Das Charakteristische eines Sinuskurvendiagramms ist das wellenförmige Auf und Ab zwischen den Werten -1 und 1. In der Physik lassen sich Schallwellen oder elektromagnetische Wellen ebenfalls aus Sinus- und Kosinuswellen zusammengesetzt beschreiben, sodass die Funktionen als harmonische Schwingungen allgegenwärtig sind. Nehmen wir nun die Vita des britischen Regisseurs Paul W. S. Anderson und ersetzen den Wert -1 durch „schlecht“ und den Wert 1 durch „nicht ganz so schlecht“, dann erhalten wir eine Sinuskurve, die optisch durchaus ebenfalls als harmonisch zu bezeichnen ist. Inhaltlich ist Werken wie MORTAL KOMBAT, ALIEN VS. PREDATOR, DEATH RACE oder diversen RESIDENT EVIL-Verbrechen Harmonie jedoch so wenig inhärent wie den Schreien von Jamie Lee Curtis auf der Flucht vor Michael Myers. Dass der auf Computerspieleverfilmungen abonnierte Mann von Schauspielerin Milla Jovovich (RESIDENT EVIL) trotz der ergänzten mittleren Initialen W. S. auch heute noch ständig mit gewichtigen Regie-Kollegen wie Paul Thomas Anderson (THERE WILL BE BLOOD) sowie Wes Anderson (GRAND BUDAPEST HOTEL) verwechselt wird, kann also keineswegs an seinen künstlerisch hochwertigen Inszenierungen liegen.
Dies beweist auch sein jüngster Kinofilm POMPEII 3D, dessen unglaublich gestelzte Dialoge, prätentiöse Charakterzeichnung sowie mittlerweile redundant gewordenen CGI-Effekte die katastrophale Trias eines hanebüchenen Drehbuchs bilden. Im Jahr 62 n. Chr. werden die Familie des jungen Milo (Dylan Schombig) sowie das gesamte Volk der angehörigen keltischen Reiterstämme durch römische Truppen, die auf den Befehl von Corvus (Kiefer Sutherland) handeln, brutal massakriert. Der ebenfalls für tot gehaltene Sprössling überlebt allerdings und wird nach Abzug der Soldaten von Sklavenhändlern aufgelesen und gefangen genommen. 17 Jahre später ist der „Kelte“ (jetzt: Kit Harington) im Provinznest Londinium mittlerweile zum gefeierten Gladiator avanciert und wird dank seiner kämpferischen Fähigkeiten vom Römer Graecus (Joe Pingue, PACIFIC RIM) zum Fuße des Vulkans Vesuv, in die Stadt Pompeii, geholt. Im Rahmen der Feierlichkeiten des Weinfestes und zu Ehren des angereisten Senators Corvus werden dort von Kaufmann Severus (Jared Harris, SHERLOCK HOLMES: SPIEL IM SCHATTEN) die tödlichen Spiele der Gladiatorenkämpfe in der großen Arena ausgetragen. Auch Milo soll dort gegen den bisher unbesiegten Atticus (Adewale Akinnuoye-Agbaje, LOST) im Duell antreten.
Severus‘ Tochter Cassia (niedlich wie immer: Emily Browning) hat währenddessen ein Auge auf den gut gebauten Kelten geworfen, der zwischen den aufkeimenden Gefühlen zu ihr und dem Hass auf Corvus hin- und hergerissen ist. Jener wiederum will die bildhübsche Kaufmannstochter um jeden Preis an seiner Seite haben. Auf dem Siedepunkt der Konfliktsituationen eruptiert der bis dato unheilschwanger vor sich hin grollende Vesuv, und Pompeii wird zum Inferno. In Zeiten, in denen es zum guten Ton gehört, dass sämtliche Blockbuster und Weltuntergangsszenarien schon mal per se auf mindestens zwei bis zweieinhalb Stunden aufgeblasen werden, versprechen die knackigen 105 Minuten von POMPEII reine Kurzweil, bar jedweden unnötigen Storyballasts. Doch wo Paul W. S. Anderson drauf- bzw. hintersteht, ist auch ganz viel Paul W. S. Anderson drin, und das ist leider bekanntlich nicht allzu viel. Der Entwicklung von Milo vom Provinzgladiator zum großen triumphalen Feldherrn der Arena hat der versierte Kinogänger in Ridley Scotts fünffach Oscar-gekröntem Meisterwerk GLADIATOR bereits wesentlich mitreißender, bewegender und packender beiwohnen dürfen.