Der Science-Fiction Abenteuerfilm THE ELECTRIC STATE spielt in einer retro-futuristischen Version der 90er in den USA. Die Vorgeschichte: Ein Bürgerkrieg zwischen Menschen und Robotern, in dem der blecherne Anteil der Bevölkerung um ihre Rechte als Personen kämpft, und verliert. Die Roboter ziehen in die Exilzone und sind sich selbst überlassen. Inzwischen hat der Sentre-Konzern mit Oberbösewicht Ethan Skate (Stanley Tucci) Neurohelme für die menschliche Bevölkerung entwickelt, die den Menschen eine Flucht aus der Realität ermöglichen sollen. Inmitten dieser Welt stoßen wir auf Michelle (Millie Bobby Brown, STRANGER THINGS, ENOLA HOLMES), eine verwaiste Teenagerin, die eines Tages Besuch von ihrem totgeglaubten Bruder (Woody Norman, KNOCK KNOCK KNOCK), einem Mathe-Genie, in Form eines Cosmo-Roboters bekommt. Zusammen mit dem Schmuggler Keats (Chris Pratt mit Pornoschnauzer und Frisur, GUARDIANS OF THE GALAXY, JURASSIC WORLD) und seinem Sprüche-klopfenden animatronischen Freund Herman machen sie sich auf eine gefährliche Reise durch die verbotene Exilzone, bei der sie einer bunten Schar an Robotern mit viel Herz begegnen. Gemeinsam brechen sie auf, um Christophers menschlichen Körper zu finden, und die finsteren Geheimnisse von Sentre ans Licht zu führen.

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Es ist immer schwierig als begeisterter Fan eines Künstlers oder Künstlerin der Adaption eines Kunstwerks aufgeschlossen gegenüber zu stehen, egal ob es sich nun um Text, Bild oder Film handelt. Abweichungen vom Original steht man oft kritisch gegenüber, in den seltensten Fällen erlebt man die Adaption als Transformation in ein neues, eigenständiges Kunstwerk, das dem Original gerecht wird, im Idealfall sogar einen Diskurs mit diesem bildet. Wie also ist die neueste Verfilmung der Brüder Joe und Anthony Russo (AVENGERS-Filmereihe, THE GRAY MAN) THE ELECTRIC STATE, die für Netflix 2025 produziert wurde und auf dem gleichnamigen illustrierten Roman des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag basiert, einzuschätzen? Stålenhags einzigartige Illustrationen seiner Graphic Novels sind Meisterwerke der Atmosphäre: düster, karg, seltsam, retro-futuristisch. Dabei sind sie immer begleitet von einer tiefgründigen Story, die subtil zwischenmenschliche Beziehungen in einer veränderten Umwelt beleuchten, die, wie das Leben selbst, grausam, ambivalent, liebevoll sein können. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die Verfilmung THE ELECTRIC STATE ein absoluter Ober-Fail. Wo Stålenhags illustrierter Roman wahre Kunst offenbart, der leise, tiefe Töne schlägt, ist die Verfilmung der Russo Brüder ein bombastisches Actiongewitter, dass sich nur einiger ästhetischer Grundmotive bedient (z.B. das Retro-Design der Roboter, Landschaften), ohne der Grundstimmung auch nur Ansatzweise gerecht zu werden. Vielleicht muss man sich jedoch bewusst machen, an welches Publikum diese Verfilmung gerichtet ist: nämlich nicht unbedingt an die erwachsenen Leser von Stålenhag, die sich nach einsamer Düsterkeit sehnen, sondern an ein junges Publikum, das mit der Familie zusammen auf der Couch ein leicht-verdauliches, buntes Action-Abenteuer-Spektakel erleben will. Dabei ist die Message des Films, den die Russo Brüder aus Stålenhags Werk herausgefiltert und an den berühmten Zaunpfahl genagelt haben, geradezu wichtig und aktuell: Der Film plädiert auf einen gesunden Umgang mit den modernen Technologien, d.h. weniger online sein, lieber mal den Nachbarn umarmen. Die Gefahren einer krankmachenden Abhängigkeit von Technologien wirken im Film jedoch widersprüchlicherweise abgemildert, einfach aus dem Grund, weil sie auf der Leinwand kaum Präsenz haben. Deswegen ist die sentimentale Ausschlachtung der Bruder-Schwester Beziehung notwendig, um dem Zuschauer emotional irgendwo zu packen.
Doch auch ein actiongeladenes Unterhaltungs-Kino wie THE ELECTRIC STATE hat seine Qualitäten, denn der Film funktioniert: er ist eine kurzweilige, alternative Version eines dystopischen Amerikas der 90er, mit wirklich niedlichen Roboter-Designs und einem Hang zu Roland Emmerich-schen Pathos. Chris Pratt trägt zur humoristischen Auflockerung bei, auch im musikalischen Sinn ist der Star-Lord mehr als zu Hause in THE ELECTRIC STATE; manchmal überwiegen alberne Leerlauf-Dialoge, doch auch dies ist nicht ausgeprägter als in anderen aktuellen Filmbeispielen des Genres.

Die Fans von Simon Stålenhag mögen sich zu Recht fragen, warum man ausgerechnet solch ein nuanciertes, sensibles Kunstwerk wie THE ELECTRIC STATE (OT: PASSAGEN, 2017) für einen Film ausbeuten musste, der nur die ausgetrampelten Pfade eines oberflächlichen Blockbusters beschreitet und sich weigert, jegliche Comfort-Zone zu verlassen. Vermutlich ist die Betrachtung von Buch und Film als voneinander völlig unterschiedlicher Werke, die nur durch den Titel und wenige thematische wie motivische Gemeinsamkeiten miteinander verbunden sind, die einzig zufriedenstellende Herangehensweise – Stålenhag bleibt also Kunst, die Verfilmung von THE ELECTRIC STATE reine Unterhaltung.
(Andrea Heigl)
Für Stålenhag-Fans schwer zu verdauendes Popcorn-Kino