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THOR: LOVE AND THUNDER

THOR: LOVE AND THUNDER

Regie: Taika Waititi / USA, Australien 2022 / 120 Min.

Besetzung: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Christian Bale, Tessa Thompson, Taika Waititi, Russell Crowe

Produktion: Kevin Feige, Brad Winderbaum

Freigabe: FSK 12

Verleih: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

Start: 06.07.2022

Wie schneidet THOR: LOVE AND THUNDER ab?

Die 80er! Tolle Zeit. Furchtbare Zeit! Wenn wir die STRANGER THINGS-, Carpenter- und Spielberg-Nostalgiebrillen mal beiseite werfen, sehen wir ein Jahrzehnt, das nicht zuletzt massiv geprägt wurde durch alberne Frisuren, kitschige (und oft in Neonfarben gehaltene) Airbrush-Plattencover, dumpfes Machogehabe, prolligen Power-Metal. Und es ist kein Zufall, dass mit Manowar die vielleicht peinlichste Band aller Zeiten 1984 einen Song namens „Thor (The Powerhead)“ veröffentlichte. Den sie völlig ernst meinte.

Damals war Taika Waititi gerade 9 Jahre alt, aber er hat die Ästhetik jener Zeit trotzdem ganz offensichtlich bis ins Detail aufsaugen können. Oder zumindest ausreichend genug, um sich heute fundiert über sie lustig machen zu können. Sein zweiter Marvel-Film THOR: LOVE AND THUNDER offenbart sich jedenfalls als die ultimativ augenzwinkernd böse, zum Schreien komische, für in der Vergangenheit verhaftete Oldschool-Avengers-Fanboys aber vielleicht auch schmerzhaft despektierlich wirkende Demontage von all dem, wofür mächtige, furchtlose Superhelden damals gestanden haben – und wie sie damals präsentiert wurden.

Thor war immer schon ein grenzwertig positioniertes Heldenwesen: Ein in der nordischen Mythologie beheimateter Gott, der von Jack Kirby, Stan Lee und Larry Lieber in den frühen 60er-Jahren ins Marvel-Universum geholt und zu einem Gründungsmitglied der Avengers gemacht wurde. Nicht von dieser Welt, doch eng mit ihr verbunden; der Menschheit mächtigster Held, doch in Anbetracht seiner Herkunft erstaunlich leicht und regelmäßig von ausgewählten Feinden zu bezwingen – man denke nur an INFINITY WAR/ENDGAME, wo Gott Thor für Thanos letztlich auch kein größeres Problem darstellte als ein dahergelaufener Iron Man.

Vor allem aber zeigte sich die Figur über eine geraume Zeit hinweg im Kern bedenklich immun gegenüber den Modernisierungs- und damit einhergehenden Ironisierungsbestrebungen des Marvel Cinematic Universe. Klar, speziell in seinen ersten beiden Solo-Filmen konnte Muskelpaket Chris Hemsworth bereits einen Helden präsentieren, der aufgrund seiner Nicht-Vertrautheit mit den irdischen Gepflogenheiten für einige Lacher gut war, aber ganz grundsätzlich handelte es sich bei seiner Figur immer noch um den von Manowar besungenen „Powerhead“:

 

Thor the mighty, Thor the brave

Crush the infidels in your way

 

Eine von unerbittlichem Ehrgefühl, Ernsthaftigkeit und epochaler Theatralik erfüllte Gottheit, deren Hardrock-Look ziemlich viel Fremdscham induzierte – und bei aller Liebe nicht zu einer zeitgemäß smarten Präsentation wie etwa der von Spider-Man, Ant-Man oder auch Starlord passen wollte. Dann kamen Waititi und RAGNAROK. Thor machte sich auf einmal über sein eigenes Pathos lustig. Wurde zur Meta-Figur, die als knallharter Held das knallhart Heldenhafte dem Zweifel, wenn nicht gar stellenweise der Lächerlichkeit preisgab. Auf die Spitze getrieben in ENDGAME, das uns „Fat Thor“ vorstellte: einen bierbäuchigen Big-Lebowski-Loser-Gott, der sich mehr für seine Xbox und den Alkoholnachschub als fürs Heldentum interessiert und sich am Ende des Films, quasi standesgemäß, im Schwanzlängenvergleich mit Starlord von dannen macht – an Bord des Schiffs der Guardians of the Galaxy, unbekümmert von dem, was aus der Erde werden mag.

An dieser Stelle, wenn auch einige Jahre später, setzt die Story von LOVE AND THUNDER ein, und sie macht Thor noch konsequenter denn je zuvor zum Dödel: Mehr oder minder ziellos lässt sich unser asgardisches Überwesen durch den Weltall-Alltag treiben, der erfüllt ist mit offenbar recht belanglosen kriegerischen Auseinandersetzungen. Zumindest ist es Thor anscheinend egal, ob die Kämpfe, in die er sich begibt, zur Befreiung bedrohter Völker bzw. der Errettung ihrer Kulturgüter führen – oder einfach in kompletter Zerstörung von allem und jedem münden. Vielleicht ist er aber auch einfach zu blöd, um zu realisieren, was er da eigentlich tut, und es ist ihm auch egal, so lange er kitschgeschwängerte Heldenreden schwingen kann. Das legt jedenfalls gleich der erste von Waititi inszenierte Kampf von Thor und den Guardians gegen lässig Fraggles-artige Space-Katzen nahe. Und das Auftreten des Donnergotts im Folgenden trägt nicht unbedingt dazu bei, dass man sich eine bessere Meinung von ihm bildet. Zu sehr ist er von sich eingenommen, zu beschränkt ist gleichzeitig seine Weltsicht. Ein ziemlicher Spacko eben, wie man sie vielleicht aus der Dorf-Disko kennt. Nicht bösartig, aber blöd. Kann einem zeitweise schon fast leidtun.

Dem Genuss des Films tut das jedoch keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Zwar wirkt der Odinsohn im Verlauf des Geschehens immer öfter wie ein noch tumberer Bud-Spencer-Charakter auf Steroiden, aber das Original war ja damals schon lustig. Und die Chris-Hemsworth-Version multipliziert den Spaß ohne Rücksicht auf Verluste; ohne jede Scheu davor, sich zum Gespött zu machen.

 

Swing your hammer to crack the sky

Lift your cape so that you might fly

 

Allerdings ist LOVE AND THUNDER nun auch nicht etwa eine pure Komödie, im Gegenteil gelingt es Waititi ebenso herausragend, die ernsthafteren Storyanteile äußerst wirksam in Szene zu setzen. Sei es das Schicksal (und die Bedeutung!) der nach THE DARK WORLD aus den MCU-Storys entschwundenen Jane Foster (Natalie Portman), sei es die eigentliche Rahmenhandlung um Gorr the God Butcher (Christian Bale!), der, mit dem Necrosword ausgerüstet, Jagd auf die Götter des Universums macht – und einige Sequenzen im unterkühlten, farbreduzierten Gewand spendiert bekommt, die effektiverer, kompromissloserer Horrorfilm sind als alles, das Marvel bislang auf die Leinwand gebracht hat. DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS kann sich im Vergleich ganz massiv zum Schämen in die Ecke stellen.

Dazu bekommen wir noch eine schier endlose Zahl an Cameos geboten, die einerseits die potentiell ob der Respektlosigkeit der Thor-Präsentation verstörten Marvel-Fans entschädigen mögen, andererseits (speziell durch die Mid-Credits-Szene) die Zukunft des Asgard-Franchises anteasen – und ganz generell durch ihre Vielfalt dazu beitragen, dass LOVE AND THUNDER der bisher vielleicht unterhaltsamste, mit Sicherheit aber farbenfroheste MCU-Film aller Zeiten geworden ist.

Viel AVENGERS-Anknüpfungspotential gibt es zwar nicht; auch der erste Phase-4-Kinofilm eines ihrer ursprünglichen Haupt-Helden gibt wenig Aufschluss darüber, wo Marvel mit seinem Epos in Zukunft hinwill. Aber dafür gibt’s krächzende Super-Ziegen (Toothgnasher und Toothgrinder), unfassbar viel Guns N‘ Roses, ein Eifersuchtsdrama rund um Thors Waffen Mjölnir und Stormbreaker sowie End-Credits in Heavy-Metal-Bandnamen-Typografie – sprich: ein Festival des selbstironisch schlechten Geschmacks, das vielleicht nur Kinder der 80er wirklich zu schätzen wissen werden. Aber auch, wer damals nicht dabei war, wird hier mit Sicherheit großartig unterhalten. So lange er/sie weiß:

 

Gods, monsters and men

Will die together in the end

 

 

(Dominic Saxl)

„Auf die 70er-Space-Opera RAGNAROK folgt das überdrehte, selbstironische 80er-Adventure: Death to false Metal! (Lachen bitte nicht im Keller.)“

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Regie: Taika Waititi / USA, Australien 2022 / 120 Min.

Besetzung: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Christian Bale, Tessa Thompson, Taika Waititi, Russell Crowe

Produktion: Kevin Feige, Brad Winderbaum

Freigabe: FSK 12

Verleih: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany

Start: 06.07.2022