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LUC BESSON UND CLEMENS SCHICK IM INTERVIEW ZU DOGMAN

Regie: Luc Besson / Frankreich 2023 / 113 Min.

Besetzung: Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs, Clemens Schick, Marisa Berenson, Christopher Denham

Produktion: Virginie Besson-Silla, Steve Rabineau

Freigabe: FSK 16

Verleih: Capelight Pictures

Start: 12.10.2023

 

 

Tausendsassa Luc Besson erzählt in seinem neuen Film DOGMAN das Schicksal eines jungen Mannes, der von seiner Kindheit beraubt wurde und in der Liebe zu und von Hunden sowie der Interpretation anderer Figuren sein Seelenheil sucht.  Ein Review findet ihr in der DEADLINE #101

Clemens Schick spielt in Rückblenden den Vater (der diese Bezeichnung kaum verdient hat) der Hauptfigur, ein mentales Monster der Verrohung. Im Angesicht des sympathischen und offenherzigen Darstellers mutmaßlich eine große Herausforderung – und entsprechende künstlerische Leistung. Clemens Schick Interviews findet ihr auch hier zu ANDOR und POINT BREAK.

 

DEADLINE: Monsieur Besson, wie gehen Sie ein neues Filmprojekt an? Sie sind in den verschiedensten Genres unterwegs. Achten Sie auf die aktuelle Stimmung des Publikums oder zählt für Sie rein das persönliche Interesse an einem Thema?

 

Luc Besson am Set

 

Luc Besson: Ich glaube ich bin da verwöhnt. Ich mache einfach die Filme, auf die ich Lust habe. Häufig weiß man gar nicht genau, warum man sich für ein bestimmtes Thema interessiert. Sicher begeistern einen mit 60 andere Themen als mit 19. Ich fand die Geschichte eines Vaters (deutet auf Clemens Schick) spannend, der seinen Sohn über Jahre in einen Käfig sperrt. Ich wollte herausfinden, wie man so etwas überstehen kann. Was wird aus einem Kind nach so einem Erlebnis.  Wird man zu Mutter Theresa oder einem Terrorist? Man kann zwischen der dunklen und der guten Seite wählen. Ich wollte lieber die gute Seite zeigen. Er wandelt seinen ganzen Schmerz in etwas Liebevolles um. Diese Liebe hat er nicht von seiner Familie, sondern seinen Hunden gelernt. Hunde lügen nicht in ihrer Zuneigung. Vor ein paar Tagen war ich kurz Brot kaufen. Mein Hund hat mich aber begrüßt, als hätte er mich seit zwei Monaten nicht gesehen. Meine Kinder dagegen fragten nur ungeduldig: „Wo sind die Croissants?“. (lacht) Die Liebe von Tieren ist authentisch und vereinnahmend. Aus solchen Gedanken baut man dann eine Geschichte. Dann lässt man sie etwas ruhen und überlegt, ob sie es wirklich wert ist, verfilmt zu werden. Und in diesem Fall musste ich den Film machen.

 

DEADLINE: Herr Schick, Sie spielen den Vater, eine vor allem psychisch sehr brutale Person. Wie begibt man sich in die richtige Stimmung, um so eine Figur spielen zu können?

 

Clemens Schick: In dem Fall bei Dogman basiert meine Arbeit auf dem Drehbuch und den Gesprächen mit Luc (Besson)  Ich muss als Schauspieler wissen, was meine Aufgabe im Film ist, welchen Anteil  sie hat um die Geschichte zum Leben zu erwecken. Bei DOGMAN war das sehr deutlich. Ich sehe mir Filme an, phantasiere viel zur Rolle, wir proben und dann kommt der Moment des eigentlichen Drehs, da sagt Luc (Besson) „Action“ und dann lebt die Figur. Und trifft vor allem auf die Mitspielenden.

 

Luc Besson: Es kann sehr schwierig sein, einem Schauspieler, der so ein guter Mensch ist, eine so düstere Rolle anzubieten. Er ist so ein guter Mensch (zeigt auf Clemens Schick). Und man bietet ihm an, der schlechteste Mensch auf Erden zu sein. Man macht sich Vorwürfe, weil es der andere doch eigentlich nicht verdient, so etwas Böses darstellen zu müssen. Man muss für sich verstehen, dass man für diese Rolle nur geschaffen scheint, weil man ein Schauspieler ist, nicht aufgrund der eigenen Persönlichkeit. Clemens hat es nicht persönlich genommen, sondern als Ausgangspunkt, um eine Figur zu erschaffen. Er hatte so viele Ideen zu seinem Charakter, die mir fast alle gefielen, sodass wir viele Szenen mit ihm gedreht haben. Aber der Rhythmus des Films ließ dann nicht zu, alles, all das Material zu verwenden. Das war auf eine Art frustrierend, weil er seine Figur so toll geformt hat. Man hätte einen ganzen Film nur über den Vater machen können! (sieht zu Clemens Schick) Ich danke dir sehr dafür, Clemens.

DEADLINE: Der Protagonist in DOGMAN hat eine besondere Verbindung zu Hunden und er verkleidet sich. Wie haben Sie sich diesem Aspekt für Ihren Film genähert? 

 

Luc Besson: Die Verkleidung ist für mich gar nicht so wichtig. Zentral ist, dass dieser Junge nicht laufen kann. Er kann nicht sein, wer er ist, da er gar nicht weiß, wer er ist. Und dann trifft er diese junge Frau, die Theater lehrt. Sie gibt ihm zu verstehen, dass, wenn er einen neuen Charakter selbst erschafft, er sein kann, wer er will. Egal, ob man eine Blume, ein Prinz, ein Baum oder ein Bettler sein möchte. Für ihn ist diese Möglichkeit eine offene Tür zum Glück. Er kann seine Wurzeln, vor allem seinen Vater vergessen (sieht zu Clemens Schick). Er kann endlich jemand sein. Er würde jedes Rollenangebot annehmen. Wenn ein Theater ihn für ein Shakespeare-Stück wollen würde, würde er das begeistert annehmen. Aber niemand bietet ihm irgendwas an. Die einzigen, die offen genug und nett zu ihm sind, ist diese Kabarett. Natürlich sagt er ja, er möchte und kann alles sein, außer er selbst. Dieser Aspekt hat mich am meisten fasziniert.

Was ich so sehr liebe an DOGMAN, ist, dass es ein Film über einen Superhelden in einem gebrochenen Körper, mit gebrochenem Herzen ist. Durch die Tiere um ihn kommt er über seine Kindheit hinweg, kann ihre Grenzen überwinden. Alles scheint kaputt, aber er wird zu einem Superhelden, der sich so stark fühlt. Das ist es, was ihn so liebenswert macht.

 

DEADLINE: DOGMAN ist ein internationaler Film, mit Schauspielern aus der ganzen Welt. Aber er ist auch – nicht zuletzt aufgrund von Ihnen, Monsieur Besson – ein französischer Film. Herr Schick, wie würde Sie im Vergleich mit dem deutschen Kino das französische beschreiben? Hat es die Möglichkeit, tiefer hineinzugehen in seine Stoffe und sich vielleicht freier auszudrücken?

 

Clemens Schick: Als ich 16 war, habe ich in Südfrankreich IM RAUSCH DER TIEFE von Luc Besson gesehen. Das war einer der ersten Filme, die mich wirklich berührt haben. Luc Besson ist der erste wichtige Filmemacher für mich gewesen. Ich habe mir damals die Musik zum Film auf Kassette gekauft, sie mit meinem Walkman am Meer, auf den Felsen sitzend, angehört. Immer und immer wieder.  Ich war als Kind ein Träumer, mein einziges Fach, in dem ich was konnte, war Sport. Ich studierte dann später Schauspiel an einer Privatschule, habe aber nie wirklich geglaubt, diesen Beruf jemals leben zu können. Für mich ist das gerade ein besonderer Moment, hier neben Luc sitzen zu können, mit ihm gearbeitet zu haben (wird von Luc Besson freundschaftlich an der Schulter berührt). Frankreich hat eine großartige und bedeutende Filmindustrie. Ich habe dort schon oft gearbeitet. Mit Jan Kounen die Miniserie DER FLUG DER STÖRCHE zb. Alle meine Produktionen in Frankreich waren aber so international aufgestellt, dass wir immer auf englisch gedreht haben. Das Wichtigste ist mir, dass wir Geschichtenerzähler sind. Auf welcher Sprache und mit welchem Budget  auch immer.

 

Luc Besson: Kunst ist das letzte „Land“, für das du keinen Reisepass brauchst. Das darf sich bitte auch niemals ändern. Van Gogh war Niederländer, aber die Lilien, die er gezeichnet hat, standen auf einem Feld in Frankreich. Und das Bild ist jetzt in einem Museum in New York. Man kann gar nicht genau sagen, wo das Bild eigentlich hingehört oder woher es kommt. Am Ende zählt nur, sich das Gemälde selbst anzusehen, sich von ihm beeindrucken zu lassen. Wenn ich nach einem Schauspieler suche, spielt die Nationalität für mich keine Rolle. Es ist egal, ob er Franzose oder Deutscher ist. Er muss mit seinem Spiel überzeugen können. Die Künstler wollen zusammenhalten und dabei gleichzeitig ihre Welt für andere offenhalten – ohne je ein Visum dafür vorweisen zu müssen. Das Land der Künstler muss offen bleiben. Das ist so wichtig.

 

DEADLINE: Dem ist nichts hinzuzufügen. Vielen Dank an Sie beide für das Interview!

 

Interview geführt von Leonhard Elias Lemke

 

Fotos:

© 2023-LBP-EUROPACORP-TF1 FILMS PRODUCTION / capelight pictures / Shanna Besson

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LUC BESSON UND CLEMENS SCHICK IM INTERVIEW ZU DOGMAN

Regie: Luc Besson / Frankreich 2023 / 113 Min.

Besetzung: Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs, Clemens Schick, Marisa Berenson, Christopher Denham

Produktion: Virginie Besson-Silla, Steve Rabineau

Freigabe: FSK 16

Verleih: Capelight Pictures

Start: 12.10.2023