Was erwartet man von einer Miniserie über den Pornostar Rocco Siffredi alias „The Italian Stallion“? Im besten Fall gute Unterhaltung und ein paar ehrliche Einblicke. Beides wird in den sieben Folgen nur bedingt geliefert. Stattdessen gibt es viele absurde innere und äußere Monologe und Beschönigungen zugunsten einer vermeintlich philosophischen Stilistik. Damit ist SUPERSEX trotz einiger vielversprechender Ansätze und eines talentierten Hauptdarstellers oft ungewollte Comedy.

Die Serie basiert lose auf dem Leben von Roco Siffredi (gebürtig Rocco Tano), der den Film nicht nur autorisiert hat, sondern sich auch mit Hauptdarsteller Alessandro Borghi getroffen hat, um ihm viele private Einblicke zu gewähren. Funfact: Der echte Rocco Siffredi hat in Folge zwei einen Gastauftritt: Er isst Pasta im Pariser Restaurant, in dem sein fiktionales Ich kellnert. Drehbuch und Regie für SUPERSEX übernahm Francesca Manieri, die bei der Geschichte das meist tragische Innenleben des berühmten Pornodarstellers in den Fokus stellt. Und so wird aus dem Mann, der in etwa 1.300 Filmen mitgewirkt und mit über 4.000 Frauen geschlafen haben soll, ein Opfer seiner Umstände und Gefühle – errettet von seiner „Superkraft“, dem Sex. Diese tritt in jungen Jahren in Form des Pornoheftchens „Supersex“ das erste Mal in Roccos Leben, als er in einfachen Verhältnissen in Ortona aufwächst. Immer wieder wird seine schwierige Beziehung zu seinem Halbbruder Tommaso (Adriano Giannini) in der Serie aufgegriffen. Das meiste von diesem Erzählstrang ist frei erfunden, da Siffredi fast nichts über seine Kindheit bekannt gab. Immerhin lernt er aber in der Serie von seinem Bruder so wertvolle Weisheiten wie „Frauen und Geld sitzen im selben Boot“. Auch die Schwärmerei für Tommasos Jugendliebe und spätere Frau Lucia (Jasmine Trinca) ist eine frei erfundene dramatische Ergänzung. Sie dient schon früh als Projektionsfläche für Roccos ewige Suche nach der wahren Liebe und liefert vor allem in den letzten Folgen zumindest ein paar echte Szenen mit Tiefgang. Etwa wenn sie mit Rocco ein Gespräch über Einvernehmlichkeit und Gewalt beim Sex führt. Ansonsten werden Siffredis berüchtigter Ruf in der Branche und seine Vorliebe für extrem harten, angeblich gewalttätigen Sex nur beiläufig thematisiert. Das würde auch nicht ins Bild passen, das die Serie zeichnen will: ein Mann, der unter schwierigen Umständen aufwuchs und die fehlende Mutterliebe und seine Komplexe durch eine Sexsucht kompensieren muss. Einer, der seine Gefühle nie richtig zum Ausdruck bringen kann – außer durch den Akt. Immer wieder zeigt SUPERSEX deshalb einen kuhäugigen Alessandro Borghi, der verloren scheint. Aber immer, wenn man beginnen könnte, wirklich Mitleid mit ihm zu haben, platzen die skurrilsten Sätze in die Szenen, wie etwa: „Der Schwanz war in meinem Kopf.“ Oder als er sich vermeintlich verliebt und sich mit der sexuell gefügigen, aber dann doch zu besitzergreifenden und dramatischen Tina (Linda Caridi) in eine mehrwöchige Pornoauszeit auf eine Insel begibt: „Sie hatte unser Herz neben meinen Schwanz gemalt, und dort fühlte ich ihn explodieren.“

Natürlich gibt es auch viele nackte Tatsachen, die fast jedes Mal in pseudophilosophischen Ergüssen enden (schlechtes Wortspiel beabsichtigt). Etwa wenn Rocco sein „Schicksal“ endlich ganz annimmt und wie in einer Art Taufzeremonie in eine Orgie in einem Pool eintaucht. In dieser Szene in Folge vier bekommt das Publikum dann auch zum ersten Mal den „kleinen großen Rocco“ zu sehen. Dass diese berühmten 23 Zentimeter fast schon heilig und übertrieben inszeniert werden, passt zur gesamten Stilistik der Serie. Und gerade als man denkt, es geht nicht absurder, folgen ein Blowjob am noch offenen Grab der Mutter und eine freiwillige Beschneidung Roccos. Denn er wollte mit der noch frischen Wunde bei jedem Orgasmus den gleichen Schmerz wie seine sterbende Mutter fühlen. Absurdität und Fremdscham in Reinkultur und manchmal zum Glück so doof, dass man immerhin drüber lachen kann. Dabei soll diese Geschichte sogar echt sein.
Die Begegnung mit seiner Frau Rózsa Tassi (Nutsa Khubulava) und damit auch das Finden der sehnsüchtig erwarteten Liebe wird hingegen enttäuschend kurz abgehandelt. Dabei hätte die Serie genau hier die Chance gehabt, etwas von der Tiefgründigkeit, die zuvor immer wieder so mühsam und oft vergebens konstruiert wurde, zu zeigen.

Zum Glück gibt es noch den Soundtrack, der dank der Färbung der 1980er bis 2000er mit einer ordentlichen Portion Italo-Pop und Eurodance richtig Spaß macht. Ohne die herausragende Leistung von Alessandro Borghi wäre die Serie an vielen Stellen vollends in Trash abgedriftet. So schafft dieser es auch in der letzten Folge mit dem vielsagenden Namen DER SCHWANZ KOMMT AM SCHLUSS, dieses Zitat zu liefern und dabei noch eine schauspielerische Ernsthaftigkeit zu wahren: „Jeder Junge hat die Macht, ein Mann zu werden. Aber diese Macht spiegelt sich in den Augen eines anderen. Du entscheidest, ob du bereit bist, sie zu erwidern. Das ist die einzig wahre Superkraft. Alles andere ist Porno.“ Wie poetisch. (Jessica Wittmann-Naun)