Am Donnerstag ist es soweit:
Das WEIRD WEEKENDER FESTIVAL betritt zum ersten Mal die deutsche Festival-Bühne und hat für Genre-Freundinnen und -Freunde eine Menge vorzügliches Material im Gepäck, das bereit ist, über die Leinwände der Stuttgarter Innenstadtkinos zu flattern. 15 Spielfilme, zum Teil mit Vorfilmen, gibt es zu sehen. Gewinnspiele, Q&As und ein Rahmenprogramm mit Events wie dem Live-Podcast und Talk mit Daniel Schröckert oder den Aftershow-Partys im Heavy-Club „Schwarzer Keiler“.
Der WEIRD WEEKENDER ist dabei Stuttgarts erstes „ganz eigenes“ Festival für den Fantastischen Film. Logisch, dass zur Eröffnung eine Deutschlandpremiere her muss. Gewinnen konnten die Macher dafür den international bereits sehr erfolgreich durch die Festivals tourenden MOON GARDEN.
Nicht weniger als 25 Gewinne und 15 Nominierungen hat Ryan Stevens Harris‘ Film bereits erhalten. Zu Recht, denn die träumerische Schönheit dieses GARDENs ist ebenso einnehmend wie verstörend, und es verwundert nicht, dass Vergleiche zu PAN’S LABRINTH mehr als einmal herangezogen wurden. Zur Geschichte: Die Ehe von Emmas Eltern ist zerrüttet, Streit ist an der Tagesordnung. Zwar versucht man, vor der kleinen Tochter die Form zu wahren, doch das gelingt nicht wirklich. Eines Nachts, als die Fünfjährige Trost bei den Eltern sucht, findet sie diese wieder nur streitend vor. Das Unglück nimmt seinen Lauf, Emma stürzt die Treppe herunter. Koma. Es beginnt ein Wandern durch das Dazwischen, das angefüllt ist mit Erinnerungen, sich auf unterschiedlichste Weise personifizierenden Ängsten, Wesen, Monstern, Helfern … Die Welt, die Harris‘ erschafft und durch die Augen des Kindes präsentiert, in eine handgemachte und vielleicht auch deshalb so einnehmend, weil seine eigene Tochter Emma spielt. Doch auch das Fehlen von CGI wird zur Bühne für eine wundervolle Kulisse, die sich organisch und gleichzeitig unwirklich entfaltet. Das Storytelling sensibel, der grundlegenden Thematik gerecht werdend, ist MOON GARDEN schön, traurig, hoffnungsvoll. Und ein gut gewählter Start.
Bei einer Premiere bleibt es nicht. Auch das Centerpiece des Festivals ist zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Regisseur John Rosman und Produzent T. Justin Ross sind vor Ort und präsentieren mit NEW LIFE einen ungewöhnlichen Horror-Thriller-Mischling.
Zur Geschichte: Da ist diese mysteriöse junge Frau auf der Flucht. Wovor? Und vor allem, warum? Dies alles entwickelt sich erst nach und nach. Denn da ist auch die zweite Frau, mittleres Alter, Agentin, absoluter Profi. Angesetzt auf die Flüchtende und mit einem gesundheitlichen Problem belastet, dass sie verbergen und akzeptieren muss. Die Jagd beginnt, es geht um Leben und Tod. Im ganz persönlichen Bereich wie auch im ganz großen Stil … NEW LIFE dreht die Schrauben langsam an und gibt dann Gas.
Apropos Gasgeben … Das tut H4Z4RD nämlich von Sekunde 1 an. Der belgische Film (ebenfalls eine Deutschlandpremiere) ist perfektes Chips-und-Bier-Kino, suhlt sich wohlig in seiner Prolligkeit und ist dabei auch noch echt witzig. Kopf aus, Fun an also – und das geht so: Noah hat eine sexy Freundin, ein liebes Kind, ein goldenes Auto. Alles liebt er gleichermaßen. Über Wasser hält er sich mit eher halbseidenen Geschichten, vor allem als Fahrer für krumme Dinger wird er gern gebucht – und dort setzt auch die große Besonderheit von H4Z4RD an: Der gesamte Actionkracher ist aus dem Innern des ultrahochgetunten Lexus‘ heraus gefilmt. Das ist schon geil, und weil „geil“ zu H4Z4RD wie Arsch auf Eimer passt, kommt’s hier gleich noch ein paar Mal: Regisseur Jonas Govaerts klatscht uns geile, irrwitzig schnelle Fahrten durch Antwerpen um die Ohren sowie eine geile, vollkommen überdrehte Story, persifliert auf im wahrsten Sinn des Worte geile Weise Petrolsexualität (wie TOP GEAR-Urgestein Jeremy Clarkson es einst nannte) und liefert dabei mit Noah auch noch einen ungemein sympathischen Protagonisten. Abfahrt!
… und dann ausrollen lassen. Runterkommen. Zu sich finden.
Okay, mit dem Namen Junta Yamaguchi verbindet man nicht unbedingt elegisches Kino, ist sein zum Kult avancierter BEYOND THE INFINITE TWO MINUTES doch eher hektisch-lustiges Spektakel. Und nun geht es also wieder um Zeitreisen? Wieder um zwei Minuten? Willkommen beim Abschlussfilm des WEIRD WEEKENDERS, der Deutschlandpremiere von RIVER. Winter über Kyoto, die Saison nähert sich so langsam dem Ende in der alten Herberge, die etwas verträumt abseits des großstädtischen Treibens in der Nähe eines Tempels liegt. Ein paar Gäste sind noch da. Werden freundlich umsorgt. Servicekraft Mikoto gönnt sich eine Pause am kleinen Bach, der hinter dem Hotel entlangfließt, nennt dem Flussgott ihren Wunsch – und die Welt fällt in einen Loop …
Zwei Minuten, wieder einmal. Und dennoch ist RIVER kein Prequel oder Sequel zu seinem berühmten Vorgänger. Während die Menschen, die sich in der Herberge und dem umliegenden Gebiet befinden, versuchen, die Situation zu erfassen und im besten Fall auch zu lenken, fächert sich eine Geschichte über die Kostbarkeit von Zeit auf. Liebevoll, fast niedlich, dabei keinesfalls kitschig. Gut, ein bisschen vielleicht. Aber es passt einfach wundervoll zusammen, in diesem Märchen über Freundschaft, Liebe, Wünsche und Sehnsüchte. Mit einem bezaubernden Schuss „weird.“
Elf weitere Filme gehören zum Programm. Premieren und ausgesuchte Klassiker, die manch einem oder einer das Herz höher schlagen werden lassen. Na, wer erkennt diese Szene:
Und weil ein bisschen Überraschung gut tut: Schaut einfach ins Programm!
Vielleicht treibt’s euch ja am Wochenende dann gen Süden.
(Germaine Paulus)