Als man erstmals vom PARADIES FILM FESTIVAL und der Zusage Aldo Lados erfuhr, musste man unweigerlich mit dem Gedanken spielen, nach Jena zu reisen. Gesagt, getan, denn die Idee, die dahinter steckt – italienische Genre-Kost und DEFA-Filme (kurz für Deutsche Film AG) auf 35 mm zu zeigen –, lohnt allemal eine Reise in die Thüringer Universitätsstadt.
Mein persönlicher Festivalstart war der Samstag, mit einem Giallo von Dario Argento: DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE. Wenn auch etwas weniger drastisch als in vielen seiner späteren Filme, konnte man bereits im Zweitwerk des römischen Horror-Meisters diverse Stilmerkmale finden, die im Laufe seiner Karriere immer wieder auftauchten. So zum Beispiel die Filmmusik von Maestro Ennio Morricone.
Gegen 20:30 Uhr war es so weit: Der Filmgelehrte Pelle Felsch hielt eine interessante und mit eigenen Erfahrungen aus der (italienischen) Filmwelt gespickte Laudatio. Ehrengast Aldo Lado bekam den Preis für sein Lebenswerk von Veranstalter Leonhard Elias Lemke überreicht und zeigte sich sichtlich gerührt, dass sich „so viele junge Leute“ für seine Filme interessieren und diese zu schätzen wissen. Passend zum Namen des Festivals war besagter Preis ein bronzener Faun, ein Fabelwesen aus dem Paradies, den der 83-jährige Lado erst mal mitnahm, um sich zu stärken.
In der Zwischenzeit wurde Lados Debütfilm gezeigt: MALASTRANA, so der mysteriöse Name dieses ungewöhnlichen, ja einzigartigen Giallos. Die Veranstalter scheuten keine Kosten und Mühen, besorgten eine 35-mm-Kopie des Films aus Italien und projizierten auf eine extra gebaute kleine Leinwand deutsche Untertitel. Das nenne ich Liebe zum Detail.
Zu MALASTRANA selbst sei nur so viel gesagt: Schauplatz dieses hypnotischen Streifens ist Prag bzw. das namensgebende Viertel, welches immer noch etwas Geheimnisvolles, Anziehendes hat. Mit von der Partie sind Morricone am Dirigentenstab, Jean Sorel in der Hauptrolle, die schöne Barbara Bach, Ingrid Thulin, die deutsche Leinwandgröße Mario Adorf sowie Jürgen Drews in einer kleinen Rolle.
Als Betthupferl gab es einen weiteren Film von Lado. Dieses Mal über eine nächtliche Zugfahrt, erneut mit einem von Morricone stammenden Soundtrack. Wie Lado erzählte, arbeitete er rund neunmal mit der Filmmusik-Legende zusammen. Kein Wunder, der Mann hat im Laufe seiner Karriere über 600 (!) Filme mit seinen Kompositionen veredelt.
Wenige Stunden Schlaf später, sozusagen direkt nach dem Frühstück, ging es mit Lados bisher letztem Film weiter: IL NOTTURNO DI CHOPIN entstand 2013 mit geringstem Budget und behandelt das Thema der Kindesentführung, was gerade zu dieser Uhrzeit doch eher schwer verdaulich war.
Weiter ging es mit etwas leichterer Kost aus dem Deutschland der 70er-Jahre. Die Beziehungskomödie DER DRITTE befasste sich aber nicht nur mit einer Frau und ihren zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern griff auch die Emanzipation samt Vor- und Nachteilen auf.
Nach einer Stärkung mit traditionell-deftigem thüringischen Essen folgte mit dem STAR WARS-Rip-off KAMPF UM DIE 5. GALAXIS das Finale. Lado selbst erklärte zu Beginn des Films, dass es ihm dabei hauptsächlich um den Wandel des titelgebenden Humanoiden (THE HUMANOID) bzw. dessen Gefühle ging, aber die Produzenten wollten mal wieder etwas anderes … besonders nach dem Erfolg, den KRIEG DER STERNE zwei Jahre zuvor erzielt hatte.
Im Anschluss an diesen unterhaltsamen Streifen machte man sich zufrieden auf den Heimweg. Es war ein gelungenes Wochenende mit einem freundlichen Festival-Team, mit dem man schnell ins Gespräch kam – sei es über Morricone oder Essens-Tipps. Die Stimmung war locker und angenehm, ebenso wie der supersympathische Ehrengast Aldo Lado, welcher sich sichtlich wohlfühlte und sich Zeit für einen Plausch mit den Gästen nahm sowie geduldig Autogramme gab. 2019 steht einem erneuten Besuch im (Film-)Paradies nichts im Wege! (Kevin Portz)