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ARGYLLE

Regie: Matthew Vaughn / USA, Großbritannien 2024 / 139 Min.

Besetzung: Bryce Dallas Howard, Sam Rockwell, Henry Cavill, Bryan Cranston, Catherine O’Hara, John Cena, Samuel L. Jackson

Produktion: Matthew Vaughn, Adam Bohling, David Reid, Jason Fuchs

Freigabe: FSK 12

Verleih: Universal Pictures International Germany

Start: 01.02.2024

„Je besser der Spion, desto perfekter die Illusion“: Wenn man seinem im Filmverlauf mehrfach wiederholten Motto Glauben schenken darf, sind in ARGYLLE ein paar wahre Meisterspitzel zugange – denn die hier von ihnen aufgebauten Lug- und Truggebilde sind so ausschweifend und ausgeklügelt, dass sie sich auf den ersten Blick kaum durchschauen lassen. Mit „twistreich“ ist die Handlung deshalb kaum angemessen zu umschreiben. Aber genügt das allein, um das neueste hochbudgetierte Action-Werk von Matthew Vaughn zu einem weiteren Unterhaltungs-Highlight zu machen?

Bryce Dallas Howard and Sam Rockwell in ARGYLLE, directed by Matthew Vaughn

Knapp neun Jahre ist es her, dass sein KINGSMAN: THE SECRET SERVICE neue Maßstäbe in der Spionage-Hommage/-Persiflage setzte und mit seinem unverkennbar britischen Stil die Herzen des Publikums eroberte. Der Film überzeugte neben hohem Tempo und spitzem Humor vor allem mit einer lässigen Eleganz, die in einer derartigen Ausprägung selbst das JAMES BOND-Franchise bis heute nur selten ausstrahlen konnte. Auch ARGYLLE verfügt fraglos über eine Menge Charme und Charisma, diese drücken sich jedoch erheblich anders aus: Wo die Welt von KINGSMAN eine durch und durch englische ist, befinden wir uns diesmal in einem Umfeld, das sich eindeutig US-amerikanisch anfühlt. Was auch für seine Hauptfiguren zutrifft – die entsprechend fast durchweg hollywoodlastig besetzt sind. Im direkten Vergleich wird so ein erhebliches Maß an Distinktion eingebüßt, was von der noch etwas spektakulärer ausfallenden Story nur teilweise ausgeglichen wird.

Bryan Cranston as Ritter in Argylle, directed by Matthew Vaughn.

Im Mittelpunkt der Handlung steht dabei die Schriftstellerin Elly Conway (Bryce Dallas Howard, JURASSIC WORLD), die soeben den vierten Band einer ausnehmend erfolgreichen Thriller-Reihe veröffentlicht hat. Diese dreht sich um die gefährlichen Missionen eines Topspions namens Argylle (verkörpert von SUPERMAN Henry Cavill im Dolph-Lundgren-Gedächtnis-Look, komplett mit gewagtem 80er-Bürstenhaarschnitt), und in eine solche werden wir gleich zu Beginn des Films hineingeworfen: In einem Nachtclub auf einer umwerfend schönen griechischen Insel verführt Argylle seine Erzfeindin Lagrange (Musikstar Dua Lipa) zu einem heißen Disco-Dance-Stelldichein, das schnell in ein Shootout mit ihren Leibwächtern und dann in eine Auto-Verfolgungsjagd durch enge Gassen und über steile Treppen eskaliert. Doch schon bald wechselt das Setting radikal und wir finden uns in einer Buchhandlung wieder, in der Elly soeben eine Lesung aus ihrem neuesten Roman beendet. Die zuvor gezeigte Agenten-Action war also nur eine Visualisierung der Phantasie der Autorin – eine Mechanik, die im Folgenden immer wieder zum Einsatz kommt und so das zentrale Filmmotiv des Verwirrspiels zwischen Realität und Illusion unterstreicht. Sowie, nicht zuletzt, zu einigen großartig geschnittenen Sequenzen führt, in denen rasant zwischen dem Geschehen in der echten und dem in Ellys imaginärer Welt hin und her gewechselt wird.

Samuel L. Jackson in ARGYLLE, directed by Matthew Vaughn

Anders als die Figuren aus ihren Erzählungen bevorzugt sie selbst aber unbedingt ein entspanntes Leben, will am liebsten nur ihre Ruhe haben und sich dem Schreiben sowie ihrem geliebten Kater Alfie widmen. Dieser heimliche Held von ARGYLLE wird übrigens von „Chip“ gespielt, dessen Frauchen im wahren Leben keine Geringere als Claudia Schiffer ist, die Ehefrau von Matthew Vaughn. In einigen Szenen wirkt sein Auftritt jedoch deutlich nachbearbeitet, so wie sich die CG-Effekte ohnehin des Öfteren als nicht sehr überzeugend gestalten. Überraschend für einen Film dieser Größenordnung. Wie auch immer: Ellys zurückgezogenes Dasein erfährt eine atemberaubende Wendung, als sich ihr im Zug ein ungepflegter Mann namens Aidan (Sam Rockwell, spätestens seit MOON in allen Genreherzen) gegenübersetzt, der sich als tatsächlicher Spion vorstellt – und ihr erklärt, dass eine gefährliche Geheimorganisation, „Die Division“, ihr nach dem Leben trachtet, da ihre Romane deren dunkles Treiben zufälligerweise bedenklich realitätsgetreu beschreiben und sie somit ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren drohen. Gemeinsam begeben sich die beiden auf die Flucht, auf der sie regelmäßig mit Horden brutaler Gegner konfrontiert werden, bis Elly schließlich der Erkenntnis näherkommt, weshalb man eigentlich wirklich hinter ihr her ist. Eine Erkenntnis, die ihr Leben erst richtig auf den Kopf stellen soll – genau wie große Teile der Narration, die uns bis dahin präsentiert worden ist. Je besser der Spion, desto perfekter die Illusion …

Auch, wenn mit diesem entscheidenden der zahlreichen Twists die klassische Struktur eines Agentenfilms auf recht ungewöhnliche Weise aufgebrochen wird, erscheinen viele Elemente der Handlung sattsam vertraut, genau wie die typische (Über-)Zeichnung der Figuren. Dem zentralen Gimmick zum Trotz gewinnt ARGYLLE als Ganzes sicherlich keine Originalitätspreise, hebt sich nur in bestimmten Aspekten von den üblichen Genrevertretern ab. Zudem hat er im Mittelteil mit Pacing-Problemen zu kämpfen, hält sein Tempo nicht kontinuierlich hoch genug, weshalb bei einer Laufzeit von stolzen 139 Minuten zwischenzeitliche Ermüdungserscheinungen nicht zu vermeiden sind. Anklänge einer zaghaft ins Geschehen eingeflochtenen, so vorhersehbaren wie überflüssigen Liebesgeschichte machen es nicht unbedingt besser.

Dass der Film dennoch für einen insgesamt durchaus ansprechenden Kinoabend sorgt, liegt neben der maximal an den Haaren herbeigezogenen, spaßig schrägen Story mit ihren Doppel- und Dreifachagenten zum einen an den großartigen Leistungen der Darsteller:innen – an der Seite der äußerst wandlungsfähigen Howard und des souveränen Rockwell sind hier besonders der bestens aufgelegte Bryan Cranston (BREAKING BAD) als Ellys Vater sowie die resolute Catherine O’Hara (KEVIN – ALLEIN ZU HAUS) als ihre Mutter zu nennen. Aber auch Samuel L. Jackson als Ex-CIA-Boss Alfred Solomon weiß zu überzeugen, wenngleich seine Figur, wie so oft, ein wenig zu exaltiert angelegt wirkt. Zum anderen trumpft Vaughn wieder einmal mit einer Reihe brillant choreografierter Actionsequenzen auf, deren zwei Höhepunkte ein pures visuelles Spektakel darstellen. Einerseits handelt es sich dabei um ein anmutiges Killer-Skate-Ballett auf ölverschmiertem Boden, andererseits um eine exzessive, buchstäblich farbenfrohe Schießerei im Stil eines Musikvideos, die an eine „Extended Version“ der bunt explodierenden Köpfe aus dem ersten KINGSMAN gemahnt.

Dua Lipa

 

Auch daneben sind die Stunts durchweg beeindruckend, ebenso die Kostüme prächtig und detailverliebt, die Locations (mit unter anderem London, Frankreich, Hong Kong, Colorado sowie der Arabischen Halbinsel) gleichermaßen vielfältig wie exquisit. Die Kamera fängt selbst hektische Massenszenen stets übersichtlich ein, liefert reichlich große Bilder und verleiht dem Geschehen kontinuierlich einen äußerst hochwertigen Look, die Auswahl der Songs im Soundtrack – darunter das „neue“ BEATLES-Stück „Now and Then“ – ist mitunter wirklich inspiriert. In vielerlei Hinsicht kann ARGYLLE also bedenkenlos empfohlen werden, das Popcorn wird den allermeisten gut dazu schmecken. Die Distinguiertheit und den einzigartigen Stil seines Bruder-Franchises KINGSMAN erreicht er jedoch leider nur in wenigen Momenten. Einer davon ist in einer Mid-Credit-Szene versteckt, die eine letzte Überraschung für Fans bereithält. (Dominic Saxl)

„Spaßige, wenn auch nur in wenigen Aspekten wirklich originelle Agenten-Action mit

vielen Twists“

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ARGYLLE

Regie: Matthew Vaughn / USA, Großbritannien 2024 / 139 Min.

Besetzung: Bryce Dallas Howard, Sam Rockwell, Henry Cavill, Bryan Cranston, Catherine O’Hara, John Cena, Samuel L. Jackson

Produktion: Matthew Vaughn, Adam Bohling, David Reid, Jason Fuchs

Freigabe: FSK 12

Verleih: Universal Pictures International Germany

Start: 01.02.2024