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(OT: AVENGERS: AGE OF ULTRON)
Regie: Joss Whedon / USA 2015 / 141 Min.
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Mark Ruffalo, Chris Evans, Scarlett Johansson, Jeremy Renner, Don Cheadle, Aaron Taylor-Johnson, Elizabeth Olsen
Produktion: Kevin Feige
Verleih: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Freigabe: FSK 12
Start: 23.04.2015

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Alles nur geklaut? Wie das Branchenmagazin „The Hollywood Reporter“ zu wissen glaubt, wird AVENGERS-Mastermind Joss Whedon zusammen mit seinem Kumpel Drew Goddard (DAREDEVIL – Die Serie) wegen ihres grandiosen Metahorrors THE CABIN IN THE WOODS gerade auf 10 Millionen US-Dollar verklagt. Der Kläger tritt in Person des Autors Peter Gallagher auf den Plan, welcher behauptet, dass dessen Roman THE LITTLE WHITE TRIP: A NIGHT IN THE PINES einfach dreist kopiert wurde. Nicht nur die Figuren und deren Persönlichkeiten, sondern auch der große Twist im letzten Drittel sollen allesamt seinem kreativen Hirn entsprungen sein. Nun, was kümmert’s den Mond, wenn ihn der Hund anbellt?, wird sich Whedon wohl denken, denn sein erstes Superhelden-Konglomerat MARVEL’S AVENGERS ist mit einem Einspielergebnis von rund 1,5 Mrd. US-Dollar unter den drei erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Die eigens aufgelegte Messlatte und die Erwartungen der zahlreichen Fans sind also entsprechend hoch, wenn es für die Rächer nach drei weiteren Solonummern nun erneut zum orchestralen Schlussakkord kommt, welcher diesmal die zweite Phase des MCU (Marvel Cinematic Universe) abschließt. Dass dieser nicht in einem ausklingenden Fade-out verhallt, sondern in höchstem Fortissimo gespielt wird, dürfte jedem klar sein, der in den letzten drei Jahren nicht auf einer einsamen Insel fernab der Medienwelt residierte. Tatsächlich ist der eingespielten Trias bestehend aus Whedon (Regie), Kevin Feige (Produzent) und Louis D’Esposito (ausführender Produzent) nach ihrem fulminanten ersten Superhelden-Zusammenschluss ein neuer Kulminationspunkt gelungen, der dem ersten in allen Belangen überlegen ist.

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Drei Jahre sind seit dem Angriff der Außerirdischen in der Millionen-Metropole New York vergangen, und eben so viel Zeit verstrich, um die Normalsterblichen an die Gegenwart von übermenschlichen Superhelden zu gewöhnen. Das exzentrische Genie Tony Stark (Robert Downey Jr.) und sein wissenschaftlicher Partner Dr. Bruce Banner (Mark Ruffalo) tüfteln gemeinsam an der Reaktivierung eines Friedensprojekts, welches die Welt für immer von Krieg und Angst befreien soll. Die dazu notwendige Roboterarmee, die „Iron Legion“, ist dabei erst der Anfang, und es wird weiterhin fleißig an einer künstlichen Intelligenz gearbeitet, die in der Gestalt des Roboterwesens Ultron im besten Fall als Anführer der Freiheitsbewegung fungiert. Außerhalb der Laborarbeiten nehmen sie in Gestalt ihrer Alter Egos Iron Man und Hulk gemeinsam mit Captain America (Chris Evans), Thor (Chris Hemsworth), Black Widow (Scarlett Johansson) und Hawkeye (Jeremy Renner) als Avengers die Festung von Baron von Strucker (Thomas Kretschmann) ein. Jener ist ein ranghohes Mitglied der gefährlichen Hydra-Organisation, welche die geheime Regierungseinheit S.H.I.E.L.D. unterwandert und letztendlich zugrunde gerichtet hat. Auf seinem Anwesen hält er die ebenfalls mit Superkräften ausgestatteten Zwillinge Scarlet Witch (Elizabeth Olson) und Quicksilver (Aaron Taylor-Johnson) gefangen, die auch sogleich auf die titelgebende Heldenvereinigung gehetzt und für weit üblere Machenschaften missbraucht werden. Währenddessen entwickelt das Ultron-Programm ein heikles Eigenleben und macht urplötzlich Jagd auf seine Schöpfer. Die omnipräsente Intelligenz kann dabei jeden Roboter vereinnahmen und so zur tödlichen Waffe avancieren. Ihr Ziel ist ab diesem Zeitpunkt die Säuberung der Erde, an deren erster Stelle die Avengers und dann die gesamte Vernichtung der Menschheit stehen.
Die Marvel Studios haben es bis jetzt bei jedem Projekt des Comic-Universums geschafft, seinen Einzelepisoden rund um die Rächer immer neue Impulse zu verleihen, differenzierte Akzente zu setzen und sogar ganze Genrewechsel innerhalb einer Reihe zu vollziehen. So wurde beispielsweise aus dem albernen Trashabenteuer des ersten CAPTAIN AMERICA im Sequel ein fiebriger Politthriller im Stil der 70er-Jahre.

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Auch die AVENGERS-Filme sind deutlich am Tonfall zu unterscheiden: Während der erste Teil knallbunten Effekt-Bombast par excellence darstellt, der sich für die einzelnen Figuren recht wenig Zeit nimmt und dafür gar nicht mehr aufhört zu explodieren, kommt AGE OF ULTRON zwar ebenso wuchtig und optisch gleichfalls brillant daher, punktet jedoch mit einer viel ausgewogeneren Dramaturgie, mehr Charaktertiefe, surrealen Spitzen sowie der Komplexität eines X-MEN. Der etwas substanzlose Erstling wirkt dagegen wie eine narrative Fingerübung, bei der der visuelle Overkill jederzeit im Vordergrund steht und die Auslotung der Figuren sträflich vernachlässigt wird. Es scheint fast so, als habe man sich einfach mal austoben wollen, denn Joss Whedon gesteht, dass in puncto Action eigentlich alles gesagt sei und man dies schlichtweg irgendwann nicht mehr steigern könne. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass den einzelnen Charakteren im Sequel nun endlich der Raum gegeben wird, der ihren ambivalenten Persönlichkeiten gerecht wird.