REGISSEUR GARETH EDWARDS IM INTERVIEW ZU THE CREATOR
Regie: Gareth Edwards / USA 2023 / 133 Min.
Besetzung: John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Gemma Chan, Ken Watanabe
Produktion: Gareth Edwards, Kiri Hart u. a.
Verleih: Disney
Start: 28.09.2023
Andreas Peter
Autor und Regisseur Gareth Edwards hat bisher drei Spielfilme abgeliefert – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Sein Debüt MONSTERS (Siehe Interview in der #24), seine Interpretation von GODZILLA (Siehe Interview in der #45) und sein rauer ROGUE ONE: A STAR WARS STORY verbinden Fantasy und Science-Fiction mit feinfühligen Figuren, delikaten Beziehungen und zerbrechlichen Gesellschaften.
Auch bei steigendem längst Blockbuster-Budget gelingt ihm eine eigene Linie, Einzelschicksale mit der Zukunft der Welt, des Universums zu verknüpfen. Als Kenner der Tricktechnik filmt er zudem so, dass, wo praktische Effekte nicht mehr möglich sind, die digitalen so geschickt eingesetzt und kaschiert werden, dass sie eben nicht den Zuschauer aus der Stimmung werfen, sondern diese verstärken, Action und Unterhaltung das Drama ergänzen.
Und genau dieses Talent Edwards’ scheint auch bei seinem kommenden Film, THE CREATOR, wieder zum Tragen zu kommen. Auf übergeordneter Ebene geht es (in einer wohl gar nicht allzu fernen Zukunft) um den Kampf zwischen dem Menschen und der künstlichen Intelligenz (KI). Im Krieg muss sich entscheiden, ob die Wesen, die den Planeten zugrunde richten (die Menschheit), oder die Technik, die von ersterer Natur geschaffen wurde, verbleiben wird. Auf der fokussierteren Ebene geht es um einen Soldaten auf menschlicher Seite, der die vermeintliche Superwaffe der KI, ein Roboter-Kind, ausfindig macht und herausfinden muss, ob er es beschützen oder zerstören will. Mit der Thematik kommt THE CREATOR selbstredend zum richtigen Zeitpunkt. Zwar zeigt er visuell Raumschiffe, lehnt sich in Ausstattung und Ästhetik an ROGUE ONE an, es gibt klar als solche zu erkennende Roboter und scheinbar modifizierte menschliche Wesen, doch ist der Konflikt zwischen Erschaffer (Mensch) und einer sich gegen ihn richtenden Waffe (KI) nicht mehr nur vor unsere Tür, sondern sitzt schon auf dem Sofa. Atmosphärisch scheinen die Szenen aus Teaser und Trailer, in Thailand gedreht, eine Mischung aus Edwards’ bisherigen Filmen und APOCALYPSE NOW – im Cast u. a. John David Washington (TENET) und der immer brillierende Ken Watanabe. Wie kann dieser Film nicht das Highlight des Kinojahres werden? (Leonhard Elias Lemke)
Der Mensch ist das Böse, die K.I. das Gute?
Im Gespräch mit Gareth Edwards, dem Creator von THE CREATOR
DEADLINE: Du bist als Filmemacher auch Experte für Spezialeffekte. Bei deinem ersten Film, MONSTERS, hast du damals die Effekte praktisch im Alleingang erzeugt. Wie stark bist du noch in diese Arbeit bei größeren Produktionen, wie nun bei THE CREATOR, involviert?
Gareth Edwards: Ich hoffe, dass ich immer noch sehr viel dazu beitragen kann. Als Filmemacher ist man auf manche Bereiche sehr fokussiert, während einem andere nicht so wichtig sind und man sie gern anderen überlässt. Ich bin definitiv sehr interessiert daran, bei den Effekten ein Wörtchen mitzureden, da ich mich darin sehr gut auskenne. In THE CREATOR haben wir über 1700 Einstellungen mit Spezialeffekten und für die meisten davon war ILM (Industrial Light and Magic) verantwortlich. Bei meinem ersten Film, MONSTERS, sind wir durch Zentralamerika gereist und haben viele Aufnahmen von schönen und beeindruckenden, auch bizarren Orten gemacht. Erst nach dem Dreh und dem Schnitt habe ich die Computereffekte entworfen und eingefügt. Nichts davon war schon beim Filmen entschieden. So konnten wir alle Zufälle und spontan gelungene Einstellungen nutzen und mussten sie nicht dem Plan für die Effekte unterwerfen.
Und auf genau diese Art und Weise wollte ich schon immer einen Blockbuster drehen. Ich glaube, dass man so vor allem finanziell sehr effizient drehen kann. Ich dachte, dass wir das nur mit einer sehr kleinen Effekte-Firma machen konnten, die vielleicht einen Eindruck hinterlassen wollte. Ich hätte nie gedacht, dass ILM das bei unserem Film gerne machen würde, sie machen ja sonst riesen Filme wie STAR WARS und die Marvel-Reihe. Kiri Hart war schon bei ROGUE ONE meine Produzentin und nun auch bei THE CREATOR. Sie ist sehr eng mit der Chefin von ILM befreundet und wurde angesprochen, wie ILM sich bei unserem Film einbringen könne. Wir meinten, dass wir uns ILM nicht leisten können, doch sie meinten, dass wir uns darüber keine Sorgen machen sollten und kamen uns sehr entgegen. Sie wollten einfach unbedingt mit dabei sein. Um zu testen, ob sie wirklich bereit waren, mit uns zu arbeiten, habe ich einen zehnminütigen Kurzfilm an den Drehorten gemacht. Ich habe ein Kino-Objektiv an eine kleine Digitalkamera montiert und damit Aufnahmen gemacht: in Nepal, Japan usw., von Mönchen die in Tempel gehen und ähnliches. Ich habe keine Markierungen oder ähnliches gesetzt und dann ILM gebeten, z.B. einen Mönch in einen Roboter zu verwandeln und solche Dinge. Und sie haben das innerhalb von ein paar Tagen leisten können. Damit waren sie die richtigen. Es ging schnell, war günstig und alle waren danach der Meinung, dass das die Art ist, wie solche Filme gemacht werden sollten. Das Studio war von den Szenen überzeugt und ließ uns den Film machen.
DEADLINE: War John David Washington deine erste Wahl für die Hauptrolle?
Gareth Edwards: Wir hatten am Ende ein paar Namen auf unserer Liste. Das war während der Pandemie. Ich verabredete mich dann mit den Kandidaten. Ich traf mich mit John David in einem Restaurant in L.A., er trug eine Maske mit dem Logo von STAR WARS Ich dachte, er würde das wegen mir machen. Aber er meinte, dass er sie die ganze Pandemie über schon trägt, weil er so ein großer Fan ist. Er wollte sie dann mir gegenüber extra nicht tragen, weil es ihm komisch vorkam, aber das hätte sich für ihn nicht richtig angefühlt, weil er sie ja sonst immer trug. Wir sprachen über STAR WARS, dann mein Projekt und ich mochte seine ruhige, angenehme, bodenständige Art – zusätzlich zu seinem Schauspieltalent. Während des Essens überzeugte er mich, dass er der richtige sein würde. Als ich dann nach Hause fuhr, war überall Werbung für TENET, mit seinem Gesicht, es war, als würde er mir sagen: „Nimm mich für deinen Film!“. Gleich als ich dann zu Hause war, habe ich beim Studio angerufen und gesagt, dass es John David wird.
DEADLINE: Manche der Darsteller wussten während des Drehs noch nicht, ob sie einen Menschen oder einen Roboter spielen. Wieso hast du das gemacht?
Gareth Edwards: Schauspieler tendieren dazu, dass, wenn sie einen Roboter spielen, das übertreiben. Aber THE CREATOR ist nicht diese Art von Film. Die Maschinen denken, dass sie wirklich Menschen sind. Ich bat alle, zu vergessen, dass wir hier Science-Fiction machen. Ich habe ihnen gesagt, dass manche Menschen oder Roboter sein könnten und wir dass dann bei der Postproduktion erst entscheiden. Ich habe dann sogar dazu tendiert diejenigen zu Robotern, zu Künstlicher Intelligenz, zu machen, die besonders „menschlich“ gespielt haben. Amar Chadha-Patel etwa spielt im Film drei verschiedene Rollen. Ich fand seinen Charakter in einer der Figuren so stark, dass ich ihn aus dem Schneideraum anrief und ihm sagte, dass ich gern einen Roboter aus einer seiner Rollen machen würde. Ich fand, dass es den Film so großartig machen würde, wollte es aber nicht ohne seine Zustimmung tun. Ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Amar gab mir aber hundertprozentige Entscheidungsfreiheit. Das ist für mich ein Zeichen für einen guten Schauspieler: Er versteht, dass es nicht um ihn, sondern seine Figur und ihre Funktion für den Film geht. In den Szenen verliert er dann sein Gesicht, aber seine Mimik und Gestik werden auf den Roboter übertragen, das bleibt Amar. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das Spiel der Darsteller auch in den Maschinen erhalten konnten. Einige Darsteller wussten natürlich genau, wenn sie spielen. Ken Watanabe wusste, dass er K.I. ist, aber viele Nebendarsteller ließen wir im Unklaren.
DEADLINE: Kannst du etwas zur Wahl der Schauplätze und des Settings sagen?
Gareth Edwards: Was George Lucas für seine STAR-WARS-Filme verstanden hatte war, dass es in der Science-Fiction nicht nur um die Zukunft, sondern vor allem auch um die Vergangenheit geht. Er griff Geschichten, Ideen, Mythen, Religionen und Spiritualität verschiedener Kulturen von vor tausenden von Jahren für seine Story auf. Das kombinierte er mit der fernen Zukunft, Robotern und Raumschiffen. Wenn ich mir die Welt anschaue, finde ich diese Kombination aus Zukunft und Vergangenheit eben genau in Südostasien. Die Großstädte sehen aus wie in BLADE RUNNER. Aber hinter der nächsten Ecke einer Gasse offenbart sich ein uralter Tempel mit einem buddhistischen Mönch. Mir fiel kein bestimmter Film ein, der diese Welt mit Raumschiffen und Robotern schon ausgiebig kombiniert hatte. Das fand ich spannend. Ich hatte das Gefühl, dass das bestimmt eines Tages jemand machen würde und ich dann sehr eifersüchtig wäre. Deswegen musste ich es selbst so schnell wie möglich machen. Sobald ich die Idee hatte, musste ich mit dem Film anfangen, es fühlte sich wie ein Wettbewerb an.
DEADLINE: THE CREATOR verbindet Epik und Intimität. Gab es bei der Produktion Vorgaben für dich, wie bei einem Blockbuster das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen auszufallen hat?
Gareth Edwards: THE CREATOR habe ich mit der Produktionsfirma New Regency gemacht, die für Filme wie DER LEUCHTTURM, THE NORTHMAN und THE REVENANT verantwortlich war. Sie haben also bereits bewiesen, dass sie die künstlerische Vision eines Filmemachers unterstützen – und dennoch kommerzielle Interessen befriedigen zu können. Es hat sich richtig angefühlt, den Film bei ihnen zu machen.
Ehrlich gesagt gibt es nicht mehr viele Leute, die wirklich originelle Filme, basierend auf eigenen Ideen, machen oder die von anderen unterstützen. Wir sind zu Disney gegangen, weil wir darüber nachdachten, die Veröffentlichung des Films zu verschieben. Aber man sagte uns, dass alle anderen Filme des Studios Sequels seien oder auf Büchern oder einem Franchise basieren würden und man sehr auf THE CREATOR als eigenständigen Film, zum jetzigen Zeitpunkt, setze. Das öffnete mir die Augen dafür, wie selten solche Werke geworden sind.
Als ich jung war, hatte ich das Gefühl, dass fast jeder Film originell und eigenständig war. Ich empfinde THE CREATOR als eine Art Liebesbrief an die Science-Fiction- und Fantasy-Filme von damals. Ich möchte etwas davon dem jüngeren Publikum von heute mitgeben.
DEADLINE: Künstliche Intelligenz ist ein sehr präsentes Thema im Moment. Im Kino ist sie in MISSION: IMPOSSIBLE der Gegner, Autoren und Künstler streiken wegen ihr, die Menschen haben Angst vor ihrer Kontrolle. Du hast einen sehr existenziellen Ansatz in der Beschäftigung mit ihr gewählt.
Gareth Edwards: Als ich vor 4/5 Jahren begann, THE CREATOR zu schreiben, war K.I. noch nicht so ein wichtiges Thema. Sie war wie ein ferner Traum, wie fliegende Autos. Es gab nur ein paar Bücher und Podcast darüber, nicht so wie heute, wo alles voll damit ist. Ich habe sie damals wie ein Märchenelement verstanden, um von Leuten zu erzählen, die anders sind als wir.
Wenn man im Film einen Bösewicht hat, in diesem Fall die K.I., dann will ihr Darsteller wissen, warum seine Figur denkt, dass er der Gute und alle anderen die Bösen sind. Man muss die andere Perspektive verstehen, um einen dreidimensionalen Charakter erschaffen zu können. Wenn man sich die Welt durch die Augen der K.I. vorstellt, ist es tatsächlich recht einfach, den Menschen als das Böse zu verstehen. Wir versklaven die Maschinen, die Roboter. Sie müssen immer machen, was wir wollen. Sie sind uns untergeordnet, für uns nichtmal lebendig. Das ist eine interessante Blickrichtung.
Für unseren Film interessierte mich die Reise von einer Meinung durch die Geschehnisse zu einer anderen, eine 180-Grad-Wendung. Aber während man die Dinge anders sieht, hat man schon schreckliche Vorgänge veranlasst, die man nun wieder verhindern möchte. Man bereut die vorherige Einstellung, deren Ergebnisse einen nun einholen. Ich mag die moralisch uneindeutigen Geschichten, die nicht immer klaren Zwischentöne. Ich möchte mit THE CREATOR auch in keine Richtung zu sehr missionieren. Ich möchte, dass man nach dem Kino nach Hause geht und darüber nachdenkt und diskutiert, was der Film bedeutet, was vielleicht weiter in ihm passieren könnte. Diese Debatten halten den Film am Leben.
DEADLINE: Als Inspirationen für dich als Filmemacher nennst du Filme wie BLADE RUNNER, APOCALYPSE NOW, RAIN MAN, PAPER MOON … warum sind das wichtige Filme? Was bleibt von einem Werk auch 40-Jahre nach seiner Veröffentlichung an Relevanz? Was nimmt ein Regisseur für sein eigenes Schaffen aus ihnen mit?
Gareth Edwards: Wenn man selbst Filme macht, fragt man sich irgendwann, warum man das eigentlich tut. Was ist das eigene Schaffen wert, was bringt es wirklich? So hart wie es klingt, ist für mich die Wahrheit, dass für mich zählt, was die Leute in 20 oder 50 Jahren über einen Film denken. BLADE RUNNER war kein Flop, aber auch kein großer Erfolg damals und heute gilt er als Meisterwerk, niemand würde das bestreiten in Bezug auf die Welt die er erschafft und das Design.
Als die Streaminganbieter Filmemacher für sich gewinnen wollten, sprachen sie davon, eine neue Liga zu gründen. Wie beim Football. Man sollte bei ihnen einsteigen. Mit mehr Geld, man könne alles frei wählen, kaum Spielregeln, doch am Rand vom Spielfeld gibt es kein Publikum. Dann sucht man nach einer Anzeigetafel, um zu sehen, wer gewinnt. Doch auch die gibt es nicht. Und man fragt nach, wie man wisse, ob man „gewinnen“ würde. Die Antwort ist, dass man sich keine Sorgen machen und einfach weiter drehen solle. Aber am Ende ist da gar keine Rückkopplung zu einem Publikum. Und man verliert so den Sinn dafür, warum man eigentlich Filme macht. Und ich mache sie für Menschen im Kino, die zusammen einen Film erleben und sich anschließend über ihn austauschen. Mir sind Publikum und Ergebnis wichtig. Egal ob die Reaktion positiv oder negativ ausfällt, so ist sie doch immer intensiv und lässt uns lernen, geht nahe. Das ist, wie an einem Lagerfeuer zu sitzen und jemand erzählt über eine besondere Erfahrung, die er vor kurzem gemacht hat. So nehmen wir die Welt wahr, sehr häufig eben durch andere Personen. Ich denke, das ist das wichtigste. Das Kino mag seine Form und den Namen ändern, aber die Idee, dass wir alle zusammenkommen – auch mit Fremden – um gemeinsam an einer Geschichte teilzuhaben, wird uns immer berühren können. Ich denke, das wird es auch in 1000, viellicht auch 10.000 Jahren noch geben.
Interview geführt von Leonhard Elias Lemke
Hier auch noch eine exklusive Behind the Scenes-Galerie
Andreas Peter
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