurden. Ich musste mir meine Freiheit erkämpfen – ich erhielt sie erst, als ich meine eigene Produktionsfirma ins Leben rief.

 

DEADLINE: Die 2009 zusammen mit deinem Ehemann gegründete Produktionsfirma 852 Films entstand somit vor allem deswegen, damit du dich dadurch sozusagen emanzipieren konntest?

Josie Ho: Ja, absolut. Ein weiterer Punkt war, die lokale Filmindustrie zu fördern. Es gibt so viele gute Ideen und Konzepte, die leider keine Beachtung finden. Die Hongkonger Filmindustrie wird von wenigen Mächtigen kontrolliert und reguliert … und wir wissen alle, was ich damit meine. (lacht) Irgendwie werden nur noch Liebesfilme und sonstige Projekte produziert, die allesamt nichts bewegen. Gerade für Frauen ist es sehr schwer, sich gute Rollen zu sichern. Früher, in den 80er-Jahren, gab es noch solche Rollen, doch heute werden Frauenrollen nur noch für Liebesfilme oder als hübsches Beiwerk geschrieben. Für mich bedeutet dies, kaum gute Rollen zu finden – mit meinem Aussehen funktioniere ich einfach nicht in einem Liebesfilm. (lacht)

 

DEADLINE: Du bist viel zu tough für eine Liebesgeschichte.

Josie Ho: Ich könnte höchstens eine Polizistin spielen, doch auch solche Rollen sind sehr rar gesät in Hongkong.

 

DEADLINE: Hast du dich deswegen dazu entschieden, auch in internationalen Filmproduktionen mitzuspielen – auch den Weg nach Hollywood zu gehen?

Josie Ho: Ich wollte unbedingt an bessere Drehbücher und Rollen herankommen, die mehr von einem fordern, als nur hübsch und süß zu sein. Ich erkannte jedoch auch, dass es einfacher ist, einen Film in Hongkong zu drehen, da wir viel dynamischer und effektiver drehen. Inszeniert man einen Film in Hollywood, so stößt man an allen Ecken und Enden auf Vorschriften und Formalitäten – das US-amerikanische Filmsystem ist sehr komplex.

DEADLINE: Ist es heute auch noch einfacher, in Hongkong Filme zu drehen?

Josie Ho: Wir haben seit Kurzem neue Regularien und Bestimmungen, was in Sachen Filme erlaubt ist und was nicht. Ich kann noch nicht sagen, inwiefern dies die Filmemacherei in Hongkong beeinflussen wird. Vor diesen neuen Regeln war es aber definitiv einfacher, in Hongkong einen Film zu drehen, als in Hollywood.

 

DEADLINE: Vor ein paar Jahren wurde Hollywood von der #MeToo-Bewegung erschüttert. Inwiefern war #MeToo auch in der Filmindustrie von Hongkong ein Thema?

Josie Ho: Die #MeToo-Bewegung fand in Hongkong quasi nicht statt. Weißt du, Hongkong ist wie ein kleines Dorf, in welchem sich alle kennen. Es gab jedoch ein paar Schauspielerinnen vom chinesischen Festland, die in Hongkong leider sehr unschöne Erfahrungen gemacht haben und sich deswegen zu Wort gemeldet haben. Ich finde so etwas absolut nicht vertretbar, wenn Produzenten und Filmemacher ihre Macht ausnützen und Frauen ausbeuten. Die #MeToo-Bewegung hat im besten Fall somit dazu geführt, dass man als Frau ernst genommen und gleichberechtigt behandelt wird.

 

DEADLINE: Vor Kurzem ist auch in Deutschland der mit Jonathan Rhys Meyers und Dominic Monaghan besetzte Abenteuerfilm IM HERZEN DES DSCHUNGELS  erschienen. Du spielst darin nicht nur die weibliche Hauptrolle, sondern hast den Film auch mitproduziert. Wie war es für dich, bei solch einem aufwendigen Projekt gleich zwei wichtige Funktionen zu übernehmen?

Josie Ho: Es war sehr anspruchsvoll. (lacht) Ich musste auch die allgemeinen Belange der Produktion im Auge behalten, gleichzeitig jedoch auch als Schauspielerin funktionieren. Da ich zuvor in Hollywood noch nie als Produzentin tätig war, musste ich mich in den Augen vieler zuerst in dieser Position beweisen. Es war sehr schwer für mich – ich konnte kaum mit meinem Hauptdarsteller sprechen, da er mich einfach nicht wahrnehmen wollte.

 

DEADLINE: Du meinst damit Jonathan Rhys Meyers?

Josie Ho: Ja, er kannte mich nicht und wollte somit nur bedingt etwas mit mir zu tun haben. Er nahm mich wohl nicht als Produzentin, sondern nur als Schauspielerin wahr. Es brauchte seine Zeit, bis das Eis gebrochen war. Ich glaube, das geschah in dem Moment, als ich ihm ein paar chinesische Fluchwörter beibrachte. (lacht)

 

DEADLINE: Die Arbeit mit ihm war also schwierig?

Josie Ho: Ich würde das so nicht sagen. Er war sehr darum bemüht, über die ganzen Dreharbeiten in seiner Rolle zu bleiben – den Fokus nicht zu verlieren. Ich denke, dann ist man halt sehr selektiv, wem gegenüber man sich öffnet. Wie gesagt, er kannte mich nicht, da ich in Hollywood noch nie als Produzentin in Erscheinung getreten bin, und brauchte daher seine Zeit, um mir zu vertrauen.

DEADLINE: Du hast also den Independentfilm HABIT produziert, der deswegen ein Skandal war, da Jesus darin als lesbische Frau dargestellt wird. War dies sozusagen ein Skandal mit Ansage, oder hat dich das überrascht?

Josie Ho: Das war eine Sache, die auf Paris Jackson (Anm.: die Tochter von Michael Jackson) zurückgeht. Sie ist aufgrund ihres Vaters sehr bekannt und gab im Vorfeld der Produktion auch diverse Interviews über ihre Rolle. In einem Interview sagte sie, dass sie eine Rolle namens Jesus spiele – die wiederum eine lesbische Frau sei. Bäm, schon war der Skandal da, obwohl wir das alle so gar nicht geplant hatten. Das Einzige, was wir tun konnten, war, den Kopf einzuziehen, bis sich der Rauch gelegt hatte. (lacht)

 

DEADLINE: Aber immerhin bekam der Film dadurch eine sehr große Aufmerksamkeit, was ja im Grunde auch nicht schlecht ist.

Josie Ho: Ja, irgendwie schon. Ich meine, aus diesem Grund werden Filme auch gemacht, um Reaktionen zu erhalten. Ich finde es einfach bedauerlich, dass durch solch einen Skandal andere Qualitäten übersehen werden. Der Film ist in seiner Gesamtheit sehr frisch und unkonventionell in Szene gesetzt, darauf sollte man sich fokussieren und nicht auf irgendeinen Skandal, der so gar nicht beabsichtigt war.

 

DEADLINE: Lass uns noch ein wenig beim Thema Reaktion bleiben. 2010 hast du die Hauptrolle in dem von dir produzierten sozialkritischen Horrorfilm DREAM HOME gespielt, der auch in Deutschland eine große Fanbasis hat …

Josie Ho: Ich finde es sehr cool, dass der Film auch bei euch beliebt ist. Danke dafür.

 

DEADLINE: Wie stehst du heute zu DREAM HOME?

Josie Ho: Ich bin immer noch sehr stolz auf den Film. Ich hätte so gerne ein Sequel gemacht, was jedoch so in Hongkong nicht mehr möglich sein wird.

 

DEADLINE: Wieso?

Josie Ho: Schau, wir haben neue Regeln. Wäre DREAM HOME letztes Jahr gedreht worden und würde er heute bei uns in die Kinos kommen, viele würden deswegen Probleme mit dem Gesetz bekommen. Die Produzenten, der Vertrieb und die Kinobetreiber würden deswegen Geldbußen oder gar Gefängnisstrafen riskieren. Wir erleben gerade einen sehr speziellen Moment, weswegen es viele Filmemacher aktuell bevorzugen, gar nichts zu sagen und abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Man darf zwar noch alle möglichen Filme drehen, sie jedoch nicht dem lokalen Publikum zeigen. Aus diesem Grund gibt es auch von HABIT zwei Versionen – eine geschnittene für Hongkong und eine ungeschnittene für den internationalen Markt.

 

DEADLINE: Eine sehr bedenkliche Situation.

Josie Ho: Absolut, und der Grund, wieso ich verstärkt in internationale Produktionen expandiere.

 

DEADLINE: So kam es wohl auch zur anstehenden Produktion mit Luc Besson?

Josie Ho: Ja, er möchte unbedingt in Hongkong einen Actionfilm mit mir drehen. (lacht) Die Idee bestand bereits, bevor die neuen Regeln in Kraft getreten sind. Danach sahen wir uns jedoch dazu gezwungen, gewisse Ideen und Ansätze zu verändern, um sicherzustellen, dass der Film auch in Hongkong gezeigt werden kann. Es soll ein Mix aus einer internationalen und einer lokalen Produktion werden, weswegen es sehr wichtig ist, die neuen Regeln zu befolgen. Glücklicherweise ist Luc Besson dazu bereit, sich gewissen Regulationen zu unterwerfen und den Film trotzdem umzusetzen. Ich bin sehr gespannt auf den Film, da ich darin eine Seite von mir zeigen darf, die man so noch nicht kennt.

 

DEADLINE: Man darf somit gespannt sein. Ich bedanke mich sehr für das tolle und offene Gespräch.

 

Interview geführt von Nando Rohner

 

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