Zum Tode von Carlo Pedersoli/Bud Spencer * 31.10.1929 – † 27.06.2016
1978. Tresen einer Kneipe, Montagabend, Sohn, Vater und dessen Arbeitskollege; der kommentiert herablassend süffisant den gerade besuchten Film: „Gekämpft haben sie, mit Laserschwertern … paaah … ich brauch Action, da muss es ordentlich knallen, Bud Spencer, das ist Kino!“ Der neunjährige Knirps, der endlich Luke und Han im Kino begegnet war, ließ sich das natürlich nicht madig machen, verstand aber trotz dieser Blasphemie, was Papas Kumpel meinte. Wenn Buddy seinen Dampfhammer auspackte, das war einfach eine unwiderstehliche Schau, bei der man sich kringeln konnte, und wer weiß, was passiert wäre, wenn er Lord Vader mal ordentlich eine vor den Helm gedonnert hätte … Ein paar Monate später war er dann DER GROSSE MIT SEINEM AUSSERIRDISCHEN KLEINEN und kämpfte gegen Aliens und auch wieder gegen den fiesen Raimund Harmstorf, der wollte anscheinend nicht lernen, dass Buddy nicht zu schlagen war, hatte er doch schon in SIE NANNTEN IHN MÜCKE den Frack ordentlichst voll bekommen … Jedenfalls war Herr Harmstorf bei Wim Thoelke im GROSSEN PREIS zu Gast, selbstredend mit ein paar Ausschnitten, und verriet, dass Mr. Spencer ob seiner Kurzsichtigkeit bei manch einer Szene unabsichtlich auch mal richtig hinlangte, was niemandem mehr wehtat und niemanden mehr schockierte als ihn selbst. Man wusste viel über dieses bärbeißige Idol, die BRAVO hatte z. B. verraten, dass er gebürtig aus Italien stammte (was er selber nicht hören wollte – er war mit Leib und Seele Neapolitaner!), auf den Namen Carlo Pedersoli hörte und vor seiner Filmkarriere ein begnadeter Schwimmer war, der zweimal an Olympischen Spielen teilgenommen hatte (was auch erklärt, warum in Schwäbisch Gmünd das Bud-Spencer-Bad existiert …). Eifrig an einem normal gesitteten Leben bastelnd, probierte er so einiges aus, bis ihn sein Schwiegervater mit dem Filmgeschäft in Berührung brachte. Nach einigen kleinen Rollen (u. a. in QUO VADIS?) castete ihn Giuseppe Colizzi trotz einer utopischen Gagenforderung für DIO PERDONA … IO NO? (Gott vergibt … Django/wir beide nie!), einen harten, genretypischen Italowestern (der auf dem Höhepunkt der Erfolgswelle Jahre später komplett entschärft umgeschnitten und blödel-synchronisiert als ZWEI VOM AFFEN GEBISSEN erneut in die Kinos kam), an seiner Seite ein gewisser Mario Girotti aka Terence Hill, das genaue Gegenteil von Pedersoli, ein stahlblauäugiger Schlaks mit dem Schalk im Nacken. Unter Colizzi sollten beide noch etliche Filme drehen, und obwohl man das Haudrauf-Duo immer in einem Atemzug nennt, so hat Spencer doch mehr Filme solo gedreht. Sei es als Kommissar „Plattfuß“ Rizzo oder der schon erwähnte Mücke, BANANA JOE oder später in TV-Produktionen als Jack Clementi oder Jack „Extralarge“ Costello, Spencer definierte sich selbst nie als Schauspieler, sondern als Charakter (einziger früher Ausflug in ein anderes Genre: Argentos VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT). Dieser einfachst gestrickte Aufräumer für die gute Sache, der seine Gegner realitätsfern unblutig mit diesem einzigartigen Punch-Geräusch wieder und wieder verdrosch, doppel-maulschellte, durch Decke und Boden schlug und auch ungespitzt in denselben rammte, das war Buddy, und niemand anderes konnte es sein oder wird es jemals sein. Entwickelte sich deshalb dieser Kult um ihn aus dem anspruchslosen, klamottenhaften Brachialfaust-Klamauk heraus? Spencer(/Hill), das sind ja in dem Sinne keine Actionkomödien, es geht ums nonsens-choreografierte, herrlich blöde und gleichzeitig harmlose Verkloppen, etwas, mit dem sich die Kritik gar nicht erst abgab und aus dem sich im Grunde ja auch keine popkulturelle, nerdige Affinität bilden konnte. Dennoch ist Spencer als Figur seines Charakters überirdisch, die Kopfnüsse verteilende Dampframme, ein massig fleischgewordener Wunschtraum der in den Siebziger- und Achtzigerjahren aufgewachsenen Generation, ein eindimensionales Vorbild der Jungs und auch derer, die es im gestandenen Alter immer noch sein wollen. Spencer selbst konnte mit der fortschreitenden vergötternden Ikonisierung seiner Figur wenig anfangen; zu Gast im deutschen Fernsehen präsentiert ein Zuschauer ihm einmal ein riesiges Spencer-Tattoo auf seinem Körper; dem Abgebildeten war es sichtlich peinlich, und er attestierte dem Herrn alles andere als mentale Gesundheit – allerdings auf seine leise, humorvolle und niemals verletzende sanftmütige Art. Der Mensch Spencer war interessiert, gebildet, umtriebig, erfinderisch (er sicherte sich einige Patente, u. a. den Spazierstock mit integrierter Sitzgelegenheit) und kompromisslos flexibel – sein Lebensmotto lautete Futtetènne (frei: sch**ß drauf, also immer weiter, egal was passiert), was er auch musikalisch umsetzte – auch dieses Metier war ihm nicht fremd, u. a. war er Mitkomponist des Hits „Flying Through The Air“, des Titelsongs aus ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE, umgesetzt wie so viele Soundtracks der Spencer/Hill-Filme von den Oliver Onions – und für den Autor dieser Zeilen hat niemand Buddy so treffend wie hier beschrieben:
You can see a mountain here comes Bulldozer
you can see a cloud of fists and dust
he won’t be the first one to look for glory
but when he’s involved he won’t deny
where’s he coming from
no one knows
and nobody would ask such a thing
But for a man he’s just a good boy
just a good boy with a heart of gold
who likes to go his own way
stay far away from the world
you can see a mountain here comes Bulldozer …
but for a man he’s just a good boy …
you can see a mountain here comes Bulldozer …
(„Bulldozer“ – OLIVER ONIONS – Titelsong aus SIE NANNTEN IHN MÜCKE)
Frank Karsten Scheidt