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INTERVIEW MIT ALEXANDER SKARSGÅRD UND ROBERT EGGERS ZU THE NORTHMAN

THE NORTHMAN ist ab dem 21.04 im Kino zu sehen.

Wir unterhielten uns ausführlich bei der Hamburger Filmpremiere mit Regisseur Robert Eggers (DER LEUCHTTURM) und Hauptdarsteller Alexander Skarsgård. Viel Spaß im Kino und beim lesen! Weitere Interviews findet ihr mit Robert Eggers in der DEADLINE #57 zu THE VVITCH und in der DEADLINE #78  mit ihm und Hauptdarsteller Willem Dafoe zu DER LEUCHTTURM.

 

Interview mit Robert Eggers

 

DEADLINE: Sie haben sich dazu entschieden, den Wikingerfilm zu machen. Warum war Ihnen das so wichtig?

Robert Eggers: Hätte ich einen Western gemacht, wäre das deutlich schwieriger gewesen. Aber es gab bisher keinen wirklich ikonischen, erfolgreichen Wikingerfilm, also sah ich die Gelegenheit dafür. Und seit Wagner Hörner auf Helme setzte, hat die Kultur Wikinger zu dem gemacht, was sie gerade sein sollten. Es gibt eine schöne Version von Gislas Saga, die in Island gemacht wurde, aber das ist die einzige getreue Umsetzung. Die Wikingerfilme, die als akkurat gelten, sind es überhaupt nicht.

DEADLINE: Sie haben den Film zusammen mit dem isländischen Poeten Sjón geschrieben. Wie kam es dazu?

Eggers: Es war eine Notwendigkeit, weil es eine isländische Geschichte ist und diese Sagen in dem kulturellen Bewusstsein eines jeden Isländers sind. Selbst wenn sie allergisch auf Wikinger sind, wissen sie, welche Charaktere der Sagen miteinander verwandt sind. Es ist nicht überraschend, dass die Leute damals an Geister und Feen geglaubt haben. Soviel ich auch recherchiere, Sjón macht dasselbe, aber manche Dinge sind einfach vom Instinkt abhängig. Ich traf ihn auf einer Dinnerparty in Björks Haus, und so passierte es.

DEADLINE: War es hart für sie, wieder zu spielen? Sie hat seit siebzehn Jahren nicht mehr gespielt.           

Eggers: Björk und Sjón kennen sich seit Kindertagen, und Robin Carolan, der Co-Composer, ist ein guter Freund von mir und Björk. Meine Frau und ich hatten über die Jahre ein freundschaftliches Verhältnis zu Björk, also denke ich, es fühlte sich wie ein familiäres Umfeld für sie an. Sie sprang auch nicht direkt auf die Rolle, aber es war auch nur ein Drehtag.

DEADLINE: Ihre Filme davor waren sehr klaustrophobische, intime, gruselige Dramen. Jetzt ist der Rahmen viel größer. Mussten Sie erst lernen, Actionszenen zu drehen?

Eggers: Ja, vor diesem Film hatte ich keine Ahnung, wie man Actionszenen macht. Eigentlich hätte ich gar nichts mit diesem Film zu tun gehabt, ich war nicht qualifiziert dafür. Es brauchte also Unmengen an Vorbereitungen, es zu tun, aber wir haben es geschafft.

DEADLINE: War der Dreh so dreckig, wie man ihn sich vorstellt, nachdem man den Film gesehen hat?

Eggers: Ja, es war kein Plastikschlamm. Es war umständlich, es war kalt, es war anstrengend. Es regnet in fast jeder Einstellung des Films.

DEADLINE: Fühlen Sie eine Art Druck, weil es eine größere Produktion als Ihre vorherigen Filme ist? Vielleicht müssen Sie ein größeres Mainstreampublikum erreichen. Hat das Ihre Herangehensweise an den Film beeinflusst?  

Eggers: Es war meine Intention, den unterhaltsamsten Robert-Eggers-Film zu machen. Unterhaltung war nicht das ultimative Ziel in meinen beiden ersten Filmen. Ich habe versucht, einen Film zu machen, bei dem man sein Popcorn genießen kann neben anderen Dingen. Manchmal will man es auch nicht essen, weil ein paar düstere Sachen passieren. Aber ja, wäre ich dem Druck dieses Films direkt ausgesetzt gewesen, wäre ich wahrscheinlich gestorben. Das hatte ich immer im Hinterkopf.

DEADLINE: Mussten Sie Kompromisse machen?

Eggers: Es gibt ein paar Kompromisse, die ich nicht mag. Der erste war, dass ich keine Penisse zeigen durfte. Für den Endkampf war das zwar gar nicht so schlecht. Aber für den Berserker-Überfall im Film wäre es realistischer und beängstigender gewesen, wenn sie komplett nackt wären. Aber weil der Film auch auf Flügen gezeigt wird, hieß es „keine Penisse“. Dann gab es Kompromisse wegen Covid. Wir konnten nicht von Anfang an in Island drehen, sondern haben ähnliche Landschaften gesucht. Das ist nicht so schlimm, das machen viele, aber es ist nicht, wie ich gerne arbeite. Der Schnitt war schwerer als jede Schlachtszene, denn ich hatte nicht den Final Cut. Wegen der Größe des Films durfte ich ihn nicht haben. Mein Team und ich sagten aber, wir wollten keinen Film machen, auf den wir nicht stolz sind. Sjón sagte dann, dass wir kreative Leute seien und das Studio so einbinden müssten, dass wir immer noch stolz auf den Film sind. Ansonsten würden wir nicht hart genug arbeiten. Und lassen Sie mich Ihnen sagen, so hart habe ich noch nie in meinem Leben gearbeitet. Es war wirklich schmerzhaft und umständlich. Aber ohne die Eingriffe des Studios hätte ich auch nicht das abliefern können, was ich versprochen habe: die unterhaltsamste Version des Films.

DEADLINE: Haben Sie für Ihre Sets etwas aus isländischen Museen verwendet, oder wurde alles eigens dafür kreiert?

Eggers: Wir hatten Glück, mit den besten Historikern und Archäologen zusammenzuarbeiten. All diese Experten haben dazu beigetragen, diese hoffentlich glaubwürdigen Sets zu kreieren. Aber ja, wir haben sie alle selbst gemacht. Neil Price, einer der Archäologen, war beeindruckt, als er die Bauten sah.

DEADLINE: Was fasziniert Sie an Rache? Auch als Künstler.

Eggers: Das ist eine gute Frage, weil ich in meinem Leben Rache nicht befriedigend finde. Wir alle haben mal einen schlechten Tag, wo uns jemand unrecht tut, und wir denken, wir zahlen es der Person heim, aber eigentlich bin das nicht ich. Besonders dann nicht, wenn es gewalttätig wird. Es ist etwas, das ich fürchte. Aber Rachegeschichten sind immer interessant, und sie funktionieren. CONAN DER BARBAR zum Beispiel, der sich zum Teil auch in meinem Film wiederfindet. Sie funktionieren immer und sind anziehend.

DEADLINE: Was glauben Sie, warum ist das so?    

Eggers: Ich weiß es nicht. Ich habe eine Rachegeschichte erzählt, und mein Kommentar zur Rache ist im Film selbst. Ich kann ohne Ende darüber erzählen, wie sehr ich an der physischen Welt interessiert bin. Aber was spannender ist, ist, in die Gedanken der Menschen von früher einzutauchen und diese zu präsentieren. Ich versuche diese dann darzustellen, ohne sie zu verurteilen. Die Moral des Films ist also nicht meine. Es ist die der Charaktere. Es ist eine Art Happy End, wenn auch nicht für mich persönlich. Ich habe mich anfänglich nicht für Wikinger interessiert, auch wegen der Macho-Stereotype. Ich kann es also nicht glauben, dass ich so einen Macho-Film gemacht habe. Und auch die Missinterpretation dieser Kultur von rechter politischer Seite, ich bin allergisch dagegen. Ich hatte kein Interesse daran. Aber dann habe ich die Kunst dahinter entdeckt, die Poetik, die Musik und all die unglaublichen Sachen. Und doch waren sie so patriarchal und gewaltvoll, wie der Stereotyp es verlangt. Wir haben uns also kulturell nicht wirklich weiterentwickelt.

DEADLINE: Ich frage mich, ob Sie den ersten CONAN DER BARBAR mögen. Am Anfang wird der Junge Zeuge des Mords an seiner Mutter, er wächst heran zu einem starken Mann und sucht Rache in einer brutalen Umwelt. Das erinnert an Ihren Film, auch wenn sie sich unterscheiden.

Eggers: (lacht) Ich habe CONAN DER BARBAR viel zu oft als Kind gesehen. Und es gibt ein paar Zitate und Verweise auf ihn in meinem Film. Aber es gab auch ein paar zufällige Parallelen zwischen den Filmen, die ich gar nicht bedacht hatte.

DEADLINE: Wann ist Alexander Skarsgård in das Projekt eingestiegen, und warum war der die richtige Wahl für die Hauptrolle?

Eggers: Wie gesagt, ich war an Wikingern interessiert, ging nach Island, war von den Landschaften inspiriert und so weiter. Das steht auch alles im Pressematerial. (lacht) Ich las die Sagen, und eine Saat war gesät. Zwei Jahre später lud mich Alexander Skarsgård zum Lunch ein und sagte mir, er wolle seit Jahren einen Wikingerfilm machen. Mit meinem Freund und Co-Produzenten von THE VVITCH, Lars Knudsen. Ich hatte ja keine Ahnung. Also sagte ich, wir können loslegen. Auf einer Studioebene ist Alexander Skarsgård der bekannteste nordische Schauspieler, aber er ist auch perfekt geeignet für die Rolle. Und ich denke, die Zerbrechlichkeit und Unschuld, die in dem kleinen Jungen sind, sind immer noch in Alexander. Und es gibt Hinweise darauf, wenn er zu dem Biest im Film wird. Aber ich bin so stolz auf seine Transformation und Hingabe. Und er ist eine sensitive Person, die verwundbar ist. Und das kanalisiert er in diese extreme Wut. Der Schrei gegen Ende des Films ist fantastisch.

DEADLINE: Sie haben akribisch recherchiert und gründen den Film auf realistische Settings. Aber Sie sind auch an dem Übernatürlichen interessiert. Wie kommen diese beiden Welten zusammen? Ich erinnere mich an eine Kritikerrunde zum Ende von THE VVITCH, wo dieselbe Frage aufkam.

Eggers: Es ist wirklich simpel für mich. Die übernatürliche Welt ist für diese Leute real wie alles andere auch. Ich versuche, ihre Gedankenwelt zu präsentieren. Es ist hart für das Publikum. Arthur Millers wundervoll gespielter Film HEXENJAGD brachte die Leute dazu, die Misogynie zu hinterfragen. Die Männer sind so misogyn, dass sie glauben, die Frauen seien Fantasiegestalten. In den Wikingerstudien fragt man sich, wie viel Aufmerksamkeit man den Sagen geben soll, wenn man auf archäologische Funde schaut. Eines der Argumente, die Sagen nicht miteinzubeziehen, ist, dass etwas Übernatürliches in ihnen auftaucht. Sie können also nicht real sein. Aber damals glaubte man, dass es real sei.

DEADLINE: Sie sprachen über das übernatürliche Element. Gleichzeitig ist Amleths Geschichte wie ein Ring. Er erfüllt, was sein Vater ihm sagt. Der Vater musste den Onkel entthronen, es passiert also erneut. Und am Ende hat es eine Art STAR WARS-Moment. Die Farben, der Schwertkampf – woher kam die Idee zum Finale auf dem Vulkan?

Eggers: Als ich in Island war, wusste ich sofort, dass mein Film mit einem nackten Schwertkampf auf einem Vulkan enden würde. Es wird nicht elementarer als das. Ich habe nicht das „Duel of Fates“ besucht, ich weiß nicht einmal, welcher Teil es ist. Ich versuche, mich vor STAR WARS zu verstecken, aber ich kann verstehen, wie man darauf kommt.

DEALINE: Wie kommen Sie zu der grafischen Gewalt?

Eggers: Ich weiß nicht, ob ich damit erfolgreich war. Es ist ein schwieriger Spagat. Natürlich muss es ein Actionfilm sein. Aber man hat auch diese Krieger, die in der Gewalt selbst leben und sie zelebrieren. Es gibt Momente, wo die Gewalt notwendig ist, aber ich wollte sie nicht glorifizieren. Ich weiß nicht, ob ich diese Linie überschritten habe, aber ich habe es versucht. Die eine Szene, in der jemandem die Gedärme herausfallen, ist unnötig. Es fühlt sich wie ein Slasherfilm an, und ich bereue es. Ansonsten denke ich, es ist passend. Aber das müssen Sie mir sagen.

DEADLINE: Haben Sie etwas über sich selbst gelernt?

Eggers: Wenn ich ein Buch darüber schreiben würde, wie viel ich bei diesem Film gelernt habe, würde es nie fertig. Wie schon gesagt, ich war nicht darauf vorbereitet, diesen Film zu machen. Es gab eine Million kleine Dinge. Aber auch mit den großen Filmstars zu arbeiten war eine neue Herausforderung.

DEADLINE: Nosferatu oder Rasputin? Was bereiten Sie momentan vor?

Eggers: Ich werde der Frage respektvoll ausweichen. (lacht)

DEADLINE: Woher kam die Idee für das Ballspiel im Film? 

Eggers: Es ist ein altnordisches Sportspiel aus den Sagen. Sie spielen es auf dem Eis, auf den Wiesen. Es ist ein Gesellschaftsspiel zum Zusammenkommen.

DEADLINE: Sie sagten, Sie wollten den unterhaltsamsten Robert-Eggers-Film machen. Ich denke, das ist Ihnen gelungen.    

Eggers: Danke, aber die Messlatte lag niedrig. (lacht)

DEADLINE: Was ist Ihre Entscheidung nach Ihrem neusten Film? Mehr in Richtung Popcorn oder mehr in die klaustrophobische Richtung?

Eggers: Ich möchte als Nächstes einen kleineren Film machen, weil dieser ein so großer Sprung war. Sie müssen wissen, ich hasse THE VVITCH. Ich hasse diesen Film. Die Performances sind großartig, aber ich war nicht erfahren genug für den Film. Aber er hat mich gerade genug auf THE LIGHTHOUSE vorbereitet. Ich ziehe es zwar vor, ihn nicht zu schauen, aber ich kann es, weil ich dort meine Gedanken auf die Leinwand bringen konnte. Bei THE NORTHMAN bin ich auf manche Dinge stolz, auf andere wiederum nicht. Also würde ich gerne etwas Kleineres und Seltsameres als Nächstes machen.

DEADLINE: Vielen Dank für Ihre Zeit.   

 

Interview geführt von Martin Seng

 

 

Interview mit Alexander Skarsgård

 

DEADLINE: Herr Skarsgård, wie kam es dazu, dass Sie die Hauptrolle in THE NORTHMAN spielen?

Skarsgård: Seit ich ein kleines Kind war, bin ich jeden Sommer auf dieser Insel gewesen. Natürlich hat es einen großen Einfluss auf dich als Kind, wenn du einen Runenstein siehst, der vor über tausend Jahren von einem Wikinger errichtet wurde, dessen Vater in Konstantinopel kämpfte und starb. Und dann sind dort diese wunderschönen Inschriften in dem Stein. Das hat meine Vorstellungskraft angeregt und ich malte mir Geschichten aus zu ihren weit entfernten Reisen und Entdeckungen. Vor circa zehn Jahren dachte ich wieder darüber nach. Ich habe zu dem Zeitpunkt schon lange in den USA gelebt. Aber es war klar, dass die Leute von der Wikingerkultur fasziniert waren. Und wenn die Leute rausfinden, dass du aus Schweden bist, wollen sie mit dir darüber sprechen. Dann ist mir aufgefallen, dass ich noch nie einen großen, epischen Wikingerfilm gesehen habe, der die isländischen Sagen wahrheitsgemäß umgesetzt hat. Also habe ich mich mit dem isländischen Produzenten Lars Knudsen zusammengetan und wir sprachen darüber, ob so etwas überhaupt möglich wäre, was sollte die Story und wer der Filmemacher sein. Für ein paar Jahre haben wir versucht das herauszufinden und dann traf ich Robert (Eggers). Es war wegen etwas anderem und hatte nichts mit diesem Projekt zu tun. Aber es stellte sich heraus, dass er ein großer Fan der Wikingerkultur und dieses Zeitalters war und wir begannen darüber zu sprechen. Beim Lunch haben wir dann nur noch darüber geredet und gar nicht mehr über unser eigentliches Projekt. Als ich ging rief ich danach Lars an und sagte „ich habe mich gerade mit Robert getroffen“. Das war kurz nachdem „The Witch“ herauskam und ich fand, dass er damit einen großartigen Job gemacht hatte. Mit wenig Geld hat er eine Welt kreiert, die sich so real angefühlt hat. Lars und ich fragten ihn also, ob er sich mit uns zusammentun wollte. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch kein Drehbuch. Wir fragten also nur, ob er Interesse hätte einen derartigen Film mit uns zu drehen. Das waren also die Anfänge von THE NORTHMAN. Dann kam Sjón mit an Bord und schrieb das Drehbuch. Es war also eine sehr lange Reise.

DEADLINE: War der Dreh so, wie Sie ihn zu einem Wikingerfilm erwartet haben?

Skarsgård: Es war physisch und mental sehr hart. Wie Sie im Film sehen können, mag Robert keine Schnitte. Man kann nichts verstecken und alle Szenen sind praktisch eine lange, durchgehende Einstellung. Er will, dass sich alles real anfühlt. Wir drehen nicht vor einem Greenscreen, wir sind draußen, wir bauten die Kulissen bereits ein Jahr vor dem Dreh. Für einen Schauspieler ist das fantastisch, weil jedes Detail, auch alles was du trägt, ist authentisch. Es gab Unmengen an Forschungen vor dem Film. Aber es war trotzdem sehr hart diese Kampfszenen zu drehen, wenn man weiß, dass man nichts verstecken kann. Man kann keine Tricks anwenden. Wenn auch nur der Bruchteil einer Sekunde nicht perfekt ist, muss man wieder ganz von vorne anfangen. Die Transformationsszene, der Überfall auf das Dorf, haben das wir 26-, vielleicht auch 27-mal hintereinander gedreht. Und das ist verdammt nochmal anstrengend (lacht). Wenn man es einmal macht ist das Adrenalin noch hoch und dann muss man es wieder und wieder machen, aber die Energie muss immer oben bleiben. Es war also sehr hart. Aber ich musste da einfach hineinspringen und ich wusste, dass Robert so arbeitet. Ich hoffte, dass es anders aussehen würde als andere große Abenteuer- und Actionfilme, gerade weil es nicht so viele Schnitte gibt. Natürlich fällt das filmaffinen Menschen auf, aber den Leuten, die nicht damit vertraut sind, fällt hoffentlich auf, dass der Film auf eine andere Art gemacht wurde. Das hat mich durch den harten Dreh gebracht.

 

DEADLINE: Wie stehen Sie zum Thema Rache im Film? Kann Rache befriedigend sein oder wird man letztendlich selbst Opfer davon?

Skarsgård: Ich denke das ist eine sehr komplexe Frage und das versuchen wir im Film herauszufinden. In Amleths Augen ist er im Recht und der Held seiner eigenen Geschichte, wie wir alle. Aber dann wird es sehr unbequem für ihn, als er feststellt, dass dieses Bild in seinem Kopf nicht akkurat ist. Die Rollen von Held und Bösewicht sind nicht mehr so klar definiert und es gibt keine Prinzessin in Nöten mehr. In der Literatur und in Hollywood ist oftmals sehr klar, wer der Gute und wer der Böse ist. Aber es ist immer interessanter, wenn man diese Linien verwischt und man die Fragen öffnet, welche Handlungen gerechtfertigt sind. Seine Rache – ohne das Ende vorwegzunehmen – kann man auf verschiedene Arten interpretieren. Das Gefühl am Ende ist auch etwas Besonderes. Nach der Premiere in Stockholm gestern haben wir viele Leute getroffen, die das Ende anders wahrgenommen haben. Manche sahen es positiv, andere haben sich gefragt, ob der Charakter sein Leben nicht verschwendet hat.

 

DEADLINE: Toxische Maskulinität ist in den Medien sehr präsent. In Ihrer Karriere haben Sie viele maskuline Charaktere gespielt. Warum fühlen Sie sich zu diesen Rollen hingezogen?

Skarsgård: In Ihnen liegt eine Dunkelheit und Komplexität, die ich interessant finde. Bei Amleth gibt es eine Dichotomie zwischen der Fassade des Berserkers und des verlassenen Jungen in ihm. Das hat sich nie geändert. Er verlor seine Eltern im Alter von zehn Jahren und war komplett isoliert. Für zwanzig Jahre war es er gegen die Welt. Das untergräbt den Begriff von einem harten Kerl, einem Alpha Tier, das finde ich interessant. Es ist viel mehr hinter dem Charakter, als man anfangs annimmt. Und dann zieht man Schicht um Schicht langsam. So eine Reise ist spannend für mich. Auf die begebe ich mich als Schauspieler gerne. Es ist einfach Charaktere in klischeehafter Weise darzustellen. Hier ist der Böse, er schlägt seine Frau. Wenn man tiefer in die Psychologie dahinter eintaucht ist es spannender für mich. Und wenn man versteht, warum sie sich überhaupt in ihn verliebt hat und sieht, dass er ein guter Vater ist. Glauben Sie es oder nicht, man kann beides sein und dieses komplexe Thema ist so interessant. Es wirft viele Fragen auf und ist nicht so deutlich wie Gut und Böse.

 

DEADLINE: Wie war Ihr körperliches Training für den Film? War es ähnlich anspruchsvoll wie für LEGEND OF TARZAN?

Skarsgård: Ich habe dafür mit demselben Mann zusammengearbeitet, Magnus, ein Freund von mir aus Schweden. LEGEND OF TARZAN war das erste Mal, dass wir zusammengearbeitet haben. Dass wir vorher schon ein Jahr miteinander zu tun hatten gab uns einen Vorteil. Er kennt meinen Körper besser als ich selbst und weiß wie er auf Trainingseinheiten und Diäten reagiert. Das Zeil für THE NORTHMAN war es einen Charakter zu schaffen, der eine Mischung aus Wolf und Bär ist, auch in seinem Kampfstil. Ich bin eher der magere Typ, es war also wichtig Gewicht draufzulegen und größer zu werden. Wenn sich Amleth verwandelt, fühlt es sich nach einem Bären an. In LEGEND OF TARZAN konnten wir mehr tricksen, da es mehr Schnitte gab. Aber wegen den langen Einstellungen ging das hier nicht. Wir mussten die Choreographien also alle auswendig lernen. Diesen Tanz zwischen mir, den Stuntleuten und der Kamera. Es musste so präzise sein und wir fingen Monate vorher an, um die Choreographien durchzugehen. Im Training im Gym haben wir versucht das mit einfließen zu lassen. Es sollte also fließend wirken. Bei LEGEND OF TARZAN war man sehr darauf bedacht, dass ich kaum Körperfett hatte. Ich durfte kein Bier am Wochenende, keine Pasta und kein verdammtes Glas Orangensaft. Sie wollten, dass ich keinen Zucker zu mir nehme, keinen erhöhten Blutzuckerspiegel. Bei THE NORTMAN war das einfacher. Sie wollten, dass ich an Gewicht zulege, also konnte ich auch mal Pasta oder Burger essen und ein Glas Wein am Samstagabend trinken. Das war deutlich besser für mich.

DEADLINE: Von der physischen Herausforderung mal abgesehen, wie auch schon in LEGEND OF TARZAN ist Amleth ein Charakter, der nicht allzu viel spricht. Mögen Sie Rollen, in denen Sie mit Ihrer Mimik und Gestik spielen müssen?

Skarsgård: Meisten finde ich die interessantesten Performances die, in denen es still ist. Wenn die Schauspieler nur durch ihre Augen sprechen. Das finde ich oft interessanter als das, was gesagt wird. Der Dialog ist sehr knapp, man sagt nur, was gesagt werden muss. Wir wollten das aufgreifen, wir wollten die Charaktere nicht lange Dialoge halten lassen. Es musste kurz und doch poetisch sein. Sjón ist so ein fantastischer Drehbuchautor und wie gesagt, er ist selbst von Island, er versteht die Kultur, sie ist in seinem Blut. Wir haben versucht so viel wie möglich von den Dialogen loszuwerden, um nur das wichtigste zu behalten.

 

DEADLINE: Die Hierarchie der Wikinger ist Jarl, der König, Karl, die Unteren und Thrall, die Sklaven. Wenn sich Ihr Charakter dazu entscheidet ein Sklave zu werden, verändert sich auch Ihre Performance und Körperhaltung. Was das Ihre Entscheidung?

Skarsgård: Amleth muss nahe an Fjölnir herankommen, er muss also auf die Farm. Und das erste Hindernis ist, dass er ihm als Sklave seinen Wert, seine Stärke zeigen muss. Amleth spielt quasi selbst einen Charakter auf der Farm. Er spielt den Ochsen, der schwere Sachen auf der Farm ziehen kann. Er weiß, dass er dadurch ausgenutzt wird, aber er will keine Blicke auf sich ziehen. Er will nicht als Gefahr gesehen werden, denn es geht diese konstante Angst eines Sklavenaufstands herum. Er spielt fast einen geistig Beeinträchtigten, der aber groß und stark ist. Die Leute sollen nicht denken, dass er einen Aufstand plant. Daher kommen diese Haltung und seine kurzen, grunzenden Antworten. Und wenn es die Möglichkeit gibt sich von einem Sklaven zu einem Höhergestellten zu machen, macht er das, um Fjölnir näherzukommen. Er danach kann er wieder aufrecht stehen, nach oben schauen und Amleth sein.

 

DEADLINE: Zu welchem Grad ist eigentlich Ihr Vater dafür verantwortlich, dass Sie auch Schauspieler geworden sind?

Skarsgård: Ich denke es ist größtenteils sein Fehler (lacht). Aber ich kann ihm keine Schuld geben, er hat sich sein meinen Kindheitstagen sehr damit zurückgehalten. Er hat mich oder meine Brüder nie dazu getrieben in seine Fußstapfen zu treten. Ich denke er hatte da eine sehr gesunde Herangehensweise, nämlich „mach es, wenn du es willst“. Er möchte, dass wir glücklich und erfüllt sind und es ist ihm nicht wichtig, womit wir das sind. Er war immer da, auch in meiner Zeit als Teenager, in der ich Schauspieler werden wollte. Er sagte immer, dass ich machen kann, was ich wollte. Als ich zwanzig war ging ich an die Theaterschule in New York und er unterstützte mich sehr. Er gab uns die Möglichkeit uns und Vertrauen in uns selbst zu entdecken. Meine Brüder und ich haben als Schauspieler unsere eigenen Wege gefunden. Wir kamen alle auf unterschiedlichen Wegen dazu. Dafür bin ich sehr dankbar, denn er war immer da und unterstützt uns bei allem.

DEADLINE: Was haben Sie über sich selbst bei diesem Dreh gelernt?

Skarsgård: Dass ich den Tränen immer sehr nahe bin. Es war eine sehr herausfordernde Reise. Ich habe schon darüber gesprochen, die langen Kampfszenen, es fühlte sich nach zu großen Herausforderungen an. Wenn man sich die Choreographien genauer auf dem Papier ansah, fühlte es sich unmöglich an. Wir mussten alle sehr bestimmt sein und jetzt, nachdem man aus dem Film herauskommt, fühlt man Dankbarkeit. Und auch verdammt nochmal Stolz, dass man das zusammen durchgestanden hat, trotz der Anstrengungen. Es war definitiv eine sehr emotionale Sache. Das ist etwas, das ich gelernt habe. Wenn man die richtige Chemie mit den Leuten am Set hat, kann man auch Dinge umsetzen, die vorher nicht möglich schienen.

 

DEADLINE: Wie war es mit Nicole Kidman zu drehen?

Skarsgård: Als das Drehbuch fertig war, waren wir uns alle einig, dass Nicole die perfekte Besetzung ist. Wegen den Herausforderungen kamen Nicole und ich uns sehr nahe. Und es wäre ein Traum wieder mit ihr zusammenzuarbeiten. Nach der Fertigstellung des Skripts habe ich sie angerufen, ob sie es lesen wollte. Sie las es und nahm glücklicherweise die Rolle. In den ersten Drehmonaten war Nicole noch nicht da, wir hatten zuerst die großen Schlachtszenen gedreht. Es waren also erst ein paar Monate intensiver Tage und Nächste voller Kämpfe. Und dann kam sie ans Set und wir haben zuerst die Szene gedreht, in der sich Amleth ihr offenbart. Und mein Gott, es war das Beste. Nach Monaten von Schmerzen, Blut und Schlamm mit einer der größten Schauspielerinnen in einem Raum zu stehen und eine wundervoll geschrieben Szene von Sjón zu spielen – es war außergewöhnlich.

 

DEADLINE: Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview.

Skarsgård: Danke Ihnen.

 

Interview geführt von Martin Seng

 

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