„Der Sensenmann ist die perfekte Figur für einen Cartoon“
Wer DEADLINE kennt, kennt Michael Holtschulte. Schon seit … eigentlich seit gefühlt schon immer leiten zwei seiner Cartoons die Rubrik HEIMSERVICE in unserem Magazin ein. Im zarten Alter von 15 Jahren wurde sein erster Cartoon veröffentlicht, inzwischen zeichnet er regelmäßig für die Süddeutsche, WAZ, den Eulenspiegel und andere Magazine und kann auf eine stattliche Anzahl Veröffentlichungen zurückblicken. Den Allermeisten dürfte der in Essen lebende Holtschulte für seinen Sensenmann bekannt sein, den sympathischen Gevatter seiner TOT, ABER LUSTIG Cartoons.
Zum Erscheinen seines neuesten Cartoon-Buchs haben wir uns ein wenig mit ihm unterhalten.
DEADLINE: Lieber Michael, dein aktuelles Buch, SPOILERALARM, ist letzte Woche erschienen, und zwar beim Schaltzeitverlag. Es ist der zweite Band der neuen Reihe UNENDLICHER SPASS MIT CARTOON, mit der sich Schaltzeit – neben den Graphic Novels, die dort ihr Verlagszuhause haben – tiefer in den Bereich Cartoon begibt. Wie kam’s dazu?
Michael Holtschulte: Dorthe Landschultz hat mit LESEN BILDET! die Reihe eröffnet, in ihrem Buch geht’s um Literatur. Schaltzeit hat mich dann gefragt, ob ich direkt nachlegen will. Wegen eines Themas musste ich nicht großartig lang überlegen: „Film und Serien“ sollte es sein. Mit meiner TOT-ABER-LUSTIG-Reihe hab ich eh gerade ein aktuelles Buch am Markt, und ich hab ja schon sehr viele Bücher gemacht, die cineastisches mehr oder weniger aufgreifen. Bei denen war ich dann meist als Herausgeber tätig und hab mich um die Zusammenstellung gekümmert. Und für DEADLINE-Magazin hab ich ja auch unglaublich viele Film-Cartoons erstellt. Die Idee, ein Buch zu machen, das sich nur mit Filmserien und Kino beschäftigt, lag also sehr nah. So ist SPOILERALARM dann entstanden. Auf den Titel SPOILERALARM bin ich echt stolz. Der ist noch nicht so verbrannt in dem Bereich.
DEADLINE: Stimmt. Guter Titel.
Michael Holtschulte: Ein Buch, das ich vor langer Zeit mit tollen Kollegen im Eigenverlag veröffentlicht habe, trägt ja den Titel GANZ GROSSES KINO. Damals dachte ich: Einen besseren Titel wird man nie finden! (lacht)
DEADLINE: Niemals! (lacht)
Michael Holtschulte: Und SPOILERALARM könnte nicht besser passen, ne? Der Titel ist noch ein bisschen besser!
DEADLINE: Der ist natürlich noch viel geiler! (grinst) Aber sag doch mal … wo du eben erwähnt hast, dass du bei deinen vorherigen Werken meistens selbst die abgedruckten Cartoons ausgewählt hast: Das ist bei SPOILERALARM ja nicht so. Da warst nicht du das, sondern jemand anderes. Nämlich kein Geringerer als Oliver Kalkofe. Der übrigens ein sehr charmantes Vorwort für den Band geschrieben hat. Wie kam’s zu der Zusammenarbeit?
Michael Holtschulte: Ich bin mit Oli quasi groß geworden. Als er damals noch auf Premiere lief (KALKOFES MATTSCHEIBE wurde von 1994 bis 1998 erstausgestrahlt, Anm. der Red), hab ich Sonntagsabends immer vorm TV gesessen. Und bei SPOILERALARM dachte ich mir: Gäb’s etwas Cooleres, als da jetzt ein Vorwort zu haben von jemandem, der genauso filmbegeistert ist? Und weil ich wusste, dass er meine Cartoons bei facebook und Instagram likt und viele auch schon geteilt hat … Und weil er bei Lappan, wo ich ja auch regelmäßig veröffentliche, ein Cocktailbuch zu SCHLEFAZ herausgebracht hat … gemeinsame Bekannte … Da dachte ich mir: Wenn da so viel zusammenkommt, kann ich es einfach mal wagen! Ich hab ihn bei Instagram angeschrieben und gefragt, ob er Lust hätte. Er hat sofort geantwortet, zugesagt und wir haben dann auch direkt telefoniert. Er hat das Vorwort geschrieben, parallel einen wirklich großen Stapel meiner Cartoons zugeschickt bekommen und daraus dann die ausgewählt, die letztendlich ins Buch reinkommen sollten.
DEADLINE: Das ist bestimmt irre spannend, zu sehen, was ein anderer so auswählt.
Michael Holtschulte: Ja. Ich hab dann auch leichtsinnigerweise gesagt, dass ich ihm einen Gefallen schulde – und er hat sofort zugegriffen! Ich hatte das eher so Mac-Gyver-mäßig gedacht, also dass der Gefallen irgendwann mal eingelöst wird. (lacht)
DEADLINE: Und welcher Gefallen war das?
Michael Holtschulte: Also … Nach der großen Enttäuschung, als Tele 5 SCHLEFAZ fallengelassen hat, fand das Format ja bei RTL Nitro eine neue Heimat. Das lief gerade alles an, Oli war mit Peter mit dem SCHLEFAZ-Live-Programm auf Tour. Und dafür sollte ich dann ein Motiv zeichnen. Davon sind dann auch Poster produziert worden und ganz tolle T-Shirts. Und dabei ist es nicht geblieben: Inzwischen ist schon das zweite Motiv fertig, und ich hab einen Trickfilm gemacht, einen Trailer für die SCHLEFAZ-Reihe. In Duisburg findet zur Feier des Episodenschluss der ersten Staffel bei Nitro eine Live-Show statt – und da bin ich natürlich auch vor Ort und mit auf der Bühne. Es wird also auch ein bisschen die Buchveröffentlichungsparty für SPOILERALARM.
DEADLINE: Hast du Oli eigentlich bei der Auswahl der Cartoons reingequatscht oder versucht zu lenken, so dass persönliche Lieblinge irgendwie doch noch reinkommen?
Michael Holtschulte: Es ist zu 99 Prozent seine Auswahl. Natürlich muss man da auf die Gewichtung achten, weil sonst beispielsweise vielleicht zu viele Darth-Vader-Cartoons mit drin gewesen wären. Ein ganz ganz klein wenig an Cartoons ist aus Platzgründen rausgefallen. Die Anordnung und Aufteilung ist sehr wichtig. Wer sich ein bisschen auskennt, wird bei den Übergängen Schnittstellen finden. Ob es jetzt ein Marvel ist, STAR WARS, Disney als große Klammer und dann INDIANA JONES, wo irgendwie so Crossover passieren, bevor es mit Indiana Jones weitergeht. Da habe ich echt lange dran rumgepuzzelt und ich hoffe, es ist gelungen.
DEADLINE: Jetzt hast du mir eine Frage quasi vorweggenommen. STAR WARS nimmt schon einen großen Teil in SPOILERALARM ein …
Michael Holtschulte: Ich hab halt sehr viele STAR-WARS-Cartoons. (lacht) Ich hab ja auch schon zwei Bücher als Herausgeber zusammengestellt, zwei richtig dicke Bände. Logisch, dass dann sehr viel Material von STAR WARS drin ist. Es mussten ja auch Serien, beispielsweise THE MANDALORIAN, mit abgedeckt werden und auch die neueren STAR-WARS-Filme. Uns war sehr wichtig, dass die Cartoons auch nachvollziehbar sind für Menschen, die jetzt nicht ganz so tief in der Materie drin stecken. Klar gibt es die Insider-Gags, ich denke da an den Cartoon mit dem Staffelfinale von GAME OF THRONES.
DEADLINE: … und wir spoilern nicht!
Michael Holtschulte: (lacht) Den hatte ich damals schon beim Staffelfinale gezeichnet, hab mich aber nicht getraut ihn zu posten im Internet, weil ich mich ja selbst über Spoiler so aufrege! Aber ich denke, jetzt ist es an der Zeit, den zu zeigen, weil ich den auch sehr, sehr witzig finde.
DEADLINE: Ist STAR TREK eigentlich für dich kein Thema? Früher war das ja fast eine Glaubensfrage: STAR TREK oder STAR WARS? STAR WARS ist es bei dir, du bist ein STAR-WARS-Kind, gell?
Michael Holtschulte: Es ist tatsächlich so, dass ich mit STAR WARS zuerst Kontakt hatte. Mein Onkel hatte damals ganz, ganz viele VHS, und dann hab ich immer heimlich bei meinen Großeltern STAR WARS gucken können. Da war ich noch sehr klein, das bleibt so als Kindheitserinnerung natürlich hängen. Ich muss aber dazu sagen, dass ich relativ schnell auch RAUMSCHIFF ENTERPRISE im Fernsehen gesehen hab, auf Sat. 1, das lief ja im Nachmittagsprogramm nach der Schule und ich hab dann während der Hausaufgaben geguckt.
DEADLINE: Ja, ich auch!
Michael Holtschulte: Nach TNG hab ich STAR TREK weniger verfolgt und so seit vier, fünf Jahren bin ich bei den neueren Serien auch auf dem aktuellen Stand; noch nicht bei allem, aber ich bin dran. Da gibt es viel aufzuarbeiten. Und ich will nicht ausschließen, dass irgendwann auch STAR-TREK-Cartoons kommen, ich war bis jetzt einfach noch nicht ganz so im Thema. Aber ich mag beides, ich mag beides tatsächlich. Das ist ja heute auch nicht mehr so arg wie es mal früher war, als man nur „entweder – oder“ sein konnte. Und das ist ja auch Quatsch.
DEADLINE: Ich war damals großer Fan von DEEP SPACE NINE, da wurd’s endlich mal ein bisschen dunkler bei STAR TREK.
Michael Holtschulte: So weit bin ich noch nicht.
DEADLINE: Parallel lief ja auch BABYLON 5, ich war voll Fangirl von G’Kar. Die Serie war wie DEEP SPACE NINE eben ein bisschen darker. Wahrscheinlich mag ich deshalb auch deine Darth-Vader-Cartoons so unheimlich gern, weil ich immer ein großer Vader-Fan war. Die Bad Boys halt. So rein optisch hat Vader ja auch eine gewisse Ähnlichkeit mit deinem Tod.
Michael Holtschulte: Ja, ja, der schwarze Mantel und so. Da gab es auch schon Crossover.
DEADLINE: Bietet sich ja auch an. Dein „Tod“ ist gewissermaßen dein Flaggschiff. Siehe TOT ABER LUSTIG. Hattest du eigentlich Vorbilder beim Erdenken der Figur? Wenn man ein bisschen popkulturell unterwegs ist, fällt einem eventuell Terry Pratchetts Tod ein, der immer in Großbuchstaben redet. Oder der Tod aus Monty Pythons SINN DES LEBENS, der mit der Lachsschaumspeise. Beides sehr witzige, schwarzhumorige Sensenmänner. Ist dein Tod eine Hommage oder wolltest du einfach nur was Düsteres machen, das fies und lustig ist?
Michael Holtschulte: Rein optisch hat sich das wohl aus allen möglichen Einflüssen zusammengesetzt. Nicht bewusst. Der Sensenmann ist eine sehr alte Figur, barock, glaube ich. Es ist ja nicht so, dass wir Cartoonisten den jetzt erfunden hätten, diesen Sensenmann. Was für dich als Autorin auch interessant sein könnte: Ich habe mit einem Cartoon nur ein Bild Zeit, um eine Geschichte zu erzählen. Anders als im Comic, wo ich eine Figur einführen kann und die Motivation und Inneneinsicht und was weiß ich nicht alles darstellen kann. In einem Cartoon gibt es nur eine Situation. Alles andere ergibt sich im Kopf des Betrachters, also die Vorgeschichte und das, was danach passiert. Da muss ich natürlich mit Klischees spielen und mit Schubladen, damit die ganze Geschichte sofort erfasst werden kann. Wofür der Sensenmann steht, ist sofort klar. Und wenn man sowieso schwarzhumorig unterwegs ist, kann man dann direkt die Pointen raushauen. So gesehen ist der Sensenmann die perfekte Figur für einen Cartoon. Dem liegt gar nichts Morbides zugrunde, zu dem ich einen Hang hätte. Ich werde auch immer wieder gefragt, ob ich gerne auf Friedhöfen spazieren gehe oder sowas. Nee.
DEADLINE: Lustigerweise hast du jetzt wieder einer Frage vorgegriffen, die ich mir notiert hab. Ich lese dir die mal so vor, wie sie hier steht: Deine Arbeit lebt ja davon, eine ganze Geschichte in ein Bild zu packen. Wie schaut’s aus? Hast du mal Lust, dich an einer Graphic Novel abzuarbeiten? Würde dich das reizen?
Michael Holtschulte: Ich sage immer: Ich bin Cartoon-Zeichner. Also ein sehr, sehr fauler Comic-Zeichner.
DEADLINE: (lacht)
Michael Holtschulte: Aber ich mache ja auch Trickfilme, und das ist viel näher am Comic als am Cartoon. Diese Geschichten sind natürlich nicht so lang, aber so ein bisschen was einzuführen und etwas mehr zu erzählen … Da hab ich schon Spaß dran. Allerdings jetzt eher nicht als Graphic Novel und als Comic. Das steht momentan nicht auf meiner Agenda. Allerdings, wenn wir gleich die Aufnahme stoppen, kann ich dir noch was anderes erzählen.
DEADLINE: Und wir spoilern nicht!
Michael Holtschulte: Nein, tun wir nicht. (lacht)
DEADLINE: Deswegen übergehe ich das Thema einfach galant: Du beziehst dich sehr viel auf Sachen, die großen popkulturellen Einfluss haben und hatten. Wirklich große Werke aus Film und TV. Gab es schon mal Ärger wegen eines Motivs oder Stress mit beleidigten Nerds?
Michael Holtschulte: Nee, also Ärger auf keinen Fall. Auch keinen rechtlichen Ärger. Es ist ja Satire und ein Gesamtwerk. Anders sähe es natürlich aus, wenn ich eine Figur nehmen und davon ein T-Shirt herstellen lassen würde. Dann würde ich als Trittbrettfahrer dieses Franchises Geld verdienen, was mir nicht zusteht … Was aber öfters mal vorkommt, ist, dass manche einen Witz nicht verstehen.
DEADLINE: Humor ist eigentlich fast immer ein Wandeln zwischen Mainstream und Nerdtum, so ein bisschen ein Drahtseilakt, je nachdem, wo man sich bewegt. Ich hatte mich jetzt auf eine skandalöse Story gefreut – aber nee!
Michael Holtschulte: Dann kommt hier eine schöne: Ich war mal, das ist schon ein paar Jahre her, auf einer Horror-Convention zu Gast. Da war auch der Herr Englund anwesend, und ich saß fast neben ihm. Er hat signiert, ich hab signiert. Und ich hatte gerade dieses Horrorfilm-Cartoon-Buch am Markt, in dem auch sehr viele schöne NIGHTMARE ON ELMSTREET Cartoons drin sind. Und die fand der total super. Ich hatte auch einen Print davon dabei, den hat er dann extra mit seinem Freddy-Handschuh durchgestochen – und ich durfte es fotografieren. Er ist selbst ein begnadeter Zeichner und hat mir auch noch was gezeichnet. Solche Erlebnisse, die sind der Hammer!
DEADLINE: Wäre klasse, wenn wir das Foto zeigen könnten!
Michael Holtschulte: Klar! Hier:
DEADLINE: Und meinen liebsten deiner Freddy-Cartoons gleich auch noch dazu:
DEADLINE: Und damit bedanke ich mich für den netten Talk und wünsche dir viel Erfolg auf deiner CARTOONSHOW-Tour, die nächsten Donnerstag in Stuttgart startet.
(Das Interview wurde geführt von Germaine Paulus)
DAS ENDE IST NAH!
Die Cartoonshow von Michael Holtschulte könnt ihr live in folgenden Städten besuchen:
26. September – Stuttgart
02. Oktober – Hannover
03. Oktober – Frankfurt
04. Oktober – München
23. Oktober – Bielefeld
24. Oktober – Köln
06. November Unna
18. November Essen
Mehr Infos zu Ticketing und weiteren Events und allem, was Michael sonst so treibt, findet ihr auf seiner Website.