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MARVEL´S DAREDEVIL -SEASON 2 AB 18. MÄRZ BEI NETFLIX

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Regie: Phil Abraham, Marc Jobst u. a.
USA 2016 / ca. 780 Min.
Darsteller: Charlie Cox, Deborah Ann Woll, Elden Henson, Jon Bernthal, Élodie Yung, Rosario Dawson, Stephen Rider
Produktion: Marco Ramirez, Doug Petrie, Jeph Loeb
Freigabe: FSK 18
Vertrieb: Netflix
Start: 18.03.2016

 

Noch nicht einmal ein Jahr ist es her, dass der Streaming-Gigant Netflix seine erste Zusammenarbeit mit dem Comicfilm-Marktführer Marvel in Form von DAREDEVIL auf die Kundschaft losließ und damit zwischen Fans und Kritikern einen regelrechten Überbietungskrieg der zum Ausdruck gebrachten Entzückung in Gang gesetzt hat, an dem auch dieses Magazin nicht ganz unbeteiligt war. Die mit einigem Selbstbewusstsein in unmittelbarer Nähe des US-Starttermins des um Aufmerksamkeit konkurrierenden Kinogroßereignisses BATMAN V SUPERMAN: DAWN OF JUSTICE Premiere feiernde Staffel 2 der Erfolgsserie verspricht von allem noch ein bisschen mehr, was bei einem derzeitigen Rotten-Tomatos-Rating von stolzen 98 % für Season 1 erst einmal wie eine kühne Ansage erscheint. DEADLINE – DAS FILMMAGAZIN hatte bereits die Gelegenheit, die ersten sieben Folgen zu sehen, und die machen ganz den Eindruck, als sei das keine Übertreibung.
Als gleichzeitiger Testballon der Marvel/Netflix-Kooperation und erzählerischer Grundstein eines bodenständigeren Ablegers des Marvel Cinematic Universe im Exklusivprogramm des erfolgreich selbst produzierenden Streamingdiensts hatte die erste Staffel von DAREDEVIL einiges an Extragewicht zu schleppen. Zwar haben die bereits früh verlautbarten Pläne einer Zusammenarbeit nicht nur für ein, sondern gleich mehrere Netflix Originals auf der Grundlage von Marvel-Charakteren erahnen lassen, dass die Möglichkeit des Scheiterns einer solchen Unternehmung wohl als verschwindend gering erachtet wurde – kein Wunder, bedenkt man, dass das MCU derzeit das erfolgreichste Franchise der Filmgeschichte ist. Und tatsächlich erlebte der seit der 2003er-Verfilmung von Mark Stephen Johnson etwas in Ungnade gefallene „Devil of Hell’s Kitchen“ eine Wiedergeburt, die die – zugegebenermaßen oft nicht hohen – Erwartungen nicht nur voll erfüllte, sondern größtenteils übertraf, und der mit JESSICA JONES mittlerweile eine weitere, nicht minder hochklassige Serie nachgefolgt ist.

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Ein Teil des Erfolgs der ersten Staffel kann sicherlich auf die erzählerische Bodenhaftung geschoben werden, die DAREDEVIL als düsteres, gewalttätiges Procedural gefühlte Lichtjahre entfernt von den exzessiven CGI-Gewittern des Kino-MCU in Stellung gebracht hat. Genau dort setzt Staffel 2 an, drückt aber bereits ab der ersten Folge das Gaspedal gehörig durch. Nachdem Wilson Fisk hinter Gitter gewandert ist, streiten einige Parteien der New Yorker Unterwelt um dessen Nachfolge, während die Anwälte Matt Murdock (Charlie Cox) und Foggy Nelson (Elden Henson) wieder dazu übergegangen sind, sich für das Erstreiten von Arbeitserlaubnissen und das Schlichten von Nachbarkeitsstreitereien in Naturalien bezahlen zu lassen, und ihre Kanzlei kurz vor dem finanziellen Aus steht. Die Dinge geraten sehr schnell in erneute Bewegung, als sämtliche Mitglieder einer irischen Gangsterorganisation mit militärischer Präzision geradezu hingerichtet werden und der einzige Überlebende den Anwälten versichert, dass dieses keineswegs das Resultat eines Gangkrieges war, sondern das Werk eines einzelnen Mannes.
Auf dessen Konto, so stellt sich bald heraus, gehen ebenfalls ein Chapter einer Bikergang und die New Yorker Filiale eines mexikanischen Drogenkartells, und die Staatsanwaltschaft, die von Nelson und Murdock die unverzügliche Übergabe ihres Klienten fordert, hat ihm sogar schon einen passenden Spitznamen verpasst: der Punisher. Dass der keinesfalls zu unterschätzen ist, muss Matt als Daredevil bereits bei seiner ersten Begegnung mit diesem auf die ganz harte Tour lernen. Wesentlich schlimmer noch als die Tatsache, dass er es hier mit einem mindestens ebenbürtigen Widersacher zu tun hat, ist, dass Matt sich fragen muss, ob er mit seiner nächtlichen Selbstjustiz vielleicht nicht nur Gutes bewirkt, sondern auch einen mörderischen Vigilanten dazu inspiriert hat, einen Berg von Leichen aufzutürmen. Auch Murdocks Privatleben droht sich entschieden zu verkomplizieren. Nachdem sich zunächst seine Assistentin Karen Page (Deborah Ann Woll) und er näher kommen, als Kollegen das tun sollten, platzt völlig unvermittelt Murdocks Collegeliebschaft Elektra Natchios (Élodie Yung) wieder in dessen Leben und stellt es so sehr auf den Kopf, dass er akut Gefahr läuft, den seiner Kanzlei anvertrauten Fall des Jahrhunderts zu versenken.

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Dass DAREDEVIL das Kunststück zu vollbringen mag, die nach Staffel 1 weit oben liegende Latte tatsächlich zu überflügeln, hat viele Gründe. Der offensichtlichste liegt in der unglaublich gut gelungenen Einführung des Punishers in das Marvel-Universum, dessen Potenzial durch seine Einführung als Nebenfigur bzw. Antagonist ironischerweise um ein Vielfaches mehr ausgeschöpft wird, als es die drei bisher erschienenen Standalone-Filme von Mark Goldblatt (1989), Jonathan Hensleigh (2004) und Lexi Alexander (2008) vermochten. Statt sich mit einer erneuten Origin-Story abzumühen, schickt man dem Marvel-Vigilanten seinen eigenen Mythos vorweg und baut ihn in einer Weise auf, wie es für eine im Handlunsgsfokus stehende Titelfigur schwer bis gar nicht möglich wäre. Die Präsenz von Jon Bernthal (THE WALKING DEAD) als Frank Castle/Punisher, der die ersten beiden Folgen über fast ausschließlich mit präziser Mimik und Körpersprache arbeitet und kein Wort zu viel verliert, verleiht der Figur die Gravitas, die ihr bislang in jeder der drei – wenn auch grundsätzlich nicht schlechten – Leinwandadaptionen gefehlt hat.

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