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THE CHANGELING: REVIEW UND INTERVIEW MIT KOSTÜMDESIGNERIN ANE CRABTREE

Regie: Melina Matsoukas, Jonathan van Tulleken, Dana Gonzales, Michael Francis Williams / USA 2023 / 8 Folgen

Besetzung: LaKeith Stanfield, Clark Backo, Adina Porter, Samuel T. Herring, Alexis Louder, Jared Abrahamson, Malcolm Barrett

Produktion: Megan Ellison, Patrick Chu, Ali Krug

Start: 08.09.2023

AppleTV+ präsentiert mit THE CHANGELING, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Victor Lavalle, ein Schauermärchen für Erwachsene, das mit seiner atmosphärischen Erzählweise und düsteren Plot Twists fesselt. Der Titel THE CHANGELING („der Wechselbalg“) gibt dabei schon einen Hinweis auf das Motiv: Der Wechselbalg war im Aberglauben des europäischen Mittelalters ein Säugling (veraltet „Balg“), der einer Wöchnerin durch ein dämonisches Wesen im Austausch gegen ihr eigenes Kind mit der Absicht untergeschoben wurde, die Menschen zu belästigen und ihnen zu schaden. (Quelle: Wikipedia)

Die Serie folgt Apollo Kagwa (LaKeith Stanfield), einem Antiquitätenhändler und frisch gebackenen Vater, der entschlossen ist, für sein Kind auf eine Weise da zu sein, wie es sein eigener Vater, der ihn verlassen hat, nicht getan hat. Apollos Frau Emma (Clark Backo) hat nach der Geburt Schwierigkeiten, eine Verbindung zu ihrem Kind aufzubauen. Ihr Zustand sprengt schließlich alle Dimensionen einer postnatalen Depression, bis sie eine schreckliche Tat begeht – jenseits des Verständnisses aller Eltern – und sich scheinbar in Luft auflöst. So beginnt Apollos Reise auf der Suche nach seiner Frau und seinem Sohn. Sie führt ihn zu einer vergessenen Insel im East River, einem Friedhof voller Geheimnisse, einem Wald in Queens, in dem noch immer Einwandererlegenden leben, und schließlich zurück an einen Ort, von dem er glaubte, er hätte ihn für immer verloren.

THE CHANGELING beginnt optimistisch und romantisch mit der Liebesgeschichte von Apollo und Emma. Doch bereits in den ersten Folgen wird durch die Erzählweise und die mystischen Elemente eine düstere, nachdenkliche Grundstimmung geschaffen, sei es durch Flashbacks in Apollos rätselhafte Kindheit oder eine Begegnung mit einer unheimlichen Hexe im brasilianischen Dschungel. Die Serie setzt bewusst auf Spannung durch nicht zu Ende erzählte und wiederkehrende Passagen, sodass man als Zuschauer der Handlung mit einem Mix aus Verwirrung, Neugier und Schauer folgt. Die Liebesgeschichte wandelt sich langsam zur düsteren Fabel über das Elterndasein und inszeniert das eigentlich im Genre schon sehr abgegriffene Motiv des dämonischen Babys im zeitgemäßen Gewand. Obwohl die Serie im modernen New York City spielt, ist sie auch geprägt von Zeitsprüngen mit Rahmengeschichten und einer besonderen Dramaturgie. Besonders sticht hier Episode sieben heraus, die an ein Theaterstück erinnert.

THE CHANGELING ist eine Serie, die man nicht nebenbei schauen kann (und will). Sie ist teilweise auf fast beklemmende Weise intensiv und gerade mit zunehmendem Verlauf der Story keine leichte Kost. Sie behandelt Themen wir Herkunft, Elternschaft, Schuld und Trauma, garniert mit Mystik, und schafft es, vor allem durch die Leiden und Emotionen der Charaktere zu fesseln. Gerade gegen Ende nimmt sie noch mal richtig Fahrt auf und hält einige Überraschungsmomente bereit, sodass man nach dem Anschauen manchmal tief durchatmen muss.

Ein Mix aus Film noir und modernem Horrormärchen, bei dem neben Mystik auch die menschlichen Abgründe eine Hauptrolle spielen.

 

Wir haben mit Kostümdesignerin Ane Crabtree (THE HANDMAID’S TALE, WESTWORLD, MASTERS OF SEX) über die Serie gesprochen.

DEADLINE: Wie sieht der kreative Prozess aus, wenn du die Kostüme designst? Ist es immer ein ähnlicher Ablauf oder hast du jedes Mal eine andere Herangehensweise?

ANE CRABTREE: Es ist lustig. Ich mache das jetzt seit mehr als 35 Jahren, und ich habe bis vor etwa fünf oder sechs Jahren gar nicht gemerkt, dass ich eine ähnliche Herangehensweise habe. Es ist zwar nicht schwer, anzufangen, aber ich möchte immer etwas machen, das ich noch nie zuvor gemacht habe. Ich glaube, das ist unerlässlich als kreative Person. Ich höre bestimmte Musik an, die zum Thema passt oder auch nicht, aber meistens tut sie es. Die Geschichte in THE CHANGELING ist ergreifend und schwer. Es gibt verschiedene Zeitstränge, die Realität und Dinge, von denen wir nicht wissen, ob sie real sind. Ich habe Musik gehört, die ich auch schon für THE HANDMAID’S TALE gehört habe. Eine Fusion aus Afro, Cuban, Jazz und Negro Spirituals und der perfekte Weg in die Geschichte, in der viele verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Das war mein Einstieg, um etwas Mystisches, Glaubwürdiges für diese tollen Charaktere zu kreieren. Ich höre auch immer Aretha Franklin. Ich nutze Musik, weil meine Welt so visuell ist. Sie hilft mir bei kreativen Blockaden, es ist sehr Zen. Außerdem mache ich eine riesige Wand mit vielen Bildern – wie eine mentale Plakatwand für eine Kostümwelt. Das Tolle daran ist, dass ich so meine Ideen schnell mit den Schauspielern und meinem Team in verschiedenen Ländern teilen kann.

Früher war ich immer sehr schüchtern und habe mich für meinen Prozess geschämt, weil ich kein Kostümdesign studiert habe. Aber einmal habe ich ein Projekt über Kentucky gemacht, wo ich herkomme, und der Supervisor meinte: „Diese Bilder sind so schön. Wenn du sie im Flur aufhängst, wird jeder inspiriert sein.“ Inzwischen habe ich sogar Ausstellungen mit meinen Bildersammlungen gemacht. Es ist sehr frei, aber ich folge dabei dem Drehbuch, also ein tolles Ventil für jemanden mit Kurzzeitgedächtnis. Es ist wie eine Landkarte.

DEADLINE: Die Atmosphäre in der Serie ist sehr besonders. Sie startet glücklich und fast unschuldig, und dann gibt es diese düstere Wendung. Wie hast du das in die Kostüme integriert?

ANE CRABTREE: Kleidung ist ein Weg, Zeit und Ort zu zeigen. Zuerst lese ich alles über die Charaktere und deren Hintergrund. Ich denke darüber nach, wo sie geboren sind, wie ihre psychologische Reise war. Dann versuche ich das durch emotionale Farben in die Kostüme zu bringen. In THE CHANGELING habe ich darüber nachgedacht, welche Muster von 1800 bis zum Beginn unserer Geschichte in den 2000ern verfügbar waren. Vieles davon waren Karos und Muster in verschiedenen Lagen. Das kenne ich aus der asiatischen Kultur, denn meine Mutter stammt aus Okinawa. Ich habe also selbst einen gemixten Hintergrund, ähnlich wie Apollo. Auch in China gibt es diesen schönen Mustermix und verschiedene Lagen, und ich fand das immer sehr echt. Man möchte, dass die Kostüme irgendwie verschwinden, aber trotzdem Präsenz haben.

DEADLINE: Kannst du sagen, wie viel deiner Arbeit aus Recherche besteht und wie viel aus der tatsächlichen Arbeit an den Kostümen, mit Stoffen, Design etc.?

ANE CRABTREE: Das ist eine gute Frage. Ich habe keinen Partner und keine Kinder und bin immer unterwegs. Ich bin einer dieser verrückten Menschen, die sich voll in die Arbeit stürzen und darauf fokussieren, wenn ein Projekt ansteht. Es ist wie eine Gratiszugabe für jeden, der mich engagiert. Ich arbeite immer, selbst an meinen freien Tagen. Es ist schlimm, das zuzugeben, aber ich bin ein bisschen wie auf Droge, wenn ich in eine Geschichte eintauche. Besonders, wenn ich sie liebe und daran glaube. Ich kann es nicht ausschalten. Selbst ein Bild von einem Bären auf einer Sicherheitskamera in Kanada kann Inspiration sein. Ich mache Roadtrips, mache Fotos und verwende sie für meine Arbeit. Ich glaube auch immer, es hat etwas Metaphysisches: Warum bin ich zu genau diesem Projekt gekommen? Es ist nicht nur ein Tausch gegen Geld, es ist ein kreativer Austausch. So funktioniere ich. Also kann ich gar nicht konkret beantworten, wie die Anteile sind. Kostümdesigner arbeiten außerdem oft in verschiedenen Ländern und Zeitzonen. Ich starte immer, wenn es dunkel ist, weil das für mich eine kreative Zeit ist.

DEADLINE: Morgens oder nachts?

ANE CRABTREE: Es ist lustig. Ich wurde eine Minute nach Mitternacht geboren, und als Malerin war meine beste Zeit, um zu arbeiten, immer zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens. Ich starte daher immer zwischen drei und fünf Uhr morgens, weil die meisten anderen gegen sieben Uhr anfangen. Ich nutze diese ruhige, konzentrierte Zeit, auch an den Wochenenden. Ich brauche das neben all den Meetings und sonstigen Dingen, die zu einer Produktion gehören. Wenn ich allein arbeiten könnte, würde ich es tun, obwohl ich meine Crew liebe. Etwas zu kreieren ist ein individueller Prozess, der Rest ist Management und eine Art Mutter zu sein.

DEADLINE: In einem anderen Interview für die Costume Designers Guild hast du gesagt, dass du arbeitest, bis du zusammenbrichst. Es ist also einfach diese Leidenschaft für die Arbeit, die dich treibt?

ANE CRABTREE: Ja, weißt du, was lustig ist? Während des Streiks habe ich mit einem Bauernhof angefangen, Sancte Terre. Es ist so schwierig, weil es physisch anstrengend ist. Aber ich glaube, so ein Projekt ist typisch für Menschen beim Film, weil wir nicht gerne scheitern. Meine Mutter ist aus Okinawa gekommen, sie ist 86. Wir haben von sechs Uhr morgens gemeinsam bis zum Sonnenuntergang gearbeitet. Vielleicht habe ich diese Arbeitsmoral von ihr. Wenn du etwas liebst, fühlt es sich nicht wie Arbeit an. Das soll nicht kitschig klingen, aber ich glaube, es ist wichtig, dass dein Leben eine Bedeutung hat und keine Zeitverschwendung war. Deshalb möchte ich auch nicht die Zeit der Zuschauer oder meine verschwenden. Ich möchte den Akt des Erschaffens lieben. Und ich bin in so einer glücklichen Lage, dass ich das kann. Das realisiere ich jetzt während des Streiks.

DEADLINE: Schaust du dir deine eigene Arbeit an, wenn sie erscheint? Manche Schauspieler machen das ja zum Beispiel bewusst nicht.

ANE CRABTREE: Die Sache ist die: Ich habe gelernt, dass ich nichts mit jemandem zusammen schauen kann, selbst wenn ich möchte. Weil ich so hyperkritisch bin. Aber das Gute ist, dass ich vieles vergesse, sobald es abgeschlossen ist, weil ich oft schon im nächsten Job stecke oder mich in meine eigene Kunst stürze, wie das Malen. Ich habe keinen Fernseher und schaue nur gelegentlich Dokumentationen. Ich gehe auch selten ins Kino. Das ist verrückt, aber wahr. Aber ich schaue genug, um stolz sein zu können. Das Schöne ist, dass der Trailer zu THE CHANGELING so toll ist. Man realisiert das ganze Ausmaß der Arbeit erst Monate später. Außerdem ist es schön, dass Menschen wirklich auf meine Arbeit reagieren. Vincent van Gogh hat nie erlebt, wie sehr die Menschen seine Bilder lieben und für immer von ihnen bewegt sind. Ich will nicht sagen, dass ich ein Vincent van Gogh bin, aber wir alle haben das Glück, in dieser Gesellschaft und Zeit zu leben. Selbst wenn sie schnelllebig ist, zum Beispiel auf Social Media. Wir haben das Glück, dass du mir heute sagen kannst, dass du die Serie magst, obwohl sie erst morgen erscheint. Das freut mich, denn als Kostümbildnerin will ich, dass die Zuschauer etwas fühlen.

DEADLINE: Vielen Dank für das Interview.

THE CHANGELING läuft hier auf AppleTV+ mit wöchentlich neuen Folgen jeden Freitag.

Interview geführt von Jessica Wittmann-Naun

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Regie: Melina Matsoukas, Jonathan van Tulleken, Dana Gonzales, Michael Francis Williams / USA 2023 / 8 Folgen

Besetzung: LaKeith Stanfield, Clark Backo, Adina Porter, Samuel T. Herring, Alexis Louder, Jared Abrahamson, Malcolm Barrett

Produktion: Megan Ellison, Patrick Chu, Ali Krug

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