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VORTEX

VORTEX

Regie: Gaspar Noé / F 2021 / 140 Min.

Darsteller: Dario Argento, Françoise Lebrun, Alex Lutz

Produktion: Brahim Chioua, Vincent Maraval, Edouard Weil

Freigabe: FSK 16

Verleih: Rapid Eye Movies

Start: 28.04.2022

Was passiert in VORTEX?

Das ältere Ehepaar genießt in VORTEX den sonnigen Tag auf seinem Pariser Balkon. Eingerahmt von weißen und rosa Blüten, stoßen sie mit einem Glas Wein auf ihr gemeinsames Glück an, das sich „wie im Traum“ anfühlt. Während die beiden über ihr Lebensglück sinnieren, driftet die Kamera jedoch weg von dem Paar, auf eine kahle Backsteinwand zu – und zerbricht in zwei Teile. Ab diesem Punkt verfolgen wir die namenlosen Senioren nur noch im Splitscreen, wie zwei zusammenhanglose Leben, die manchmal dieselben Räume teilen.

Gaspar Noé zeigt in VORTEX die Momentaufnahme einer langjährigen Beziehung, deren einst liebevolle Konturen durch altersbedingte Krankheiten wie Demenz oder Herzprobleme längst verblasst sind. Dokumentarisch folgt jeweils eine Kamera Dario Argento und Françoise Lebrun, auf Schritt und Tritt. Die entschleunigten Bilder entstehen altersbedingt beinah natürlich, so dauert allein der Aufstehprozess mit anschließendem Badbesuch und Kaffeekochen eine gefühlte Ewigkeit. Doch genau hierdurch hebt sich Noés Film von aktuellen Demenzthematisierungen wie Florian Zellers THE FATHER deutlich ab.

Der Kampf mit dem Vergessen

Noé ist kein Romantiker mit schwelgerischer Feder, sondern ein Chirurg mit sterilem Präzisionswerkzeug. Als Katalysator für das drohende Unheil nutzt der Regisseur in VORTEX den geistigen Zerfall der Frau. Lebrun wandert apathisch zwischen beengenden Bücherregalen und Medikamentenbergen durch die Pariser Eigentumswohnung. Ihr Blick wirkt abwesend, während sie ziellos mit wackeligem Tippelschritt umherstreift. Parallel beobachten wir in der zweiten Bildkachel den Mann, mit ausgewaschenem Pullunder und missmutig verzogenen Mundwinkeln. Sein Kampf mit der Demenz seiner Frau ist auch unser Kampf.

Auf jeden seiner Versuche, sein altes Leben mit den Bequemlichkeiten eines renommierten Kulturmenschen um einen weiteren Tag zu verlängern, folgen fast höhnisch zwei Rückschläge. Oft wirkt es, als arbeiteten Mann und Frau gegeneinander statt miteinander. Er diffamiert sie, wenn sie etwa wieder mal unerlaubt die Wohnung verlassen hat oder, in alten Routinen versunken, seine heiligen Notizen im Büro aufräumt oder wegwirft. Als die ehemalige Ärztin anschließend mit unerwartetem Feingefühl Unmengen hochdosierter Tabletten zerstößt und in Wasser auflöst, schleichen sich kurz Zweifel in den Kopf des Zuschauers ein: Ist das bloß eine routinierte Resthandlung, die ihr Verstand ihr gerade zufällig ausspuckt, oder steckt doch mehr dahinter?

Keine Hoffnung

Die Dekonstruktion dieser beiden Leben, die mehr voneinander trennt als bloß die Kadrierung, schmerzt gerade durch ihre nüchterne Inszenierung. Alles wirkt zu bekannt, zu intim, zu nah. Die Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang erstickt Noé bereits im Keim. So offenbart sich schnell, dass der Mann bereits seit Jahrzehnten mit einer Geliebten ein zweites Leben führt, in das er bei Bedarf flüchten konnte. Einen anderen Ausweg sucht hingegen seine Frau, die in klaren Momenten in Tränen ausbricht und sich den Tod herbeisehnt. Auch der gemeinsame Sohn, gespielt von Alex Lutz, leidet darunter. Die Nebenhandlung um seine Drogenvergangenheit, die jetzige Reue gegenüber seinen sorgenden Eltern und der Umgang mit seinem eigenen Kind wirken jedoch zu forciert und erzählerisch unausgegoren. Gaspar Noé gelingt es mit VORTEX, Themen wie Krankheit und Altern in fesselnde wie eindringliche Bilder zu fassen, die gerade aufgrund ihrer Gefühlsarmut und der ungewöhnlichen Kadrierung umso stärkere Sogwirkung entfalten.

(Steffen Buchmann)

 

Diesen Film wird man nicht so schnell vergessen

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Regie: Gaspar Noé / F 2021 / 140 Min.

Darsteller: Dario Argento, Françoise Lebrun, Alex Lutz

Produktion: Brahim Chioua, Vincent Maraval, Edouard Weil

Freigabe: FSK 16

Verleih: Rapid Eye Movies

Start: 28.04.2022