Wenn man einen spannenden Film aus nur wenigen Komponenten kreiert, dann müssen diese Einzelteile natürlich umso besser funktionieren. PHONE BOOTH hat es vorgemacht und BURIED auch, und zudem hat Regisseur Jaume Collet-Serra mit ORPHAN und UNKNOWN IDENTITY bewiesen, dass er Geschichten packend erzählen kann.
In THE SHALLOWS – GEFAHR AUS DER TIEFE erlebt eine junge Frau den wahren Albtraum aller, die DER WEISSE HAI schon vergessen haben. Nancy (Blake Lively) besucht eine entlegene Bucht in Mexiko, um dort ein paar Stunden zu surfen. Dieselbe Bucht hat auch ihre mittlerweile verstorbene Mutter besucht, als diese mit Nancy schwanger war, und so soll der Trip für die Hobbysurferin körperliche und geistige Entspannung bringen. Damit ist es schnurstracks vorbei, als Nancy in der Bucht von einem Hai attackiert wird. Verletzt kann sie sich auf einen kleinen Felsen retten. Doch der Weg zum Land ist weit, die wenigen anderen Surfer haben den Strand bereits verlassen, und die kommende Flut droht den schutzgebenden Felsen zu überspülen, den sich die Verletzte mit einem anderen Opfer des Hais auch noch teilen muss: einer Möwe.
Von dieser Situation ausgehend erlebt man als Zuschauer von THE SHALLOWS über weite Strecken eine spannende Odyssee des Überlebens. Was der Film jedoch nicht abschütteln kann, ist sein Bemühen, krampfhaft hip und modern sein zu wollen, vermutlich als Anbiederung an das Zielpublikum. Flankiert wird die Erzählung nämlich von einer Exposition, die zwar mit schönen Bildern aufwartet, aber auch zugekleistert ist mit einem Soundtrack für Sauftourismus (schön viel „Utz-Utz“-Mucke) und in der der spanische Regisseur diesen ekelhaften Trend (den er schon in NON-STOP verwendete) fortführt, geschriebene SMS für den Zuschauer sichtbar auf die Leinwand zu pappen.
Das ist bestimmt okay als Versuch, moderne Kommunikation „effektiv“ auf das Medium Film zu übertragen, nervt aber ordentlich, und man könnte es auch als weiteren Angriff des Smartphones auf das „heilige“ Medium Kino sehen. Dagegen wirkt der überflüssige deutsche Zusatztitel GEFAHR AUS DER TIEFE mit seiner Bastei-Lübbe-Romanheft-Qualität geradezu wie eine Hommage an Horrorklassiker. Aber um Angriffe geht es in THE SHALLOWS schließlich ja auch.
Blake Lively (bekannt aus Oliver Stones SAVAGES und … äh … GOSSIP GIRL) hat für diesen Horrorfilm den, um einen Genrebegriff zu benutzen, perfekten „Hardbody“: einen schönen Frauenkörper, dessen Vorbau fast den Neoprenanzug sprengt und dessen Anblick ihrem Leid eine voyeuristisch-erotische Komponente gibt. So weit, so genretypisch.
Was etwas peinlich wirkt, und das haben alle europäisch-amerikanischen Actionfilme und Thriller in den letzten Jahren gemeinsam, ist, dass der Film überladen ist mit Hintergrundebenen, die auf die an sich simple Überlebensgeschichte einwirken. Da geht es um den Tod der Mutter, der ebenso verarbeitet werden will wie das vor dem Abbruch stehende Medizinstudium Nancys und der daraus resultierende (hier nicht medizinisch, sondern österreichisch:) „Wickel“ mit dem Papa. Dass ihr (und der erwähnten Möwe) ihre chirurgische Vorkenntnis hilft, als sie verletzt auf einem Felsen liegt, vor sich einen Hai, der seine Kreise zieht, und welchen Einfluss das auf ihr Studium später haben wird, kann sich auch der dämlichste Zuschauer denken.
Dafür kommt der Film mit genug Abwechslung trotz des erwähnten Kitsches relativ spannend und unterhaltsam über seine Laufzeit, und er ist trotz der FSK-12-Freigabe ziemlich brutal, auch wenn man am Ende das Gefühl hat, eines gesehen zu haben:
(Patrick Winkler)
DER WEISSE HAI mit Selfiestange