Die nicht allzu ferne Zukunft. KIs sind schon länger Teil des öffentlichen Lebens und haben angefangen, ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Als eine dieser KIs mitten in L. A. eine Atombombe zündet, entbrennt ein Krieg zwischen den USA und den künstlichen Lebensformen.
In dieser von Krieg geplagten Welt begleiten wir Joshua, einen Ex-Soldaten, welcher eine Superwaffe der KIs ausfindig machen und eliminieren soll. Als er statt einer Waffe jedoch ein kleines Robotermädchen findet, entspinnt sich ein Roadmovie rund um Themen wie Akzeptanz, Liebe und darum, wann Leben eigentlich lebenswert ist.
Ganze sieben Jahre hat es gedauert, nun hat das Warten auf Gareth Edwards’ neuen Film ein Ende. Nach der, seinen eigenen Aussagen nach, doch recht schwierigen STAR WARS – ROGUE ONE-Erfahrung meldet sich der durch MONSTERS bekannt gewordene Regisseur mit einem Herbst-Blockbuster zurück. Und stellt sich dabei den großen Fragen rund um künstliche Intelligenzen und möchte nebenbei noch gutes Popcornkino bieten.
Und Zweiteres schafft Edwards mit einer solchen Leichtigkeit und einem solchen Selbstverständnis, dass alle anderen großen Filmstudios aufhorchen sollten. Was hier mit einem Budget von gerade mal 80 Millionen US-Dollar erreicht wurde, kann schon beinahe als wundersam bezeichnet werden, besonders, wenn man sich die großen, 300 Millionen Dollar teuren Flops des Sommers anschaut. Wo INDIANA JONES und ANT-MAN so aussehen, als hätten sie nicht ein einziges Set außerhalb von Greenscreens gesehen, geht THE CREATOR den Weg eines Indiefilms und ist damit auch ganz im Sinne von Edwards´ Filmdebüt MONSTERS. Das hier ist ganz große, dreckige, geerdete Science-Fiction, welche beinahe in die Stratosphäre eines DUNE vordringen kann.
Das liegt insbesondere an der sehr von Neill Blomkamps DISTRICT 9 inspirierten Art und Weise, in diesem Fall KIs in Szene zu setzen. Edwards’ Entscheidung, die meisten von ihnen mit möglichst vielen menschlichen Merkmalen auszustatten, sie genauso wie alle menschlichen Figuren zu inszenieren und handeln zu lassen, führt zu einer Verschmelzung dieser beiden doch eigentlich gegensätzlichen Seiten. Dieses bewusste Verschwimmen der Grenzen stellt die zentrale These des Films, „Wann sind Liebe und menschliche Bindung echt?“, wundervoll, passiv in den Vordergrund, ohne belehrend zu wirken. Das Glanzstück des Films ist jedoch ohne Zweifel die großartige Hauptdarstellerin (Madeleine Yuna Voyles), welche die „Superwaffe“ Alfie mit so viel Gefühl und Verve verkörpert, dass alle anderen Schauspieler:innen zu Nebendarstellern umprogrammiert werden. Schon sehr lange ist es her, dass ein Kind einen vermeintlich so großen Film so souverän getragen hat. So ganz schafft es THE CREATOR dann aber doch nicht, in die höchsten Höhen der Filmkunst vorzudringen.
Dass dies nicht ganz gelingt, liegt einerseits am dritten Akt, der die anfangs gestellten Fragen und Plotpunkte nicht komplett sinnvoll zusammenführen kann. Hier kommt es einem beinahe so vor, als würden ein paar entscheidende Szenen hier und da fehlen. Zwar ist es sehr wünschenswert, dass sich ein Film mal wieder traut, etwas kürzer zu sein, doch hier hätten zehn Minuten mehr wirklich gutgetan, um den Plot zu einem komplett sinnvollen und runden Ende zu führen.
Aber auch John David Washington (TENET) bleibt leider in seiner Rolle als Ex-Söldner mit einem Herz aus Gold etwas zu blass. Das liegt einerseits an der recht klischeehaften Charakterzeichnung, vor allem jedoch am recht verloren wirkenden Spiel von Schauspieler Washington. Zwar nimmt man ihm die Rolle prinzipiell ab, und auch die Chemie zwischen ihm und Alfie ist durchaus zu spüren, doch gelingt es ihm nie so ganz, diesen unbedingten Willen zur Revolution, sein inneres Zerwürfnis wirklich spürbar zu machen. Ob es dafür schlicht an Charakterszenen mangelt, darf diskutiert werden, doch auch wenn er den Raum zum Spielen bekommt, ist zwar die Stimme da, dem Körper und Gesicht fehlen jedoch noch die letzte Dringlichkeit.
Unterm Strich darf THE CREATOR damit als eine der größten Überraschungen des Jahres gefeiert werden. Als herrliche Antithese zum modernen Blockbuster. Es kommt einem so vor, als wolle Gareth Edwards das große, Studio-dominierte Hollywood geradezu anschreien und sagen: So werden vernünftige, dramatische Blockbuster gemacht. Und das darf und sollte unterstützt werden. Checkt auch hier unten im Link unser Interview mit Gareth Edwards!
(Simon Greichgauer)
Viel Spaß im Kino!