Wer kennt nicht Prometheus, die Gestalt aus der griechischen Mythologie, die dem Geschlecht der Titanen angehörte und den Menschen das bis dato nur den Göttern bekannte Feuer brachte.
Für diesen Frevel wurde Prometheus jedoch zur Strafe im Kaukasusgebirge festgekettet, wo täglich ein Adler seine Leber auffrisst, die allerdings immer wieder nachwächst. Mit dieser Allusion beginnt Christopher Nolans historischer Film OPPENHEIMER.
Bald werden auch die Parallelen zwischen dem Protagonisten des Films – Robert J. Oppenheimer – und der griechischen Sagengestalt klar: Beide haben den Menschen etwas zur Verfügung gestellt, was ihnen sowohl Segen als auch Verdammnis bringen kann, und zugleich etwas, das ihr weiteres Leben beeinflusst. Nolans Film beruht dabei auf der Biographie von J. Robert Oppenheimer aus der Feder von Kai Bird und Martin J. Sherwin.
Es geht um die verschiedenen Stationen im Leben des Protagonisten, beginnend mit seiner Studienzeit an verschiedenen, renommierten europäischen und amerikanischen Universitäten, seiner Bekanntschaft mit anderen berühmten Physikern, wie Niels Bohr und Werner Heisenberg, über seine erfolgreiche Tätigkeit für das US-amerikanische Militär am Manhattan-Projekt bis hin zum Niedergang seiner Karriere, nachdem er als Vater der Atombombe bekannt geworden war und bzgl. der Vernichtungskraft dieser selbst Zweifel äußerte. Dabei wird der Zuschauer mit diversen Rückblicken, z.T. in schwarz-weiß, konfrontiert, die wunderbar mit einer der Grundthematiken der Physik, dem Raum-Zeit-Kontinuum, korrespondieren, denn man weiß nicht sofort, auf welcher Zeitebene man sich im Film gerade befindet, bis bestimmte Hinweise darauf Rückschlüsse zulassen; dadurch wird der Zuschauer kontinuierlich gefordert mitzudenken.
Aber auch für jene, die der Physik nicht allzu sehr zugetan sind, ist der Film ebenso sehenswert, denn alle atomphysikalischen Erklärungen, die für das Verständnis der Handlung wichtig sind, werden in leichtverdaulichen Häppchen serviert. Darüber hinaus fühlen sich sicher auch Fans von True Crime angesprochen, denn ein Großteil des Films beschäftigt sich mit Oppenheimers Aussagen zu seinen Forschungen vor einem wissenschaftlichen Tribunal, bei dem er eine Zustimmung für eine Weiterführung seiner Forschungen erwirken möchte.
Allerdings bemerkt der Zuschauer schnell, dass dieses ganze Szenario eine Farce ist, denn Oppenheimers Anwalt – dem vermeintlich besten in seinem Feld – werden wichtige Dokumente nicht zur Verfügung gestellt, weswegen er darauf auch keinen Bezug nehmen und somit seinen Klienten nicht angemessen verteidigen kann.
Insgesamt kann man sagen, dass OPPENHEIMER film- und handlungstechnisch Abwechslung und spannende Unterhaltung bietet, denn der Zuschauer wird einerseits mit spektakulären, filmischen Explosionen überrascht, andererseits aber auch prozesshaften schwarz-weiß-Aufnahmen und typischen Familienbildern ausgesetzt. Aber der Grundtenor ist klar: Jeder soll sich eine eigene Meinung zur Thematik und der Schuldfrage Oppenheimers bilden. Nolans Film ist somit etwas sowohl für Fans der Physik, von True Crime sowie außergewöhnlichen erzählerischen Strukturen. (Diana Sabrina Linnarz)
Absolut sehenswert für ein anspruchsvolles Kino-Publikum