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TSCHUGGER – DIE 2. STAFFEL IST DA: INTERVIEW MIT DAVID CONSTANTIN

 

Am Genfer Film Festival stellte David Constantin, Hauptdarsteller und Serienschöpfer, die zweite Staffel seiner Walliser Erfolgsserie TSCHUGGER vor. Im Interview erklärt er, wo das Texas der Schweiz überhaupt liegt und warum er in Sekten das ultimativ Böse sieht.

 

Wer oder was ist ein TSCHUGGER?

Das Lustigste, was die Schweiz seit langem zu bieten hat. Im Walliserdialekt ist damit einen Polizisten oder die Polizei generell gemeint. So ist in der Schweizer Satire Marke Eigenbau der zwar engagierte, aber etwas übereifrige Walliser Polizist Bax Schmidhalter mehr schlecht als recht unterwegs, um Drogendealer zur Strecke zu bringen. Unterstützt wird er dabei von seinem Kollegen und Kumpel Pirmin sowie von Azubi Smetterling. Doch natürlich läuft nicht alles glatt, denn eine Bundespolizistin ermittelt auch noch vor Ort. Bald häufen sich sodann die Toten und Verletzten und alle Spuren führen zu einer ominösen Sekte, die in Kutten gehüllt seltsame Rituale im Wald abhält. Serienschöpfer David Constantin (38) ist in dem Walliser Ort Salgesch geboren und wuchs in einer Winzerfamilie auf. Der Autor, Schauspieler und Regisseur lebt in Zürich. Die zweite Staffel TSCHUGGER läuft seit September auf Sky Show und ist ab dem 18. Dezember auf SRF und Playsuisse zu sehen.

In Deutschland sind beide Staffeln hier bei WOW (sogar in verständlichen Schweizerdeutsch neu eingesprochen) zu streamen!

 

 

«Miami Vice» im Wallis ist überhaupt kein Problem!

 

 DEADLINE: Am Freitag lief die zweite Staffel «Tschugger» am Genfer Film Festival und du warst mit deiner Crew vor Ort. Wie hat das französischsprechende Publikum reagiert?

 

David Constantin: Sehr gut. Viele Besucherinnen und Besucher kannten die erste Staffel schon. Es ist immer spannend mit dem jeweiligen Publikum, das sich sprachlich oder vom Alter her ganz anders zusammensetzen kann. Je nachdem wird an ganz unterschiedlichen Stellen gelacht.

 

DEADLINE: Für diejenigen, die vom Wallis noch nie etwas gehört haben: Kannst du kurz erklären, wo es zu finden ist und was den Schweizer Kanton ausmacht?

 

David Constantin: Das Wallis ist ganz im Süden, quasi das Texas der Schweiz – im Guten wie im Negativen. Die Walliserinnen und Walliser sind ein recht eigenes Volk. Am Anfang gehen sie eher auf Distanz, wenn man aber erst einmal ihr Herz erobert hat, hat man in ihnen Freunde fürs Leben gefunden. Was ich auch noch schön finde: Die Walliserinnen und Walliser besitzen viel Selbstironie.

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DEADLINE: Inzwischen gibt es auch eine hochdeutsche Version von «Tschugger». Geht darin nicht der Walliser Charme verloren?

 

David Constantin: Alle Darstellerinnen und Darsteller haben sich dafür selbst synchronisiert. Das heisst, wir reden Schweizer Hochdeutsch, man hört also noch den Einschlag. Der Humor verliert dadurch nicht. Einige Gags mussten wir zwar ändern, aber dadurch sind andere lustige Dinge entstanden. Manchmal finde ich das sogar noch eine Spur witziger in dieser Version.

 

DEADLINE: Hätten hier Untertitel nicht auch gereicht?

 

David Constantin: Deutschland und Österreich sind Synchronisationsländer, deshalb haben wir zusammen mit dem Streamingdienst Sky entschieden, die Serie auch noch auf Hochdeutsch einzusprechen. Die Idee dahinter war, damit vielleicht nochmals ein anderes Publikum abzuholen. Im Streaming besteht die Wahl zwischen den verschiedenen Versionen, mit Untertiteln oder ohne. Ich selbst schaue mir – je nach Tagesverfassung – ab und zu auch gerne synchronisierte Fassungen an.

 

DEADLINE: In der restlichen Schweiz waren alle froh über die Sprachbalken, im Wallis beschwerte man sich. Waren die Walliser da in ihrem Stolz verletzt?

 

David Constantin: Mit der Sprache und der geografischen Lage gehören die Walliserinnen und Walliser einfach zu einer Minderheit in der Schweiz. Andere Dialekte sind viel präsenter – schon allein durch die ganzen einheimischen TV-Formate, die wir konsumieren. Deshalb verstehe ich es, wenn sich vielleicht manche Walliserinnen und Walliser gekränkt gefühlt haben, dass eine Serie in ihrem Dialekt untertitelt werden muss. Viel wichtiger ist aber doch, dass man durch die Untertitel vielleicht auch andere für die Sprache begeistern konnte. Es wäre schade gewesen, wenn diese sich ausgeklinkt hätten, weil der Dialekt schwierig für sie ist.

 

DEADLINE: Deftiger Mord und Totschlag, Korruption aka Vetterliwirtschaft – das Wallis wird in «Tschugger» auch von seiner düsteren Seite gezeigt. Sorgte das für Kritik?

 

David Constantin: Wir wurden hier und dort gefragt, ob wir das Wallis mit diesen Klischees nicht ein wenig falsch darstellen. Doch man braucht nur den Walliser Boten aufzuschlagen und sieht – was wir in TSCHUGGER zeigen, ist eigentlich noch harmlos gegenüber der Realität.

 

Wenn man liest, was ehemalige FIFA-Präsidenten für Kommentare von sich geben, haben wir definitiv noch viel Luft nach oben. Ich finde es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein und über sich selbst lachen zu können. Es gibt Stärken des Wallis, aber es gibt auch Schwächen. Man muss alles aufs Tableau bringen.

TSCHUGGER-Präsentation beim GIFF

DEADLINE: Und was meinte die Oberwalliser Kantonspolizei? Sehen die sich treffend dargestellt?

 

David Constantin: Wir waren stets in engem Austausch mit der Kantonspolizei, wegen Drehbewilligungen aber auch einem Einführungstag, an dem sie uns einiges erklärt haben. Die Kantonspolizistinnen und Polizisten haben von Anfang an verstanden, dass «Tschugger» Fiktion und dramaturgisch zugespitzt ist.

 

Von Seiten Polizei bekomme ich viel gutes Feedback. Sie sind oft bei ihrer Arbeit Kritik ausgesetzt und deshalb ist es doch einmal schön, wenn sich eine Serie um diese Berufsgruppe dreht. Natürlich nehmen wir nicht alles ganz so ernst, aber schlussendlich zeigen wir – mit wenigen Ausnahmen – sympathische Figuren. Das ist auch Werbung für den Beruf.

 

DEADLINE: Was hat dich eigentlich an der Polizei fasziniert? Dachtest du, MIAMI VICE funktioniert im Wallis genauso gut?

 

David Constantin: Wir haben vor zehn Jahren mit TSCHUTTER eine Fussball-Webserie gemacht und dort ist die Idee über ein Wortspiel entstanden. Wir fanden, es wäre lustig, eine solche Polizeiserie im Wallis zu machen. Wir sind dabei in erster Linie davon ausgegangen, was uns als Team gefällt und weniger, ob das jetzt international funktioniert. Im Vordergrund stand uns in dieser Nische ausleben zu können.

 

Das ist bei jedem Szenario so – ob nun beim Drehbuchschreiben oder Drehen oder im Schnitt – der erste Gedanke ist: Was wollen wir im Team sehen? Letzte Woche haben wir von Denzel Washington eine Szene aus dem Film FLIGHT geschaut und fanden sie genial. Auch von TRIANGLE OF SADNESS waren wir begeistert und denken dann immer, wie kommen wir auch dahin?

 

DEADLINE: In der Serie sieht man ein Weihwassergeschirr im Schlafzimmer von Pirmin und einige Protagonisten tragen Kreuze um den Hals. Sind die Walliser wirklich alle noch so katholisch?

 

David Constantin: Ich denke das im Wallis schon sehr viele Symbole zu finden sind und das wollten wir auch realitätsgetreu darstellen. Wie katholisch die Walliserinnen und Walliser aber wirklich sind, lässt sich wohl nicht an Gipfelkreuzen messen. Unsere Figuren wollten wir fern halten von religiösen Ritualen. Die waren nämlich der Sekte vorbehalten.

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DEADLINE: Stichwort Sekte. In Staffel 2 wird dieser Handlungsstrang weiter erzählt. Damit nimmst du ein wenig die Sektenvergangenheit des Kantons auf die Schippe nehmen. Warum?

 

David Constantin: Wir waren auf der Suche nach einem Antagonisten, dem ultimativen Bösen. Lange haben wir damit gehadert, wer denn eine Staumauer sprengen will? Das ist so ein böswilliger Akt, das wollten wir niemandem einfach so in die Schuhe schieben. Die Sonnentempler-Vorfälle aus den 90er-Jahren waren für uns damals sehr prägend, weshalb wir auf die Idee einer fiktiven Sekte gekommen sind.

 

In unserer Gesellschaft gibt es zudem die Tendenz, die Vergangenheit ein bisschen zu verklären mit dem Spruch «Früher war alles besser». Doch das ist nicht so. Ich finde, heute ist vieles besser. Auch, wenn es manchmal nicht danach aussieht, schaut man sich den Krieg in der Ukraine an oder die Situation im Iran. Aber man sollte sich trotzdem auf die positiven Dinge im Jetzt konzentrieren.

 

DEADLINE: Hast du dich schon vor «Tschugger» mit dem Fall der Sonnentempler beschäftigt?

 

David Constantin: Ja, schon als Kind. Als das 1994 passierte, war ich zehn Jahre alt. Das hat mich damals total beschäftigt und mit mir auch etwas gemacht. Für Walliserinnen und Walliser ist das vergleichbar mit einem Ereignis wie der Zerstörung des World Trade Centers – alle wissen heute immer noch, wo sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten haben.

 

Ich erinnere mich zudem daran, dass in der Nähe des Weinbergs meiner Eltern früher eine Rael-Sekte irgendwo angesiedelt war. Niemand wusste genau, was dort passiert und es war eine diffuse Angst da.

 

DEADLINE: Im Wallis gibt es ja auch heute noch sektenähnliche Gruppierungen, beispielsweise die Piusbruderschaft, eine Priestervereinigung katholischer Traditionalisten. Sie wollten unter anderem die erste Pride in Sitten im Jahr 2001 mit allen Mitteln verhindern.

 

David Constantin: Da wird mir schlecht, wenn ich das höre. Gruppierungen, die gegen Offenheit und Toleranz arbeiten, finde ich ganz übel. Warum sollte man etwas dagegen haben, dass sich Menschen lieben? Warum sollte man das einschränken wollen? Dafür habe ich Null Verständnis.

 

DEADLINE: Wird es eine weitere Staffel «Tschugger» geben oder war die Idee nur auf zwei Staffeln ausgerichtet?

 

David Constantin: Wir haben noch so viele Ideen und auch die Figuren vertragen noch mehr Geschichten. Ich kann mir eine Fortsetzung also gut vorstellen. Doch es liegt nicht nur an uns, das zu entscheiden. Ich bin jedoch sehr positiv gestimmt, dass das Tschugger-Universum sich noch weiterdrehen wird.

 

Interview: Sarah Stutte

Sarah und die Crew

 

 

TSCHUGGER – DIE 2. STAFFEL IST DA: INTERVIEW MIT DAVID CONSTANTIN